Title: Kairo [Electronic Edition]

Author: Franz, Julius, pasha.
Author: Bissing, Friedrich Wilhelm,; Freiherr von,; 1873-1956
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Publisher: Rice University
Place of publication: Houston, Tx
Publication date: 2006
Identifier: TIMEA, PasKair
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Notes:
Note: Illustrations have been included from the print version.
Source(s):

Title: Kairo

Author: Franz Pascha
File size or extent: 3 p. l., 160 p. illus. 25 cm.
Publisher: E.A. Seemann
Place of publication: Leipzig
Publication date: 1903
Identifier: From the collection of Dr. Paula Sanders, Rice University
Description of the project: This electronic text is part of the Travelers in the Middle East Archive (TIMEA), developed by Rice University.
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Origin/composition of the text: 1903
Languages used in the text:
  • German (deu)
Text classification
Keywords: (Library of Congress Subject Headings)( Library of Congress Subject Headings )
  • Art -- Egypt -- Cairo.
  • Cairo (Egypt). Musée des Antiquities Egyptiennes.
  • Cairo (Egypt) -- Description and travel.
Revision/change: December 2006
Statement of responsibility: LMS
ed.
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Kairo [Electronic Edition]


Contents







Leihbibliothek in der Burg Bücherstube Wien, I. Burgpassag Telephon R-20-1-21
[illeg.]honet die Büch[illeg.]







Beruhmte Runststatten
Nr. 21
Kairo



Kairo

Don
Franz Pascha

Leipzig Derkag von E. A. Seemann 1903



Drud von Ramm & Seemann in Leipzig.

Inhalts-Derzeichnis.

Seite
1. Einleitung 1
2. Die älteste Bauthätigkeit unter arabischer Herrschaft in Egypten 2
3. Die Bauten zur Zeit der Fatimiden 16
4. Die Bauten der Ejubiden-Periode 36
5. Die Bauten der Mamluken-Periode 47
         Die erste Mamlukenzeit 48
         Die zweite Mamlukenzeit 85
6. Bauten unter türkischer Herrschaft 105
7. Die Profanbauten während der Herrschaft des Islams 111
         Gewöhnliche Wohnhäuser 111
         Paläste 115
         Okellen 119
         Oeffentliche Bäder 122
8. Die Monumente der Nekropolen 124
         die der sogenannten Mamluken-Gräber 126
         die der sogenannten Kalifen-Gräber 134


1

Kairo.

Blick auf die Schutthügel von Fustat.

Wo gäbe es eine Stadt, deren Denkmäler, wenn auch teilweise in Ruinen,
selbst für weitere Kreise der gebildeten Welt interessanter wären, als die der alten
Kalifenstadt an den Ufern des Nils.
Man rühmt von Rom, dasz es der Sitz zweier mächtigen Kulturen gewesen,
derjenigen der Römer und der der Päpste. Kairo-Memphis hat in ähnlicher Art
die glänzenden Zeiten der Pharaonen und später die der Kalifen gesehen. In der
dazwischen liegenden Epoche ist es überdies das grosze Centrum jener zwischen
Antike und Christentum vermittelnden hellenistischen Welt gewesen, die im Anfange
unserer eigenen Kultur steht.
Von den Denkmälern des alten Memphis, das seit der dritten und während
der darauffolgenden Dynastieen bis zur Vertreibung der Hiksos Hauptstadt der
unteren Nilländer gewesen und bis zur Gründung Alexandriens ein Kultur- und
Kunstcentrum geblieben ist, sind uns nur Ueberreste seiner Nekropole auf dem Hochplateau
der Lybischen Wüste erhalten geblieben. Es sind das mächtige Königsmausoleen,
um die sich Ruinen kleinerer Grabbauten der Prinzen und Würdenträger
des Reiches gruppieren, in deren tief in das schuttüberlagerte Felsplateau eingehauenen
Gängen und Grabkammern jetzt noch Geräte und Kleinmonumente des
altegyptischen Totenkultus gefunden werden, deren hohe künstlerische Vollendung uns
mit Staunen und Bewunderung erfüllt. Diese Objekte sind gegenwärtig mit der
Sammlung egyptischer Altertümer in einem zum Museum umgestalteten Palaste
des verstorbenen Khedive Ismaël in Gizeh aufgestellt. In denselben Räumen, wo
vor noch nicht vielen Iahrzehnten ein glänzender Hof seine Feste feierte, lebensfrohe,
reichgeschmückte Frauen sorglose und heitere Tage verbrachten, stehen heute Sarkophage,
Statuen und Geräte des Totenkultus, um die sich nun ernste Menschengruppen
zum Studium der interessanten Kunstgegenstände bewegen. Aber auch hier
ist ihres Bleibens nicht und schon haben sich die Pforten des neuen Museums zu

Kairo geöffnet, um sie, welche längst verstorbene Generationen in den tiefen Felsenschächten
von Memphis für die Ewigkeit geborgen wähnten, aufzunehmen.
Das neue Museum, ein Hallenbau von etwa 14000 Quadratmeter Grundfläche,
ist in seinem Aeuszeren in ausspruchslosen, modernen, oft an altegyptische
Normen erinnernde architektonischen Formen erbaut. Das Innere, fast ausschlieszlich
von Deckenlicht erhellt, wird in zwei, je zehn Meter hohen Etagen die herrlichste
Sammlung altegyptischer Klein-Monumente enthalten, die von der bewährten
Meisterhand Maspero's hier übersichtlich aufgestellt werden soll. Von den Kult-und
Profanbauten des alten Memphis in Nilthale selbst sind heute kaum mehr
Spuren vorhanden. Hier stehen an Stelle der verschwundenen Pharaonentempel
Palmengruppen, zwischen denen der Pflug seine Furchen zieht und üppige Saaten
dem historischen Boden entsprieszen.
Anders verhält es sich mit den Denkmälern, welche die Kulturepoche des
Islams in der Metropole des modernen Egyptens hinterlassen hat und die ihr einen
so eigenartigen Charakter und Reiz verleihen, dasz kein Städtebild der Erde ihr
vergleichbar ist.
Aus einer westlich vom Nil begrenzten Ebene, die sich gegen Norden allmählich
zu den fruchtbaren Fluren des Delta erweitert, steigt die Stadt mit ihren
eigentümlichen Kuppeln und Minaretten in leiser Erhebung gegen die mächtigen
Unterbauten der Citadelle des uns aus der Geschichte der Kreuzzüge wohlbekannten
Saladin empor. Auf ihr erhebt sich majestätisch das sichtbare Wahrzeichen des
modernen Kairo, die Alabastermoschee Mohammed-Alis, des groszen Begründers
der jetzigen Dynastie. Gegen Osten erblicken wir den in unendlicher Lichtfülle einer
südlichen Sonne strahlenden kahlen Felsrücken des Mokattam, zu dessen Füszen sich
gegen Norden und Süden auf Wüstenboden die beiden Hauptnekropolen der Stadt
ausbreiten.
Während so die Stadt gegen Osten von Fels und Wüste begrenzt ist, im
Westen von den Silberbändern des Nils, über die hinaus am Horizont das lichte
Plateau der Lybischen Wüste mit den Pyramiden des alten Memphis erscheint,
stöszt ihr südlicher Teil an die Schutthügel des einstigen Fustat, der ersten Niederlassung
der Araber in Egypten.
Diese Lage, gewissermaszen in Schwerpunkte der unteren Nilländer, bot sowohl
in politischer als strategischer Beziehung so grosze Vorteile, dasz auch der neue
Eroberer Egyptens, der Feldherr des Kalifen Omar, Amr ibn el-As, sie im
Iahre 642 zur Anlage der Hauptstadt des neuen Reiches erkor; damit beginnt

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Die ältelte Bauthätigkeit unter arabischer Herrschaft in Egypten.

An derselben Stelle hatte schon im hohen Altertume eine Stadt gestanden,
welche die Altegypter There-Ohe, Ort des Kampfes, nannten, da hier Horus und
Set sich bekämpft haben sollen. Die Griechen gaben ihr den Namen Babylon
und das von den Römern erbaute Kastell, das uns freilich nur mehr teilweise in
echt römischer Bauweise hergestellten Festungsmauern erhalten ist, führt in der
Litteratur und bei Europäern bis heute diesen Namen, während es im Volke als

Kaszr esch-Schama bekannt ist. Zu Augustus' Zeiten stand hier eine der Egypten
okkupierenden drei Legionen. Heute schlieszen die Umwallungen ein dicht bebautes,
fast ausschlieszlich von Kopten und Griechen bewohntes Stadtviertel mit engen
Straszen und meist vernachlässigten ärmlichen Häusern und einige interessante alte
koptische Kirchen ein.
Nördlich an Babylon baute Amr, gleich nach Erstürmung der von Griechen
verteidigten Festung, Fustat,*) auf dessen einstigen südlichen und westlichen Bauflächen
das heutige Alt-Kairo, Masr el-Atika, steht. Masr ist der altsemitische
Namen für Egypten, der Zusatz Atika entstand erst später zur Unterscheidung von
Masr el-Kahira, die Siegreiche, der von Dschohar gegründeten Stadt.
In diese erste Niederlassung, die anfänglich aus militärischen Elementen bestand,
siedelten sich nach einigen Iahrzehnten auch Kopten an, denen die Regierungsweise
des neuen Herrschers Vertrauen einflöszte und die sich ihr willig unterordneten.
Nach ein paar Iahrhunderten war Fustat eine Stadt von wirklicher Bedeutung
geworden, in ihr blühte Kunst und Wissenschaft, und schon 815 wurde nördlich die
Vorstadt el-Askar und kurze Zeit später eine zweite, el-Katai, auf einem Plateau,
dem Gebel el-Iaschkur zugefügt. Als Achmed ibn-Tulun, der Gründer der
Tulunidendynastie, zur Regierung gelangte, schmückte er und später sein Sohn
Kumarujeh dieselbe nach Berichten altarabischer Schriftsteller mit in persischem
Geschmack verschwenderisch ausgestatteten Bauten. Leider liegen sie alle in Schutt
und Trümmern und kein Zeichen ihrer einstigen Pracht ragt aus den mit Sand
bedeckten historischen Stätten hervor. Nur karge Mauerreste, Fragmente harten
Gesteins und Marmors, Glas- und Fayencescherben, die beim Nachgraben in
den Schutthügeln zu Tage gefördert werden, bilden die traurigen Reste einstiger
Herrlichkeit. Sie sind indessen nicht in allen Teilen des groszen Ruinenfeldes von
gleicher Beschaffenheit, daher teilweise geeignet über das Alter ihrer Fundorte Aufschlusz
zu geben.**) So enthalten die Schutthügel zwischen Babylon und der Moschee Amr
ibn el-As kleine Lampen aus grauer Steinmasse, jene um die Moschee selbst, wo
nach den Berichten der Chronisten einst der Hauptbazar von Fustat gestanden, kleine
Gegenstände in kostbarem Material, darunter namentlich geschliffene Krystallfläschchen.
Nord-östlich von dem koptischen Kloster Deer Abu Sefen, das knapp an der
Grenze der Gärten von Alt-Kairo aus den Schuttmassen hervorragt, finden wir
emaillierte Terracottenscherben mit Inschriften und Wappen der Mamlukenperiode,
nicht selten auch münzenförmige Stempel und Glasgewichte mit arabischen Bezeichnungen.
Weiter gegen die Neustadt hin, nord-östlich von der unscheinbaren
Moschee Abu Sa'ud, die hier an unwirtlicher Stelle erbaut ist, Perlen aus Glas
und Emaille, auch solche in gebranntem Thon und Scherben mit Metallglanz, letztere
mehr oder weniger in allen Teilen der ausgedehnten Trümmerfelder, am häufigsten
aber in einem Hügel in einer Entfernung von etwa einem Kilometer östlich von
*) Arabische Bezeichnung für Zelt.
**) Contribution à l'étude de la céramique orientale par le Dr. D. Fouguet. Memoires de l'institut Egyptien Tome IV.

Babylon. Ebenso stöszt man in den Schutthügeln allenthalben auf Scherben archaischer
Formen, die auf cyprischen Ursprung hinweisen.
So erstreckte sich denn Fustat*) mit seinen beiden Vorstädten von Babylon bis
zu dem nördlichen Rande des Gebel el-Iaschkur, westlich vom Nil begrenzt, gegen
Osten aber weit in die Wüste eingreifend.
Heute bedecken den nördlichen Teil der alten Kulturstätte relativ moderne
Profanbauten, in deren Mitte das einzige uns aus der Tulunidenzeit erhaltene
Monument, die Moschee Achmed ibn-Tulun steht, während sich in Westen und
Süden, mit der Moschee Amr ibn el-As, Alt-Kairo erhebt.
Bevor wir auf die Entwicklung Kairos unter den Fatimiden übergehen, wollen
wir die beiden obengenannten Moscheen näher betrachten.

Die Moschee Amr ibn el-As.

Die grosze Moscheeruine im Süden von Fostat wurde lange Zeit für das von
Amr ibn el-As gegründete Gebethaus gehalten, hat aber mit diesem nichts als den
Namen gemein, da nachweisbar kein Ziegel, kein Stein des alten Gebäudes übriggeblieben.
Nach Daten altarabischer Schriftsteller steht nur so viel fest, dasz die
kleine Moschee Amr's**) auf einem Teile der Baufläche der heutigen Ruine und
ursprünglich in einem Garten nördlich von Babylon gestanden, welchen der General
Kaisaba ibn-Kulthum als Kriegsbeute erhalten, auf den er aber zu Gunsten des
Moscheenbaues verzichtet hatte.
Für die rasch wachsende muslimische Gemeinde unzureichend geworden, wurde
die Moschee schon im Iahre 698 in gröszerem Maszstabe ganz neu erbaut, nachdem
sie in der Zwischenzeit öfters erweitert worden war. Erst durch die Zubauten
Ibn-Tahir's im Iahre 827 mochte sie den Umfang erhalten haben, den sie
heute aufweist.
Die Groszen des Reiches sorgten fortan für ihre Erhaltung und bedachten sie
mit reichen Geschenken.
Als Schawer, der Wesir des Sultans Adid, im Iahre 1168 Fustat verbrannte,
um es nicht in die Hände Amalarichs I., Königs von Ierusalem, fallen zu lassen,
wurde auch die Moschee arg beschädigt. Die niedergebrannten Teile wurden zwar
vier Iahre später wieder aufgebaut, damit war aber die Fürsorge von Seiten der
Machthaber abgeschlossen und das ehrwürdige Gebäude von nun an unwiderruflich
dem Verfalle preisgegeben.
Nur noch einzelne notdürftige Ausbesserungen fanden statt. So um die Mitte
des 13. Iahrhunderts unter Beibars el-Bundukdari, der die nordwestliche Auszenmauer
erneuerte und von dem wahrscheinlich auch die dort erhaltenen Gipsskulpturen***)
einer Kiblanische herrühren. Während der zweiten Mamlukenperiode, Ende des
14. Iahrhunderts, liesz Burham, der Schekh der Kaufleute, beträchtliche Teile der
*) Nach Dr. Fouquet bildete das alte Fustat allein ein Viereck, annähernd von 2500 Meter
Seitenlänge.
**) Etwa 29 Meter lang und 17 Meter breit, von Europäern mit dem Namen Amru bezeichnet.
***) Dieselben sind, wie alle späteren, aus freier Hand geschnitten, so lange der Gips noch nicht ganz erhärtet war.

inneren Arkaden erneuern. Ein Iahrhundert später wurden unter Kait-Bai und am
Schlusse des 18. Iahrhunderts durch den Mamlukenführer Murad noch unbedeutende
Restaurationen vorgenommen, die letzte aber Mitte des vorigen Iahrhunderts von
Abbas-Pascha, dem Enkel Mohammed Ali's.
Der gänzliche Verfall des morschen Baues konnte aber dadurch nicht aufgehalten
werden, und so wurde aus dem groszen historischen Gebäude die traurige
Ruine unserer Tage.
Mit ihren schmucklosen, im Verhältnis zu ihrer Länge mäszig hohen Umfassungsmauern
macht sie einen sehr bescheidenen Eindruck, der durch ein paar
moderne Minarette und einige hohe, dickleibige Verstärkungspfeiler der Auszenmauern
nicht gehoben wird, ja infolge ihrer Lage neben Friedhöfen inmitten von Trümmerhaufen
nimmt sie einen fast melancholischen Anstrich an.
Der alte Bau, ein nicht ganz regelmäsziges Rechteck,*) zeigt in seinem Grundrisse
eine unvollständige Hofanlage. Wir sagen unvollständig, weil die einst auf
der rechten und linken Seite vorhandenen Portiken nur mehr in ihren Piedestalen
angedeutet werden. Diese Grundriszform, die älteste der Kultgebäude des Islams,
war bis zur Eijubidenzeit ausschlieszlich in Gebrauche, wurde dann durch eine neue,
die der Medresse, verdrängt, um in der Mamlukenperiode wieder zu erscheinen und
sich bis in die Gegenwart zu erhalten. Sie zeichnet sich durch Einfachheit und
Klarheit aus, wie der Kult selbst und das Glaubensbekenntnis des Islams. Die
Moscheen sind nicht wie die Kirchen Gotteshäuser, sondern einfach Versammlungs-orte
zum gemeinsamen Gebete und heiszen in arabischer Sprache Gama**) oder
Masgid.**)
Gama wird vornehmlich die grosze offizielle Moschee genannt, während mit
Masgid, eine Wortbildung, in der das Beugen beim Gebet zum Ausdruck kommt,
gewöhnlich Kultbauten von geringerer Wichtigkeit bezeichnet werden. Beide sind
oblonge, durch Umfassungsmauern gegen Verunreinigung geschützte Orte, in deren
Inneren gedeckte Galerieen in hypäthraler Ordnung umlaufen, ein- oder zweireihig
an drei Seiten, mehrschiffig aber an der Mekka zu gelegenen vierten Seite, dem
Sanktuarium. Sie schlieszen einen offenen Hof — Sachn el-Gama — mit Wasserbecken,
dem Atrium der byzantinischen Basilika vergleichbar, ein.
Auszer einigen wenigen Ausstattungsstücken enthält das Sanktuarium die Gebetnische
(Kibla oder Michrab), das Haupterfordernis des öffentlichen Gebethauses, deren
Form an die Apsis der Basilika erinnert und deren Achse genau und astronomisch
bestimmt nach Mekka — für Kairo also gegen Südost — zeigen soll.
Die Vorbilder zu diesen Anlagen sind wohl in den schon vor der islamitischen
Zeit in Arabien gebräuchlich gewesenen heidnischen Höfen zu suchen, an deren
Mauern die Götzenbilder unter Dach aufgestellt waren und die in Egypten als
Bauten in ungebrannten Ziegeln mit Dattelstämmen als Freistützen für die Verdachungen
nachgebildet wurden.
*) 120 Meter lang und 108 Meter breit.
**) Ort der Versammlung.
**) Daher mosquée, Moschee.
Erst nachdem die Bekenner der neuen Religion mit den damals herrschenden
Kulturstaaten in Berührung gekommen waren, verwandelten sich ihre bescheidenen
Gebethäuser in stolze Marmorhallen, mit deren Ausführung anfangs wohl meist christliche
Baumeister betraut wurden und zu denen die alten Tempel und Kirchen Marmorsäulen
liefern muszten. Die inneren Wände blieben bei oft reicher ornamentaler
Ausstattung ohne religiösen Bilderschmuck. Es gab auch keine Erhöhung einzelner
Teile des Fuszbodens, keine Estraden, keine Cancellen, um bevorzugte Menschenklassen
von den übrigen zu scheiden — vor Gott sind alle gleich — und wie noch heute
beim öffentlichen Gebet, stand als Vorbeter der Imam — in den ersten Zeiten des

Sachn der Moschee Amr (Amru).


Islams der Kalife selbst oder in seiner Abwesenheit der stellvertretende General —
vor der Kibla und hinter ihm, ohne Unterschied des Standes und Ranges, in
Schlachtreihen geordnet, die Gläubigen, um sich gemeinsam vor Allah, dem Allbarmherzigen,
zu demütigen.
Im Hofe der Amr-Moschee steht unter einer Gruppe von Bäumen und
Palmen ein moderner Reinigungsbrunnen (Hanafije) aus dem 18. Iahrhundert,
der sich malerisch von dem sechsschiffigen Hauptliwan, dem Sanktuarium, mit
doppelten Säulen an seiner äuszeren Bogenstellung abhebt.
Die Arkaden, deren hochgestelzte Spitzbogen auf antiken Säulen der römischen
und griechischen Periode mit höchst originellen Kapitellen ruhen, stellen in ihrer

rohen, flüchtigen Herstellungsweise späterer Restaurationen
ein echtes Bild des Verfalles dar.

Byzantinisches Kapitell der Moschee Amr.

Ihre Hallen imponieren nur durch die Gröszenverhältnisse.
An der Südostwand des Sanktuariums
befinden sich zwei unbedeutende Gebetnischen, auszerdem
in seiner linken Ecke ein für Schekh Abdallah,
angeblich einen Sohn Amr's, — von Abbas-Pascha
errichteter — überkuppelter Kenotaph und rechts
an dem Gebälke der ältesten noch bestehenden, aber
vielfach ausgebesserten Südwestwand der Moschee,
interessante byzantinische Holzschnitzereien.
Die Moschee ist heute fast verlassen, nur Freitags
versammelt sich hier eine geringe Anzahl Andächtiger,
Volk der niedersten Klasse, zum Gebet

Antikes Kapitell mit byzantinischen Holzschnitzereien der Moschee Amr (Amru).

und einmal im Iahre,
am letzten Freitag
des Monats Ramadan,
strömen Tausende
frommer Muslims
aus allen Schichten
der Bevölkerung herbei,
um wie einst zu
den Glanzzeiten
Fustat's das Freitagsgebet
in den für diese
Gelegenheit stets frischgetünchten
Hallen
feierlich zu verrichten
und sich mit ihrem
Landesfürsten und
dessen Würdenträgern
vor Allah 〟dem Einzigen〞
zu beugen.
Und dennoch —
trotz allen Verfalles
verfehlt die 〟alte
Moschee〞 — wie sie
im Volksmund heiszt
— nicht, ihren Besuchern
einen bleibenden,
tief empfundenen Eindruck
zu hinterlassen
in Erinnerung an ihre
einstige vielgerühmte

Holzskulpturen, in den Schutthügeln von Fustat gefunden.


Pracht, von der heute nur noch ein paar
hundert Marmorsäulen zeugen.
Selbstverständlich kann die Moschee
bei den zahllosen Veränderungen, welche
sie erfahren, einen genauen Einblick in
die Kunstbestrebungen während der ersten
Zeit unter der Herrschaft des Islams
nicht gewähren. Die wahrscheinlich aus
dem 9. Iahrhundert stammenden byzantinischen
Skulpturen an der Südwestwand
lassen aber darauf schlieszen, dasz zu jener
Zeit noch nicht an die Bildung eines
neuen Stiles gedacht wurde — eine Ansicht,
die durch Auffindung von Skulpturfragmenten
auf Holz und einzelner
Marmorstelen mit kufischen Inschriften
in koptisch-byzantinischer Umrahmung in
den Schutthügeln des alten Fustat vollkommen
bestätigt wird.

Die Moschee Achmed ibn-Tulun.

Neue Formen eines werdenden Stiles
treten erst bei der in dem heutigen Stadtviertel
Kalat el-Kabsch gelegenen, 876—78
erbauten Moschee Achmed ibn-Tulun, der dritten der groszen Freitagsmoscheen, auf.
Von der zweiten, 827 in El-Askar errichteten, wurde bis heute keine Spur
entdeckt.
Zur Erklärung der Benennung Freitagsmoschee sei erwähnt, dasz bei Beginn
des Islams in jeder Niederlassung nur in der offiziell dazu bestimmten Moschee
Freitags das öffentliche Gebet verrichtet werden durfte.
Ueber den Erbauer dieses merkwürdigen Monumentes erfahren wir aus den
Chroniken Makrisis (geb. 1364, gest. 1441), dasz er der Sohn eines türkischen Sklaven
gewesen, der dem Kalifen el-Mamun von dem Gouverneur Bukharas geschenkt
wurde. Achmed selbst, ungewöhnlich begabt, hatte es verstanden, das Vertrauen
des Kalifen zu erwerben, wurde von ihm als Inspektor des Tributes nach Egypten
gesandt und bald darauf zum Gouverneur des Landes ernannt. Seinem Ehrgeize
genügte aber diese Stellung auf die Dauer nicht, er strebte nach Höherem, machte
sich von dem Kalifate unabhängig und gründete die Tulunidendynastie, die von
870 bis 904 über Egypten herrschte.
Nachdem Achmed in el-Askar grosze öffentliche Bauten, unter anderen auch
das erste Spital, hatte aufführen lassen, erbaute er auf dem etwa zehn Meter über
den Hochfluten des Nils gelegenen bereits erwähnten Felsenplateau Gebel el-Iaschkur
und dadurch vor Ueberschwemmungen gesichert, seine Moschee.
Ihre unmittelbare Umgebung besteht heute in einem nur wenige Iahrhunderte
alten Stadtteil, dessen Häuser an drei Seiten bis zu ihren Umfassungsmauern herantreten.
Längs der den südwestlichen

Strasze Schara es-Siade.

Auszenhof abschlieszenden, von hohen
Zinnen bekrönten vierten Mauer
zieht sich die Strasze Schara es-Siade
hin, deren Häuser mit interessanten,
echt arabischen Erkerfassaden geschmückt
in jüngster Zeit teilweise
verschwunden sind.
Die grosze Moschee, eine an
drei Seiten von Auszenhöfen umgebene
Hofanlage, nimmt eine Baufläche
von 25700 Quadratmetern
ein, von denen 17000 Quadratmeter
auf die eigentliche Moschee
kommen. Drei je zweischiffige
Seitenliwane und das jetzt vierschiffige
Sanktuarium — seine
äuszere fünfte Arkadenreihe stürzte
1875 zusammen — schlieszen den
unbedeckten Sachn el- Gama ein.
Der Einsturz dieser Arkaden, für
das Monument selbst sehr bedauerlich,
veranlaszte die Regierung, das
von Mohammed-Ali hier gegründete
Asyl für Arme und Krüppel
zu verlegen, eine Maszregel, durch
welche die Moschee fortan vor Beschädigung
rücksichtsloser Pfründner
glücklicherweise geschützt wurde.
Man betritt dieselbe von dem
südöstlichen Auszenhofe und gelangt
zunächst in das Sanktuarium, von
dem aus unsere Abbildung aufgenommen
ist, und zwar zur Zeit,
als die Anlage noch als Asyl benützt
wurde.
Im Vordergrund erscheint die
von Ladschin*) an Stelle eines durch
Feuer zerstörten Hallenbaues errichtete
Kuppel, etwas weiter die mit
*) Der spätere Sultan al Melek el-Manssur Ladschin, 1296—1308.

hohen Zinnen bekrönte Hoffassade der Moschee, deren Spitzbogen vermauert und
deren Innenräume mit rohen Mauern abgeteilt waren, um Zellen für die
Pfründner zu gewinnen.
Im Hintergrunde steigt aus dem nordwestlichen Auszenhof das Minarett empor.
Wenn der inmitten des Sachn el-Gama stehende Kuppelbau in seiner äuszeren
Form auch eher ein Grabmal vermuten läszt, so war er, wie aus Inschriften der
inneren Kuppelfläche hervorgeht doch nicht dazu bestimmt. Aus dem im Erdgeschosse
zwischen vier mächtigen Pfeilern in den Boden vertieften achteckigen Becken, das später
den Pfründnern des Asyles als Reinigungsbrunnen diente, stieg vielleicht einst ein

Sachn der Moschee ibn-Tulun.

Springbrunnen empor. Eine kleine, jetzt zerstörte Treppe in der Ostfassade führte
zu einer in der Höhe des Kuppelanfanges gelegenen Kammer.
Durchaus eigenartig ist das Minarett. Keines der später in Kairo entstandenen
gleicht ihm völlig und ungewöhnlich erscheint seine von der Moschee getrennte Lage.
Am Fusze freistehend, wird es durch eine Freitreppe mit der Terrasse derselben verbunden.
Seine Bautechnik unterscheidet sich wesentlich von der der Moschee. Während
das Material bei letzterer sowohl für Mauern als auch für Freistützen durchwegs
aus gebrannten, mit Gipsverputz verkleideten kleinen Ziegeln besteht und zum
Schlusse der Oeffnungen Spitzbogen mit leichtem Anflug zum Kielbogen verwendet
sind, ist das Minarett ein Steinbau, dessen Oeffnungen mit Hufeisenbogen geschlossen
werden.
Diese Verschiedenheit der Bauweise, die den Kunsthistorikern öfters Veranlassung
zu Zweifeln an der gleichzeitigen Entstehung beider Bauobjekte giebt, kann dieselben

keinesfalls begründen, da die genauen Berichte der Chronisten über diesen Bau
ein so wichtiges Moment, wie die spätere Errichtung des Minarettes, wohl kaum
verschwiegen hätten.
Makrisi meldet, dasz ein christlicher Baumeister die Pläne zu der Moschee
entworfen hätte, hingegen sagt Kuday, der etwa 180 Iahre nach ihrer Entstehung
starb, dasz sowohl die Moschee wie das Minarett von Samara bei dem Baue ibn-Tulun's
als Vorbilder gedient hätten. Diese Bemerkung macht uns auf die auffallende
Aehnlichkeit des Minarettes mit der Ruine eines Feuerturms aufmerksam,
der noch heute in der Nähe der Heimat ibn-Tulun's auf dem Ruinenfelde von Dschur
bei Ferus Abad steht

Byzantinische Säulchen der Kibla der Moschee ibn-Tulun.


und dem vielleicht beide
Minarette nachgebildet
waren.
Diese Aehnlichkeit
bezieht sich heute freilich
nur noch auf den unteren
Teil, da später auf das
Plateau ein achteckiger
echt arabischer Turm in
fatimidischer Bauweise
vielleicht mit der bestimmten
Absicht gesetzt
wurde, ihm dadurch die
verhaszte Form eines
heidnischen Monumentes
zu nehmen.
Dieser im 13. Iahr-hundert
von Melek el-Kamel
restaurierte Aufsatz
trug ehedem, statt
des Wahrzeichens des Islams,
eine Barke als Bekrönung,
die zeitweise zur
Fütterung der leichtbefiederten
Bewohner der Lüfte, mit Getreide gefüllt wurde.
Das Sanktuarium der Moschee enthält nur mehr zwei Ausstattungsstücke, die
im Ganzen auf deren Ursprung zurückzuführen sind: der Haupt-Michrab mit seinen
byzantinischen Säulchen und Resten von echt byzantinischen Glas-Mosaiken, — und
zwischen zwei Pfeilern der zweiten Arkaden die Dikke, ein von vier Marmorsäulchen
mit einfachen Glockenkapitellen getragenes, von einem niederen Gitter aus gedrehtem
Holze umgebenes Podium, von dem herab die Moballa' in — Gehilfen des Chatib
— den fernerstehenden Andächtigen die an der Kibla gesprochenen Worte des Imam
wiederholen.
Die flachen, reich mit Gipsskulpturen ausgestatteten Kiblas an der Südostmauer

und an verschiedenen Pfeilern des Sanktuariums sind späteren Datums.
Die links an der Kiblawand wird der Sitte Nefisse*) zugeschrieben und nach ihr benannt.
Die beiden an den Pfeilern rechts und links von der Dikke mit Friesen in

Fragment der Stiftungsurkunde auf Marmortafel der Moschee ibn-Tulun.

kufischer Schrift, koranischen Inhalts, sind von geringer Bedeutung — dagegen von
hohem Werte die an den korrespondierenden Pfeilern der dritten Reihe, namentlich
die ziemlich gut erhaltene zur Rechten. Es ist die einzige Kibla in Kairo, deren
*) Einer Verwandten des Propheten.

Inschriften historische Daten enthalten. Der Inhalt des breiten Bandes von reich
geblümter kufischer Schrift, welches die prächtigen Ornamente der Flachnische umzieht,
lehrt uns, dasz dieselbe vom Wesir el-Afdal im Namen des Kalifen el-Mustanser
etwa um 1094 gestiftet wurde.
An der nächsten Pfeilerreihe, gegen den Sachn hin, ist ein Stück der Marmortafel
angebracht, welche die Stiftungsurkunde der Moschee in kufischen Lettern enthielt.

Das Innere der Moschee ibn-Tulun.

Dasselbe wurde vor einigen Iahren beim Aufräumen der Moschee im Schutte
gefunden. Achmed ibn-Tulun hatte diese Urkunde ursprünglich in zwei gleichlautenden
Exemplaren anfertigen lassen. Beide Tafeln wurden Anfang des vorigen Iahrhunderts
von Marcel an Pfeilern unter Gypsstuck entdeckt, verschwanden aber später
mit Ausnahme des eben genannten Stückes. Die Uebersetzung der Urkunde befindet
sich im Werke von Marcel, Egypte moderne, Seite 74. Die Urkunde enthält auszer

dem Datum der Einweihung der Moschee Betrachtungen des frommen Erbauers und
Citate aus dem Koran. Der unvollständige Minbar zur rechten Seite der Haupt-Kibla,
den Ladschin gegen Ende des 13. Iahrhunderts stiftete, macht heute, seiner in
Elfenbein und Ebenholz skulptierten kostbaren Füllungen beraubt, nur mehr den
Eindruck eines Skelettes. Der gröszte Teil derselben schmückt jetzt die Thüren eines
Palastes einer nordischen Hauptstadt, während nur ein kleiner Teil in die öffentliche
Sammlung des South-Kensington-Museums gerettet wurde.
Die Architektur der Fassaden ist von hoher Einfachheit und zeigt spärlich
verteilte Ornamente. Den einzigen Schmuck der ungegliederten äuszeren Umfassungsmauern
bilden schwerfällige Zinnen, kleine mit Stuck überzogene Backsteinpfeiler, die
an ihrem oberen Ende durch seitlich ausladende Arme verbunden sind und als Bekrönung
einen trapezförmigen Aufsatz tragen. Dicht darunter läuft ein kassettenartiger
Stuckfries mit durchbrochenen Medaillons. Auszerdem erscheinen an der Fassade, der
— wie allen arabischen Bauten Egyptens — der Sockel fehlt, zwischen den hochangelegten
Spitzbogenfenstern nur noch mit muschelartigen Halbkuppeln geschlossene
Nischen.
Leichter und mannigfaltiger gestalten sich die mit ähnlichen Zinnen bekrönten
Hoffassaden (Abb. Seite 10). Sie werden durch einen Rosettenfries mit achteckigen
Medaillons und durch vertiefte Rosetten in den Zwickeln der groszen
Arkadenöffnungen
neben den Spitzbogenfenstern wesentlich belebt.
Reicher ausgebildet ist die Ornamentik im Inneren. Dort finden wir neben
Skulpturen auf Holz verflachte Gipsornamente, die, in etwas monotoner Weise dieselben
Motive wiederholend, die Bogenlinien sämtlicher Arkaden umsäumen. Die
an den Ecken der massiven Pfeiler eingestellten Dreiviertelsäulen hatten einst römischen
Mustern nachgebildete verflachte Piedestale, sind aber im Laufe der Zeit fast alle
verschwunden. Der Leib ihres Kelchkapitelles ist mit einem aus geschweiften Linien
gebildeten Netze überzogen, dessen Maschen mit byzantinischen Palmetten ausgefüllt
sind, während der Hals von lanzettförmigen Blättern umstellt ist.
Die aus Palmenstämmen gebildeten Tragbalken der alten Decke, von der nur
ein kleiner Teil im Sanktuarium vor der Kibla erhalten ist, sind mit Sykomorenbrettern
verschalt. An den Friesen ihrer Füllungen, deren Langseiten von Halbkreisen
unterbrochen werden, finden sich Spuren chromatischer Behandlung. Während
die Verschalung dieser Decke fast ausschlieszlich in einfachen Friesen und Füllungen
besteht, ist der Architrav der Eingangsthüren in eigentümlichen Flachskulpturen mit
geschweiften Friesen und Medaillonformen von mannigfaltiger Gestalt geschmückt,
die einigermaszen den Holzschnitzereien gleichen, welche in den Schutthügeln von Fustat
gefunden wurden (Abb. Seite 8).
Ein unter der Decke der Liwane fortlaufender schmaler Schriftenfries auf
Holz (Abb. Seite 13) umfaszt nach Corbett-Bey etwa ein Siebenzehntel des ganzen
Koraninhaltes. Seine kufischen Buchstaben sind schlanker und weniger gedrängt
nebeneinander gestellt, als in dem Urkundenfragment auf Marmor.
Die Gipskulpturen weisen zwei voneinander wesentlich verschiedene ornamentale
Formen auf. Bei der einen sind die Elemente der Ranke, noch ganz wie in
der Antike und der byzantinischen Weise, nebeneinander gestellt, Blatt- und Blütentypen

aber schon verflachter, ihre Konturen weniger geteilt und abgerundet. Bei der
anderen treten die der arabischen Dekorationsweise eigentümlichen, durch Kreuzung
der Rankenstiele und durch Enterlaksmuster gebildeten Orna-mente hervor.
Erstere finden wir an dem dicht unter dem vorerwähnten Schriftenornamente
fortlaufenden, von demselben nur durch eine schmale Hohlkehle getrennten Blattfries
und an dem breiten, auf Flechtbändern sitzenden, aus zwei Gruppen von palmettenartigen
Motiven bestehenden
Gipsfries, der die Bogenlinien

Gipsgitter der Lichtöffnungen der Moschee ibn-Tulun.

der Arkaden umsäumt
und das Hauptornament der
Moschee bildet. Aehnlich,
nur etwas schmäler, sind die
Umrahmungen der kleineren
Bogenöffnungen.
Die zweite, höchst wahrscheinlich
auf spätere Restaurierungen
zurückzuführende
Form finden wir hauptsächlich
in den Leibungen einiger
Arkadenbogen, an den Gipsgittern,
sowie an einzelnen
Einfassungen der kleineren
Oeffnungen. All diese Ornamente,
obzwar in roher
Technik ausgeführt, zeigen
doch einen gewissen Grad
der Vollendung und können
deshalb nicht als die Anfänge
neuer Kunstformen
angesehen werden. Iedoch
ein endgültiges Urteil über
den Ursprung der verschiedenen
in der Moschee auftretenden
ornamentalen Formen
zu fällen, wird erst
dann möglich sein, wenn
die alten koptischen Bauten
Egyptens, deren einzelne, wie z. B. die Klöster an den Natronseen, ähnliche Ornamente
wie die eben besprochenen aufweisen, die Schutthügel von Fustat und die ältesten
arabischen Gräber genügend durchforscht sein werden. Einstweilen müssen wir uns
damit begnügen, einzelne der soeben betrachteten Typen als die ältesten uns bekannten
einer neuwerdenden arabischen Kunst anzusehen und ihre Erhaltung während
stürmischer Kriegsjahre oder Zeiten, in denen die Nachbargebäude in Flammen aufgingen,
als besonderes Glück preisen.
Es seien uns hier nur noch wenige Worte über die Geschichte des Monumentes
und seiner nächsten Umgebung gestattet.
El-Katai wurde von dem Abbasidenkalifen Muktafi b-illah im Iahre 905
geplündert und niedergebrannt, die Ueberlebenden der Tulunidenfamilie in die Gefangenschaft
nach Bagdad geschleppt und die Residenz des neuen Gouverneurs nach
el-Askar verlegt, das den Fall Katai's aber nicht lange überdauerte.
Schon 1070, nachdem unter dem Kalifen Mustanser Hungersnot und Epidemieen
das Land zu Grunde gerichtet hatten, waren beide Vorstädte zu vollen
Ruinen herabgesunken und dienten nur noch als Abbruchstätten oder Fundorte für
Baumaterial. Seitdem ward die Moschee Achmed ibn-Tulun von einem wechsel-vollen
Schicksal heimgesucht: bald ganz geschlossen, bald wieder als Kultstätte geöffnet,
diente sie zeitweise den aus dem Westen Afrikas nach Mekka ziehenden
Karawanen als Stall und Lagerplatz. Erst nach Ermordung des Sultans Melek
el-Aschraf Khalil im Iahre 1294 machte der in politische Intriguen und Kämpfe
um den Thron verwickelte Gouverneur Ladschin, der auf seiner Flucht ein sicheres
Asyl in der Moschee gefunden hatte, das Gelübde, sie von Grund aus zu restaurieren.
Er liesz — nach Makrisi — die Stuckarbeiten und das Pflaster renovieren,
errichtete die vor kurzer Zeit erneuerte Holzkuppel vor der Kibla, den schon früher
besprochenen Kuppelbau im Sachn el-Gama, und stiftete den prächtigen Minbar.
Dies war die letzte bedeutende Restaurierung, von der uns berichtet wird. Aufs
neue vernachlässigt, diente die Moschee später als Werkstätte, namentlich Seilern
und Webern, und zuletzt im verflossenen Iahrhundert als Asyl für Arme und
Krüppel.

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Die Bauten zur Zeit der Fatimiden.*)

Für die Entwickelung der arabischen Kunst war es ein harter Schlag, dasz
die prachtliebende Dynastie der Tuluniden schon nach wenigen Iahrzehnten gestürzt
wurde, und noch heute empfinden wir es schmerzlich, dasz von den vielen Monumenten
ihrer Zeit nur eines sich bis auf unsere Tage erhalten hat.
Nach Ausrottung dieses Fürstenhauses folgten schwere Zeiten für das Land,
dessen Geschicke fortan wieder wie ehedem durch Gouverneure — von asiatischen
Kalifen ernannt — gelenkt wurden. Auch die kurze Regierung der Ikhschididen vermochte
an diesen traurigen Zuständen nichts zu ändern. Weder Künste noch Wissenschaften
wurden gepflegt und die Chronisten erwähnen keines einzigen Denkmales,
mit dem die Stadt bereichert worden wäre. Erst unter der neuen Dynastie der
Fatimiden gelangte das von Seuchen, Hungersnot und inneren politischen Wirren
schwer heimgesuchte Land zu neuer Blüte und Wohlstand.
Die ursprüngliche Heimat des neuen Herrschergeschlechtes, das seinen Namen
von Fatma, der Tochter des Propheten, ableitete, lag westlich von Egypten, an der
Nordküste Afrikas. Von dort dehnte es seine Herrschaft auf fast alle Inseln des
Mittelmeeres aus. Wiederholt hatten Eroberungszüge auch in die östlichen fruchtbaren
*) Von 969—1171.

Grenzländer stattgefunden, doch erst im Iahre 968 war es dem Sultan
Mu'isz gelungen, der seinen tapferen Feldherrn Dschohar — einen freigelassenen
griechischen Sklaven — an der Spitze eines mächtigen Heeres ausgesandt hatte, sich
des ganzen Nillandes zu bemächtigen.

Plan von Masr el-Kahira (nach Ravaise.)

Nachdem Dschohar im Lande wieder Ruhe und Ordnung hergestellt, begann
er in seiner Sorge um die Erhaltung des neuen Besitzes im Iahre 969 die Umwallungen
der neuen Stadt, Masr el-Kahira, des heutigen Kairo's.
Dieselben bildeten ein Rechteck und begannen etwa einundeinenhalben Kilometer
nördlich von dem alten Katai, liefen ca. 1250 Meter nordwärts in einer Entfernung

von 50 Meter parallel mit dem Khalidsch, dem Kanal der Gläubigen, der früher für
die Wasserversorgung der Stadt von groszer Wichtigkeit war. Da er seit Vollendung
der zwischen 1864 und 65 begonnenen städtischen Wasserleitung überflüssig geworden,
hatte man wiederholt daran gedacht, ihn zuzuschütten, die Ausführung scheiterte
jedoch an der Zähigkeit, mit der das Volk an den jährlichen Nilfesten an der
Kanal-Mündung Fum el-Khalidsch hing, bis endlich am Schlusse des vorigen Iahrhunderts

Bab el-Futuch.

alle Schwierigkeiten überwunden wurden und nun an Stelle der Nilfluten
elektrische Tramwagen die Stadt durcheilen.
Auf dem breiten, etwas tiefer gelegenen, dadurch Infiltrationen und Ueberschwemmungen
ausgesetzten Streifen Landes zwischen el-Katai und der neuen Fatimidenstadt
wurden später Gärten angelegt und Landhäuser errichtet.
Gleichzeitig mit den Festungswerken begann Dschohar einen Palast für den
Kalifen zu erbauen und eine Moschee, die später so berühmt gewordene Ashar.

19

Infolge massenhaften Zuströmens fremder Elemente in die neue Niederlassung
entwickelte sich eine so rege Bauthätigkeit, dasz es bald an Bauplätzen
mangelte und die ersten Umfassungsmauern schon nach 120 Iahren vorgeschoben
werden muszten.
Diese Erweiterungsarbeiten führte Bedr el-Dschemali aus, den Sultan Manssur
1074 mit einem Heere aus Syrien berufen hatte, um seine gesunkene Autorität in
Egypten wieder herzustellen, und der, zum Groszwesir ernannt, fortan die Regierungsgeschäfte
leitete. Er begann seine Bauthätigkeit mit der Errichtung der Stadtmauern,
welche gleich denen Dschohar's meist aus groszen an der Sonne getrockneten

Bab en-Nasr.

Blöcken Nilschlamms hergestellt waren, wie Makrisi, der Anfang des 15. Iahrhunderts
noch Reste derselben gesehen hatte, bezeugt. Die Thore der neuen Umwallungen
aber, von denen heute noch einige erhalten, sowie ein kleiner Teil der
Stadtmauer, bestanden aus mächtigen Quadern.
An der Nordseite des einstigen Festungsviereckes stehen deren zwei, Bab el-Futuch,
das Thor der Eroberungen, und Bab en-Nasr, das Siegesthor, beide durch
die alte Festungsmauer verbunden, die im Westen auf etwa hundert Meter und im
Osten ein Geringes weniger erhalten ist.
In der Südfront liegt Bab Suele,*) auch Bab el-Mitwelli genannt, mit
*) Name eines Volksstammes, der unter den Fatimiden nach Egypten eingewandert war.

einem Rest der alten Stadtmauer, die sich, durch moderne Häuser maskiert, längs
der Strasze Darb el-Achmar hinzieht.
Die Hauptformen dieser Thore sind römischen Vorbildern entlehnt, ihr Mauerwerk
mit Einlagen von Schäften alter Marmorsäulen zur Querverbindung der
dicken Mauern, deren Querschnitt in einer Höhe von zwei bis drei Metern über dem
Boden als Medaillons sichtbar werden, ist technisch vollkommen ausgeführt. Ihre
Thoröffnungen, beiderseits von rechteckigen Türmen flankiert, die bei Bab el-Futuch

Bab Suele.

und Bab en-Nasr an ihren
Auszenseiten segmentförmig
abgerundet, sind mit scheitrechten,
durch mächtige Bogen
entlastete Gurten gebrochenen
Fugenschnitts geschlossen.
Mit nicht geringerer
Sorgfalt ist das Innere dieser
Turmbauten ausgestattet, besonders
die Stiegen- und Gewölbeanlagen.
Eigentümlich
mutet uns bei Bab en-Nasr
der Anblick moderner Schieszscharten
an und die Bezeichnung
einzelner alter Kasematten
in französischer Lapidarschrift,
beides Erinnerungen
an die Napoleonische
Expedition.
Was die Stadtmauer
selbst betrifft, so hatte dieselbe
in gewissen Abständen
nach auszen hin rechteckige
Ausbauten, welche auf ihrer
Höhe glatt abgedeckt und mit
den Rundengängen in Verbindung
standen. Zuweilen
sind erstere auch nach innen
erweitert, dann bilden die zu beiden Seiten der Rundengänge entstandenen Plateaux
eine Art kleiner Waffenplätze.
Die Thore unterscheiden sich in Ornamentation und Material so wesentlich
von den gleichzeitig in der Stadt auftretenden Fatimidenbauten, dasz wir sie beim
ersten Anblick als unter fremden Einflüssen entstandene Produkte erkennen. Erstere
nämlich durchwegs Steinbauten mit scheitrechten oder Rundbogen und hauptsächlich
byzantinischer Ornamentierung, namentlich bei Bab en-Nasr, letztere hingegen
Ziegelbauten mit Verwendung persischer Kielbogen.
Dasz wesentlich Byzantiner bei diesen Thorbauten thätig waren, lehren uns

auch griechische Steinmetzzeichen, die heute noch an einzelnen Werkstücken sichtbar sind,
sowie die Tradition, nach welcher dieselben von drei Brüdern griechischer Nation
aus Edessa, die Bedr el-Dschemali in seinem Stabe mitgeführt, erbaut worden wären.
Auszer ihrer Bestimmung als Zugänge in die Stadt dienten sie teilweise auch
als Richtplätze. Auf ihren Terrassen standen Galgen, wie noch heu$e auf der von
Bab en-Nasr, und auf den Zinnen wurden die Köpfe der Gerichteten — Landstreichern
und unsauberem Gesindel ein warnendes Zeichen — aufgepflanzt. So
berichtet die Geschichte auch, dasz die Köpfe der bei Manszura gefallenen Kreuzfahrer
auf den Zinnen von Bab Suele ausgestellt wurden und dasz 1517 der
letzte Sultan Kairos Melek el-Aschraf Tuman-Bai, nach verzweifeltem Kampf
um den Thron, auf Befehl Sultan Selims I. an den Mauern den Tod durch den
Strang erlitten hat.
Auch in der Volksphantasie spielt Bab Suele eine grosze Rolle. Der höchste
Heilige Kutb el-Mitwelli soll den westlichen Thorflügel zu einem Lieblingsaufenthalt
erwählt haben, dort Krankheiten und Gebrechen heilen und sich zeitweise durch einen
das Gewölbe des Thores durchleuchtenden Schimmer bemerkbar machen.
Die Fatimidenbauten lagen fast alle in dem von Dschohar und Bedr el-Dschemali
errichteten Festungsvierecke, einer Baufläche von etwas über 150 Hektaren, den nordöstlichen
Teil der Altstadt des heutigen Kairos, und zwar an der groszen Strasze, die
Bab el-Futuch mit Bab Suele noch jetzt verbindet und die einst die Fatimidenstadt
in zwei annähernd gleiche Hälften teilte.
Die Kultgebäude jener Epoche, in mehr oder weniger gutem Zustand bis
auf uns gekommen, sind nur gering an Zahl, jedoch hinreichend, um an ihnen
die wesentlichen Formen der damaligen religiösen Bauten studieren zu können.
Dagegen hat kein Profanbau den Stürmen der oft schweren Zeit widerstanden,
namentlich keiner der Fatimidenpaläste, von denen altarabische Schriftsteller so
Ueberschwängliches zu erzählen wissen. Ihre innere Ausstattung soll von einer Pracht
gewesen sein, die an die Zaubermärchen von Tausend und eine Nacht erinnert. Die
Prunkgemächer strotzten von Gold, Silber und Edelsteinen, Teppiche aus Seide mit
eingewebten Goldfäden bedeckten die Fuszböden. Ia die Berichterstatter gehen in ihren
Uebertreibungen so weit, von einem Portal, dem goldenen zu berichten, dessen
Mauerwerk aus Quadern von massivem Gold hergestellt gewesen wäre!
Trotz vielfacher Zerstörungen, denen die Gebäude der einzelnen Quartiere im
Laufe der Iahre ausgesetzt waren, hatten sich die Straszenzüge im Groszen Ganzen
nicht verändert, und noch zu Makrisis Zeiten führten sie teilweise die Namen, welche
sie bei Gründung der Stadt und bei Verteilung der Bauflächen unter die verschiedenen
Volksstämme erhalten hatten, selbst heute noch finden wir Straszennamen und
Bezeichnungen für Quartiere aus jener Zeit, beispielsweise “bein el Kassren”
— zwischen den beiden (Fatimiden-) Palästen, oder bein el-Suren — zwischen den
beiden Mauern — d. h. der Dschohar's und der Bedr el-Dschemali's.

Die Moschee el-Ashar.

In einem der ältesten Stadtviertel und zwar auf dem südösttichen Teile der
alten Fatimidenstadt steht die Moschee el-Ashar, “die Blühende”, welche im Iahre

971 vollendet wurde. Ihr rechteckiger Kern,*) wenn auch vielfach restauriert, ist
uns noch in seinen Urformen erhalten. Die um denselben sich gruppierenden Zufügungen
entstammen, historisch nachweisbar, einer späteren Zeit. Zu diesen gehört
die Sauje**) von Ibtighauije links vom Eingange der Moschee, der grosze, von
Sultan Kait-Bai im 15. Iahrhundert erbaute Hof für religiöse Abwaschungen —

Thor der Ashar-Moschee, erbaut von Kait-Bai.

der erst bei den neueren Anlagen allgemein gebräuchlich wurde — die Sauje el
Gohargije auf der Nordseite, ferner die von Abd er-Rachman Kikhja erbauten vier
östlichen Schiffe des Sanktuariums mit dessen Grab auf der Kibla-Seite und endlich
die Butiken der Südwestfassade.
*) Er hat eine Länge von beiläufig 90 Metern, auf eine Breite von 70 Metern.
**) Ein kleiner Gebetsaal, gewöhnlich ohne Minbar.
Treten wir durch den jetzigen Haupteingang*) — ein Doppelportal in gemischten
Formen der letzten Iahrhunderte — so stehen wir in einem Gang, der zu

Die Sauje Taibarssije.

dem von Sultan Kait-Bai erbauten, höchst geschmackvollen Thore — dem Zugang
zum Sachn el-Gama — führt.
Gleich rechts im Korridor befindet sich Sauje Taibarssije aus dem Anfang
*) In der Nordwestfassade.

des 14. Iahrhunderts, deren reich ausgestattete Kibla, von zwei prächtigen antiken
Porphyrsäulen flankiert, mit ihren zierlichen, in Marmor skulptierten Zwergarkaden
und den herrlichen Mosaiken aus verschiedenem kostbarem Material, darunter auch
echt byzantische Glas-Mosaiken ein Kunstobjekt ersten Ranges bildet.
Der Sauje gegenüber schlieszen sich an den Korridor alte, vielfach umgebaute
Lokalitäten, die jetzt die Administrations- und Bibliotheksräume der Moschee enthalten.
Durch das Thor Kait-Bai's gelangen wir in den unbedeckten, von Portiken
mit persischem Kielbogen umstellten Sachn el-Gama, vor uns liegt das achtschiffige

Der Sachn der Moschee Ashar.

Sanktuarium. Dem alten Bau gehören nur die vier vorderen Schiffe an, die
übrigen sind Zubauten Abd er-Rachman Kikhja's aus dem 18. Iahrhundert.
Zwischen der Erbauung der Moschee Ibn Tulun's und Vollendung der Ashar
lag etwa ein Iahrhundert, während welcher Zeit an der Gestalt des Grundrisses
nichts wesentlich geändert, dafür aber bei dem Aufbau mancherlei neue Formen
entfaltet worden waren.
Die geringe Abweichung des Grundplanes besteht in der Zufügung von
Portiken an Sen vier Seiten des Sachn, welche hier eine Mauer mit groszen vergitterten
Thüren von den Liwanen abschlieszt, und eines auf gekuppelten Säulen
ruhenden breiten Schiffes, das die vier Arkaden des alten Sanktuariums durchquert.
Der Bau selbst aber erscheint in völlig neuer Gestalt. Vor allem sind die
massigen Ziegelpfeiler der Tulun-Moschee verschwunden und an ihrer Stelle wieder

Marmorsäulen eingestellt, die wahrscheinlich aus den Ruinen el-Katai's geholt worden
waren, dabei ist der Spitzbogen durch den persischen Kielbogen ersetzt und der
Arkadenbau durch ein neues Element — mäszig hohe Kuppeln — bereichert*) Die
eine entsteigt aus einem Portikus des Sachn an der Sanktuariumsseite, die andere
aus dem Querschiffe, dicht vor der ursprünglichen, im Laufe der Zeit vielfach umgestalteten
Kibla.
Diese beiden Kuppeln und das ganze Querschiff werden als die einzigen, ziemlich
unverändert gebliebenen ursprünglichen Teile der Moschee angesehen. Hier tritt
auch ein oft übertünchtes Rankenornament in Gips auf, dessen Linienführung auffallend
an das der Arkadenzwickel in der Sophienkirche zu Konstantinopel erinnert.
Die weniger geteilten, an den Kanten abgerundete Blätter verraten das Bestreben
sich von den byzantinischen Formen frei zu machen.
Aehnliche Ornamente erscheinen auch an den Wänden des Sanktuariums,
sind jedoch in einer späteren Bauperiode entstandene Nachbildungen der alten
Originale.
Die kufische Schrift, die meist in Bändern die Ornamente umrahmt, ist
weniger gedrungen und zeigt schon, mit einzelnen Blattornamenten geschmückt, elegantere
Formen.
Die Bögen der Hoffassaden nehmen nicht mehr ihre ganze Höhe ein, sondern
lassen über ihrem Schlusse eine breite Wandfläche frei, die abwechselnd mit verflachten,
muschelartig geschlossenen Nischen und Medaillons geschmückt ist. Ueber
denselben zieht sich ein breiter, durchbrochener Fries hin, der aus fortlaufenden, sich
durchkreuzenden Bändern gebildet ist. Dreieckige, an den Seiten sägeförmig gezackte,
gleichfalls durchbrochene, mit echt arabischen Ranken ausgefüllte Zinnen krönen
das Ganze.
Das grosze Erdbeben von 1302 hatte die Moschee* arg beschädigt, die eingestürzten
Teile wurden aber von dem gelehrten Emir Salar bald wieder aufgebaut.
Auch in den folgenden Zeiten fehlte es nicht an Gönnern, die sich der Erhaltung
des Gebäudes annahmen, unter andern der Emir Sorghutmasch, Sultan Hassan
und Sultan Kait-Bai. Letzterer liesz auch das schöne, geschmackvolle Minarett im
Sachn errichten, dem el-Ghuri, der vorletzte der Mamluken-Sultane, im edlen Wettstreite,
wenige Iahre später ein zweites, noch gröszeres, mit eigentümlicher Stiegenanlage
zufügte. Zur gröszeren Bequemlichkeit der meist blinden Moeddins**) führt
nämlich eine doppelte Wendeltreppe um dieselbe Spindel.
Ebenso eifrig wie seine Vorgänger sorgt der jetzige Khedive Abbas II. für
die Moschee. Er liesz vor zwei Iahren die ganze, in Trümmern gelegene westliche
Ecke wieder aufbauen, nachdem kurz vorher sein Vater, der Khedive Tewfik, den
baufälligen Portikus des Sachn genau in den alten Formen wieder hergestellt hatte.
*) Wohl die ersten Kuppeln eines Kultbaues des Islams in Egypten, bei denen der Uebergang aus dem Quadrat in die Kuppeltrommel noch durch mit sphärischen Halbkuppelchen geschlossene Nischen — wie bei Römern und Byzantinern — vermittelt wird.
**) Da von den Galerien der hohen Minarette die vornehmlich den Frauen reservierten Terrassen der umliegenden Häuser überblickt werden können, wählt man mit Vorliebe Blinde als Moeddins.
Zur Hochschule und als solche heute noch die gröszte und berühmteste der
Muslimischen Welt, wurde el-Ashar durch den Kalifen el-Asis, Sohn Mu'isz 988
bestimmt. Ihr Hauptlehrsaal ist das Sanktuarium. An einer Säule, im Kreise
ihrer Schüler hockend, tragen die Professoren hier Religionslehre, Iurisprudenz und
als Nebenfächer Logik, Rhetorik und Verslehre vor.
Die zahlreichen Nebenräume der Moschee enthalten Arbeits- und Schlafsäle,
— Riwak — in denen die Studenten, nach Ländern gesondert, untergebracht sind.
Die einzigen Einrichtungsstücke dieser Räume, deren Boden Strohmatten bedecken,
bestehen in roh gezimmerten Schränken mit verschlieszbaren Fächern, zur Aufnahme
der dürftigen Habe ihrer Bewohner, die aus allen Teilen der mohammedanischen
Reiche hier zusammenströmen — in früheren Iahren bis zu 12000 in einem Semester
— und an ähnliche, bisweilen noch primitivere Wohnungsverhältnisse, in oft fensterlosen
Lehmhütten gewöhnt sind. Die Mittellosen unter ihnen erhalten täglich eine
Ration Brot, das ihnen Stiftungen ihres Heimatlandes als Unterhalt gewähren,
und zu welchem frugalen Mahle nicht selten ein guter Kamerad oder Familienfreund
etliche Zwiebeln, oder was die Iahreszeit sonst an Früchten und Gemüsen bietet,
hinzufügt.

Die Moschee el-Hakem.

Sultan Mu'isz, der erst 971, nachdem die neue Stadt fast fertig ausgebaut, ihre
Paläste und die grosze Moschee vollendet waren nach Masr el-Kahira gekommen
war, sollte sich nicht lange seiner prächtigen Schöpfungen erfreuen, denn schon 975
ereilte den kaum Fünfundvierzigjährigen der Tod. Seine Leiche wurde in der Fatimiden-Nekropole,
neben den sterblichen Resten seiner Vorfahren, die er nach Kairo mitgeführt
hatte, beigesetzt.
Ihm folgte sein 20 jähriger Sohn Asis, der Gründer der Universität el-Ashar,
der die Staatsgeschäfte Dschohar, dem Groszwesir seines Vaters, überliesz, jedenfalls
zum Besten des Landes, denn seine fünfundzwanzigjährige Regierung kann als eine
Zeit des friedlichen Gedeihens angesehen werden.
Nach ihm bestieg sein elfjähriger Sohn el-Hakem den Thron, der, durch seine
später in Wahnsinn ausartenden Grausamkeiten berüchtigt, im Iahre 1021 durch
Mörderhand endete.
Im Beginn seiner Regierung liesz el-Hakem die auszerhalb der Stadt vor
dem alten Bab el-Futuch von seinem Vater begonnene*) Moschee ausbauen und
1012 vollenden, deren Gebetsaal schon zu Lebzeiten des Kalifen Asis so weit gefördert
war, dasz er daselbst dem Freitagsgebet als Imam vorstehen konnte.
Der Bau bringt in architektonischer Beziehung wenig Neues und ist, wie aus
Grundrisz und Bogenformen ersichtlich, eine in kleinerem Maszstabe ausgeführte
Nachahmung der Moschee Ibn Tulun's, der nur die Vorhöfe fehlen. Selbst das
Baumaterial ist dasselbe, die Bautechnik aber eine wesentlich unvollkommenere, die
in Verbindung mit ungenügender Fundamentierung in Alluvial-Boden zweifellos
den frühen Verfall des Gebäudes herbeiführte.
*) 990.
Schon Mitte des vorigen Iahrhunderts nämlich bot sie das Bild einer ganz
zerfallenen Ruine.
Auch das grosze Erdbeben von 1302 hatte gewaltige Verwüstungen angerichtet.
So waren, wie der arabische Schriftsteller Abd es-Sahiri erzählt, die Umfassungsmauern
geborsten und viele Pfeiler, sowie die oberen Etagen beider Minarette
eingestürzt.

Moschee el-Hakem, aufgenommen in der Mitte des vorigen Iahrhunderts.

Als der Emir und spätere Sultan Rukn ed-Din Beibars el-Dschaschenkir in
Begleitung der Emire und des Kadi von Kairo unmittelbar nach der Katastrophe
die Unglücksstätte in Augenschein nahm, war er von dem Anblick dieser Zerstörung
so ergriffen, dasz er den sofortigen Wiederaufbau befahl.
Wie die einstige grosze Freitags-Moschee zu ihren Glanzzeiten ausgesehen
haben mag, läszt sich aus den heutigen kargen Resten schwer beurteilen, denn es

sind nämlich nur die, in ordinären Bruchstein-Mauerwerk geflickten Umfassungsmauern,
eine Anzahl Arkaden des Sanktuariums mit moderner Decke — die alte
war einer Feuersbrunst zum Opfer gefallen — und eine kleine Kuppel, sowie
zwei Minarette, welche aber nur in dem Kern ihres Unterbaues der Zeit el-Hakems
angehören, übrig geblieben. Unter ihnen ist nur die kleine, der Ashar-Moschee
ähnliche Kuppel mit ihren, an den Bögen des Unterbaues vorkommenden

Eins der beiden Minarette der Moschee el-Hakem.

eigentümlich skulptierten
Holz-Schlieszen von
künstlerischem Interesse,
auszerdem die beiden
Minarette,*) die
zur Zeit Bedr el-Dschemali's
in die neuen
Stadtbefestigungen einbezogen
wurden. Ursprünglich
ist an ihnen
nur der Kern, ein sorgfältiger
Quaderbau mit
breiten hochinteressanten
Schriftfriesen und
Ornamentbändern,
auf denen noch Reste
chromatischer Behandlung
erhalten und Umrahmungen
der Fensteröffnungen
in reichen
fatimidischen Skulpturen,
während die quadratische
Ummäntelung,
welche den Minaretten
eine entfernte
Aehnlichkeit mit dem
der Moschee Ibn-Tulun's
verleihen, später,
wahrscheinlich zu fortifikatorischen
Zwecken, zugefügt wurde. Zwischen beiden führt eine spiralförmige
Treppe zur Plattform, die einen cylindrischen, von einer kleinen Kuppel in Eijubidenform
bekrönten Turm aus Ziegeln trägt.
Von den alten Einrichtungsstücken der Moschee ist nichts erhalten. Nur eine
Thüre, die sich heute in der Sammlung des arabischen Museums befindet, giebt
uns noch ein Beispiel der damaligen Holzskulpturen, doch sind ihre Füllungen teilweise
*) Die Minarette dieser Form werden wegen der Aehnlichkeit ihres oberen Teiles mit einem arabischen Räucherfasz auch “Mabchara” genannt.

durch neue, jeder Feinheit und charakteristischen Ausführung entbehrenden
Nachbildungen ersetzt.
Die wenigen Reste von Gipsskulpturen welche von der einstigen ornamentalen
Ausstattung der Moschee Zeugnis ablegen, bestehen aus einem, sich auf der Höhe
der Wand- und Arkadenfläche hinziehenden breiten Fries von caramatischen Lettern.
Kein Ornament begleitet die Bogenlinien der Archivolten, nur kleine Gipsgitter
in einfachsten Entrelaksmustern und wenige Exemplare der durchbrochenen
Zinnen (Abb. Seite 28), die im Grunde denen der Ashar-Moschee ähnlich, sind an
den Umfassungsmauern erhalten.
In den Kanten der rechteckigen Pfeiler der Hallen finden wir, wie bei ibn
Tulun, Dreiviertelsäulen, doth ohne Kapitelle und Piedestale.
Ueber die wechselnde Bestimmung der Moschee während der vielen Iahrhunderte
ihres Bestandes erfahren wir aus den Ueberlieferungen, dasz sie schon einmal
von Kreuzfahrern in eine Kirche verwandelt, aber von Saladin gänzlich
restauriert und gereinigt, wieder dem Kultus des Islams zurückgegeben wurde.
Ihrer Wiederherstellung nach dem groszen Erdbeben wurde bereits erwähnt.
Später vernachlässigt, diente sie zeitweise als Stall, zu Zeiten der Napoleonischen
Expedition als Citadelle, woher die Schieszscharten auf einzelnen Mauern herrühren.
Erst als die Moschee-Verwaltung gegen Ende der siebziger Iahre des vorigen
Iahrhunderts die groszen, von hohen Mauern eingeschlossenen Räume zu ihrem General-Depot
einrichtete, muszte notgedrungen für Erhaltung der Ruinen gesorgt werden.
Damals liesz auch der Verfasser architektonische Bruchstücke und Klein-Monumente
aus den verwahrlosten, alten arabischen Bauten, um die sich eigentlich
niemand kümmerte, in die geschlossenen Räume der Moschee bringen und legte damit
den Grund zu dem arabischen Museum in Kairo. Dasselbe enthält nur einen
geringen Teil der unzähligen Kunsterzeugnisse einer groszen Kultur-Epoche, da die
Sammlung leider erst begonnen wurde, als ein groszer Teil der Kunstgegenstäde,
namentlich der Klein-Monumente aus kostbarem Material und von besonders
charakteristischer Ausführung, den Weg ins Ausland gefunden hatten. Diese Sammlung
soll noch im Laufe dieses Iahres in das zu diesem Zwecke im Inneren der
Stadt erbaute, neue arabische Museum übertragen werden, das in seiner oberen
Etage auch die vizekönigliche Bibliothek enthalten wird.
Von den nächsten Nachfolgern des ermordeten Kalifen el-Hakem ist Mustanser
b'illah zu erwähnen, unter dem der bereits genannte Wesir Bedr el-Dschemali sowohl
als Staatsmann wie als Feldherr eine so hervorragende Rolle spielte. Was
er in Kriegsbaukunst geleistet, sahen wir bei Betrachtung der zweiten Umwallungen
Kairos.

Die Moschee el-Akmar.

El-Mamun el-Batichi, der Groszwesir des folgenden Sultans Amr ben Musta'li,
erbaute südlich von der Moschee el-Hakem in der Nahasinstrasze 1125 die kleine
Moschee El-Akmar,*) die als Uebergang zu einer neuen Fassadenbildung für die
Kunstgeschichte von groszer Bedeutung ist.
*) Ein Rechteck von 56 Meter Länge auf 36 Meter Breite.
Die grösztenteils in den ursprünglichen Formen erhaltene gewölbte Decke des
dreischiffigen Sanktuariums und die vielfach roh restaurierte der einschiffigen Seitenliwane
dieser Hofanlage, ruhen auf fatimidischen Bogenarkaden mit antiken römischgriechischen
Marmorsäulen.
Abgesehen von dem Minarette, das wegen Baufälligkeit schon im 14. Iahrhundert
abgetragen werden muszte, ist die Moschee so ziemlich erhalten, nur wurde
das Innere durch den Einbau einer rohen Mauer zwischen Sanktuarium und Sachn
leider ganz entstellt.
Als Beitrag zur Geschichte des Baues sei erwähnt, dasz Ende des 14. Iahrhunderts
Ielbogha ibn-Abdallah el-Salemi, ein Mamluk Sultan Barkuk's, die
Moschee einer gründlichen Restauration unterzogen hatte. Damals liesz er auch,
wohl in der guten Absicht, den Bestand der Moschee für zukünftige Zeiten zu
sichern, vor der Hauptfassade ein unschönes Zinshaus aufführen, das den interessantesten
Teil der Anlage — die erste in Stein erbaute Fassade der Fatimiden-Zeit
— bis vor kurzem maskierte. Es war daher eine freudige Ueberraschung
für die Kunsthistoriker, als es dem Komite für Erhaltung der arabischen Monumente
gegen Ende des verflossenen Iahres endlich gelungen war, das schöne Kunstwerk
von den häszlichen Vorbauten zu befreien, nachdem es etwa zwölf Iahre vergeblich
um die Freilegung des interessanten Baues gekämpft hatte.
Die rechte Seite dieser so eigenartigen Fassade des 12. Iahrh. deren mittlerer,
etwas vorspringender Teil in einer Nische das Hauptportal enthält, ist leider noch
immer durch ein zweites modernes Wohnhaus ganz verdeckt, während die linke
Seite unmittelbar nach der Freilegung, ihres baufälligen Zustandes wegen, gestützt
werden muszte.
Ungemein wirkungsvoll erscheint die Dekorierung des Ganzen durch kannelierte
Nischen und Medaillons verschiedener Form, die teilweise an die von Tulun
erinnern.
Die Halbkuppel des Portales ist mit einer durchbrochenen, aus kufischen
Lettern und byzantinischen Ranken bestehenden Rosette ornamentiert, gegen die
Kannelüren konzentrisch zulaufen, deren in der Fassade sichtbar werdende Profile
für die gezackten Bordüren späterer arabischer Bogen mustergiltig geworden sind.
Die rechteckige, aus Rundstäben gebildete Einrahmung der Halbkuppel tritt in Kairo
hier zum ersten Male auf und bildet ein ornamentales Element, welches namentlich
bei spanischen Bauten für die arabische Architektur schematisch werden sollte.
Ein noch interessanteres Dekorierungs-Motiv sind die Stalaktiten-Bildungen,
die, soviel uns bekannt, hier ebenfalls zum ersten Male an einem Kairiner Bauwerk
auftreten und zwar in verschiedenen Stufen der Vollendung. Die einen an der abgeschrägten
linken Ecke der Fassade, aus nur drei kleinen, mit fatimidischen Bogen
geschlossenen Flachnischen bestehend, sind zweifellos ursprünglich, während die an
dem mittleren Vorbau rechts und links von dem Hauptportale als rechteckige Flachnische
erscheinenden schon einer verfeinerten Kunst und einer etwas späteren, jedoch
nicht über das 13. Iahrh. hinaus reichenden Periode, d. h. einer Restaurierung der
Fassade anzugehören scheinen.
Was das Wesen der Stalaktiten, dieser nur der arabischen Kunst eigentümlichen

Dekorationsweise im allgemeinen betrifft, so stellen sie im Prinzipe das tragende
Glied eines vorkragenden Bauteiles dar und bestehen aus Reihen kleiner Nischen
oder Zwergkuppeln, von denen jede höhergelegene über die zunächst darunter befindliche
vorkragt. Sind diese Zwergnischen von sechseckiger prismatischer Form, so
erinnert das Gebilde gewissermaszen an Bienenzellen, wogegen es bei Verwendung

Fassade der Moschee el-Akmar, aufgenommen 1901.

von Zwergkuppeln, deren Gewölbefüszchen nur teilweise an den Wänden haften,
während die übrigen frei in den Raum hängen, Aehnlichkeit mit Tropfsteinen
zeigt und deshalb in der Kunstgeschichte mit dem Namen Stalaktiten — arabisch
Mokarnas — bezeichnet wird.

Die Moschee Salach Talajeh.

Als Schluszbetrachtung der Fatimiden-Bauten in der Stadt bringen wir die
Beschreibung der unter Adid, dem letzten Sultan dieser Dynastie von Salach Talajeh

ibn-Resik, dem späteren Melek es-Salach, vor den Südwällen der Stadt erbauten
Moschee*) gleichen Namens.
Sie liegt heute in einem dicht bebauten Stadtviertel an der Kreuzung der
Straszen Kassabet Raduan und Darb el-Achmar. Die in Hausteinen ausgeführten
Umfassungsmauern der Hofanlage schlieszen das restaurierte Sanktuarium, einen dreischiffigen
Arkadenbau mit hochgestelzten persischen Bögen und einige Reste der

Sanktuarium der Moschee Salach Talajeh.

restaurierten Portiken der zerfallenen Seitenliwane ein. Material und Ornamentik
des Ganzen zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit dem vorhergehenden Kultbau.
Seine drei, an den Auszenseiten mit kufischen Inschriften gezierten Eingänge,
von denen das Hauptportal in der Nord-Westfassade unter dem vielfach restaurierten
Minaret liegt, sind durch scheitrechte Bögen mit gebrochenem, durch tiefe Rinnen
markierten Fugenschnitt geschlossen und werden durch Segmentbögen entlastet, die
am Sturze des Portales der Akmar-Moschee noch fehlen. Das wohlerhaltene zweiflügelige
*) Erbaut 1160. 41 Meter lang und 26 Meter breit.

Thor*), das einst den Haupteingang schlosz, zeigt an seiner inneren Seite
breite, glatte Friese und grosze, rechteckige Füllungen, welche reich in Syro-Byzantinischen
Skulpturen ornamentiert sind, während seine Straszenseite glatt verschalt
und mit Kupferblechen beschlagen ist, auf denen aus Messing gegossene, durchbrochene
Polygone zu Enterlaks-Mustern zusammengestellt sind. Ihre Flügel drehen
sich dabei in recht primitiver Weise, die auch in den späteren arabischen Epochen
beibehalten wurde, um hölzerne Zapfen, welche in Pfannen am Boden und in
Führungen am Sturze laufen. Leider wird heute ein Teil des ornamentalen
Schmuckes der Moschee durch Profanbauten verdeckt, welche in ihrem westlichen
Teile und auf dem daranstoszenden, einst von gewissenlosen Verwaltern veräuszerten
Moscheengrunde errichtet wurden.
Die in gebrannten Ziegeln ausgeführten Arkaden des Sanktuariums sind um
die Archivolten der Bögen und in ihren. Zwickeln reich mit feinen Gipsskulpturen
verziert. Die Bögen, mit ähnlichen Holzschlieszen wie die des kleinen Kuppelbaues
in der Hakem-Moschee versehen, ruhen auf Marmorsäulen korinthischen Stiles,
aus der Zeit des Verfalles. Als Dekorationsmittel sind an der Hofseite des
Sanktuariums Nischen und Medaillons verwendet, die denen der Tulun-Moschee
nicht unähnlich, an den Bogenzwickeln der Arkaden runde und rechteckige Medaillons
mit zum Teil durchbrochenen Motiven und an ihren Umfassungsmauern eine Art
Kamarijen,**) umrahmt von geblümter kufischer Schrift sich vorfinden. Die Fenster
der Amfassungsmauern der Seitenliwane waren, nach einem im arabischen Museum
aufbewahrten Exemplare zu schlieszen, mit reich in Ranken und Schriftfriesen
ornamentierten Gipsgittern geschlossen.
Alle diese Gipsornamente, deren Aehnlichkeit mit denen der vorher erwähnten
Monumente unverkennbar ist, sind von einer Feinheit der Technik und einer Eleganz
der Ranken und des Blattwerkes von meist noch syro-byzantinischem Charakter,
die späterhin in keiner Epoche der arabischen Kunst übertroffen werden sollte.
Wir finden hier, wie bei den übrigen Fatimiden-Bauten, die ornamentierte
kufische Schrift, auch caramatische benannt, die etwas vor Dschohar in Egypten
auftrat, aber zu Saladins Zeit fast ganz durch die Rundschrift, das Naskhi verdrängt
wurde.
Dabei zeigen die Schriftfriese auf Stein, die, wenn auch nicht ausschlieszlich,
so doch mit Vorliebe historische Daten enthalten, selbstverständlich einfachere Formen
als die in Gips geschnittenen, da das noch in halb hartem Zustand behandelte
Material sich leichter bearbeiten läszt als harter Stein.
Die Entwickelung der kufischen Schrift in Egypten, die in der Verzierung ihrer
Buchstaben mit eigentümlichen Blattwerk wohl auch die fatimidische genannt werden
könnte, ist in beistehenden chronologisch geordneten Abbildungen dargestellt.***)
*) 2.55 Meter breit und 4. 33 Meter hoch, befindet sich gegenwärtig im Arabischen Museum zu Kairo.
**) S. Anm. Seite 62.
***) Die hier gegebene Uebersicht rührt von dem Arabisten und Archäologen Dr. von Berchem her, dem durch seine Leistungen auf dem Gebiete der arabischen Geschichte und Archäologie und durch seine gründliche Untersuchung der arabischen Monumente in Syrien und in Egypten das Verdienst gebührt. das Studium der arabischen Kunst und Architektur in positive und wissenschaftliche Bahnen gelenkt zu haben. Die erste Abbildung zeigt den Fries des von Mamun, dem Sohne Harun er-Raschids in der ersten Hälfte des 9. Iahrhunderts restaurierten Nilmessers auf der Insel Roda, den wir in unsere Beschreibung nicht mit einbezogen haben.

Kufische Inschriften an Monumenten Kairos.

Die Moschee, obzwar zur Fatimiden-Zeit erbaut, wurde erst viel später dem
Kultus übergeben und kam eigentlich erst in der Mamlukenperiode zu Ehren, da

die Eijubiden an dem alten Gesetze, nach welchem das Freitagsgebet nur in einer
Moschee — und zwar damals in el-Hakem — verrichtet werden durfte, strenge
festhielten.
Im Anfang des 14. Iahrhunderts nach dem groszen Erdbeben hatte die
Moschee durch Sef ed-Din el-Bektimur, einen Mamluken-Sultan Kala' un's eine
vollständige Restaurierung erfahren. Derselbe stiftete auch den schönen, noch jetzt
in leidlichem Zustand im

Kibla der Sitte Rokaija, einer Verwandten des Propheten.

Sanktuarium vorhandenen
Minbar.
Einiger Klein-Monumente
aus jener Epoche
sei hier noch gedacht, die
sich gegenwärtig im arabischen
Museum zu Kairo
befinden. Es sind mobile
Gebetnischen aus Holz
von hervorragend schöner
Arbeit, die, wenn vorschriftsmäszig
nach Mekka
orientiert, denselben Zweck
wie jede andere Kibla erfüllen,
also jeden Raum
in einen Gebetsaal verwandeln.
Die erste wurde von
Sultan el-Amir 1096 in
die Ashar-Moschee gestiftet.
Ihre mit ornamentierten,
zum Teil restaurierten
Holztäfelungen
eingefaszte und von zwei
rohen Holzsäulen flankierte
Nische ist in einen
Dattelstamm gehölt. Sie
ist weniger in ornamentaler
als in epigraphischer
Beziehung durch die
dazu gehörige grosze Tafel
in kufischer Schrift bemerkenswert,
auch glauben
wir in ihr eines jener
Objekte zu erkennen,
dessen rohe, unbearbeitete
Teile einst mit kostbaren

Metallen verkleidet waren, die aber, wie wir aus den Berichten der Chronisten
erfahren, gleich vielen anderen Kunstgegenständen der Ashar-Moschee von Saladin
ihres wertvollen Schmuckes beraubt worden sind.
Die zweite Kibla, ein wahres Meisterwerk der Holzschnitzerkunst, stammt aus
der im Süden der heutigen Stadt gelegenen Meschhed der Sitte Rokaija, einer
Enkelin des Propheten, und wurde von Alam, der Gemahlin des Kalifen el-Amir,
errichtet. Sie ist über zwei Meter hoch und ihre in Spitzbogen geschlossene Nische
samt dem darüber hinlaufenden durchbrochenen Ornamentenband — beide von
interessanten, geblümten kusischen Schriftfriesen eingefaszt — steht in einem prismatischen
Kasten, dessen vier Seiten, gleich der Nische selbst, mit ornamentierten Füllungen
dekoriert sind.
Diese Flachskulpturen in dem Entrelaksnetze und in den rechteckigen Einrahmungen
müssen als Gebilde der syro-byzantinischen Epoche angesehen werden,
während die Schriftbänder mit caramatischen Lettern fatimidisch sind. Iedoch
treten hier die Entrelaksmuster schon so ausgebildet in den Vordergrund, dasz der
Gesamteindruck der Kombination von syro-byzantinischen Elementen mit caramatischen
Schriftfriesen den einer Neubildung macht, dabei können zwei in dem Rankenfriese
der Rückwand auftretende Bänder schon geradezu als Elemente des fertigen
arabischen Stiles angesehen werden.
Die dritte Kibla aus der Moschee Sitte Nefisse, ganz nahe am südlichen
Stadtthor gleichen Namens, gleicht in Höhe und Ausführung der obigen. Ihre
Nische, mit persischem Kielbogen geschlossen, ist von einem feinen Netzwerk geometrischer
Figuren überdeckt, dessen Polygonflächen mit kompliziertem Rankenwerk
von schon arabischen Formen ausgefüllt sind.
Zierlich geschnittene arabische Schriftfriese umrahmen die Nische sowie die
ganze Kastenfläche, dazwischen breitet sich ein Netz von geometrischen Figuren mit
noch byzantinischen Blattformen aus, wobei einzelne dieser Füllungen durch spätere,
in rohem Kerbschnitt nachgebildete ersetzt sind.
Leider enthalten die langen Schriftbänder nur Koranverse, keine historischen
Daten. Wir können daher nur aus der Analogie der Ausführung und aus der
Aehnlichkeit der Ornamentik schlieszen, dasz auch dieses Klein-Monument zu Ende
der Fatimidenzeit entstanden und höchst wahrscheinlich vom Sultan Hafid herrührt.

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Die Bauten der Eijubidenperiode.*)

Der erste der elf Kalifen der Fatimiden-Dynastie hatte das Land zu politischer
Machtstellung erhoben und auszerdem für die Entwickelung der Kunst in Egypten
Groszes geleistet. Unter ihm war die schönste Stadt des Morgenlandes, die Perle
des Orientes — wie arabische Schriftsteller sie von jeher genannt — entstanden.
Prächtige Paläste waren hier geschaffen, in denen unschätzbare Kunstwerke angehäuft
waren, indessen sind nur wenige Reste davon übrig geblieben, die keinen
genauen Einblick in das Schaffen der damaligen Zeit gestatten.
*) 1171—1250.

37

Der grosze Mann starb leider all zu früh, ein Fanatiker und grausamer
Tyrann trat an seine Stelle, unter dem Egypten von seiner politischen und geistigen
Höhe merklich herabstieg. Dann folgten Schwächlinge und Unmündige, die unter
ihren teilweise hochbegabten Wesiren zu Schatten von Herrschern herabsanken, der
letzte von ihnen, Adid, wurde auch ohne Schwierigkeiten von seinem gewissenlosen
Vormunde, dem Kurden Iusuf Salach ed-Din, Sohn Nigm ed-Din's, entthront und
in die Verbannung gesandt. Nachdem dieser anfangs Ergebenheit und Unterwürfigkeit
für den jungen Kalifen geheuchelt hatte, warf er 1171 die Maske ab und risz

Oestliche Umwallung der Citadelle und Moschee Mohammed Ali.

keinesweges zum Schaden des Reiches als Usurpator das Sultanat in Syrien und
Egypten an sich, denn seine Thronbesteigung bezeichnet einen gewaltigen Umschwung
in den bisherigen traurigen Zuständen. Durch Kontakt mit den Kreuzfahrern
lernte er occidentale Kultur kennen und wuszte daraus mancherlei Vorteile
für sich und sein Reich zu ziehen. Namentlich dienten ihm die von Christen in
Syrien geschaffenen zahlreichen Bauten als Vorbilder für seine neuen Schöpfungen
in Egypten.
Vor allem war er darauf bedacht, die vernachlässigten Bewässerungskanäle
wieder herzustellen, dann erbaute er auf der gegen das Nilthal vorspringenden

Felsenterasse des Mokattams, die einst das Tulunidenschlosz Kasr el-haua*) trug, die
Citadelle Kalat el-Gebel — Gebirgsfestung — auf der er auch seine Residenz errichtete,
da die alten Fatimiden-Paläste unbewohnbar geworden waren.
Zu diesen umfassenden Unternehmungen kam noch der groszartige Plan, die
ganze erweiterte Stadt mit dem Festungsnetze der Citadelle zu verbinden. Er begann
die alten Mauern im Norden der Stadt gegen Westen hin zu verlängern
und die heute noch vorhandenen östlichen Stadtmauern zu erbauen. Zu einer wirklichen
und vollständigen Verbindung von Stadt- und Citadellenmauern kam es jedoch
nicht, da sein Tod die Vollendung dieses Projektes verhinderte.
Bei all diesen Unternehmungen stand ihm sein Groszwesir, der Eunuche
Boha ed-Din el-Assadi, ein Mann von ähnlicher Thatkraft und Energie wie er
selbst, treu zur Seite.
Die Kriegsbauten Saladin's, unter welchem Namen Salach ed-Din in
Europa bekannt ist, sind weniger sorgfältig und nicht so monumental ausgeführt
wie die Bedr el-Dschemali's, von denen sie sich namentlich durch die Form der
Mauervorlagen unterscheiden, die hier nur an den Auszenseiten und in halbcylindrischer
Gestalt vorkommen. Die Ecktürme haben in sämtlichen Geschossen mit
Kreuz- oder sphärischen Gewölben eingedeckte Innenräume und sind von kolossalen
Dimensionen und grösztenteils rund; von viereckiger Gestalt treffen wir nur wenige
im Inneren der eigentlich aus drei, jede besonders umgürteten Festungen bestehenden
Citadelle.
Im Allgemeinen schlieszen sich die Formen der Saladinischen Befestigungen
denen der Schule an, welche die Kreuzfahrer aus Europa, namentlich aus Frankreich,
in Syrien eingeführt, während die Umwallungen Bedr el-Dschemali's sich
mehr der byzantinisch-arabischen nähern, deren charakteristische Merkmale wir in
den Kriegsbauten Konstanstinopel's und Klein-Asien's finden, sowie an den, nach
dem Abzug der Kreuzfahrer entstandenen Befestigungen in Nord-Syrien, wie z. B.
an den von Sultan Soliman im 16. Iahrhundert erbauten Stadtmauern von Ierusalem.
Der ursprüngliche Festungsbau erfuhr im Laufe der Zeit mancherlei Veränderung.
Schon Beibars el-Bundukdari hatte ihn wesentlich umgestaltet und ausgebessert,
später bedingte die Einführung der Feuerwaffen eine Umgestaltung seiner
Crenelierungen, baufällig gewordene Teile wurden während der Mamluken-Perioden
erneuert und endlich aus demselben Grunde die ganze westliche, der Stadt zugekehrte
Seite von Mohammed-Ali niedergelegt und in neuen Formen wieder aufgebaut.
Saladin's Thätigkeit beschränkte sich nicht allein auf Befestigungsbauten und
Werke, welche auf die Hebung des allgemeinen materiellen Wohlstandes seines
Volkes abzielten, er gründete auch Kultgebäude mit eigenen Lehranstalten — sogenannte
Medressen — für Theologie uud Iurisprudenz und berief die gelehrtesten
Doktoren des Islams nach Kairo, denen die Aufgabe zufiel, die mit den
schiitischen Lehren der Fatimiden eingerissene laxe Moral zu bekämpfen und gründlich
zu reformieren.
*) Schlosz der Winde.

39

Die erste dieser Medressen, die jedoch die Zeit vernichtet hat, war gegen
Ende des 12. Iahrhunderts in der südlichen Karafe, nache bei Imam Schafa'i
entstanden.
Ihre Form, wahrscheinlich in Persien erfunden, war durch Sultan Nur ed-Din
nach Syrien gebracht und später von dessen Landsmanne Salach ed-Din in
Egypten eingeführt, wo sie während der Eijubidenherrschaft das ausschlieszliche
Vorbild für Kultgebäude
blieb.
Ihr idealer Grundrisz

Pendentifbildung der Kuppel von Imam Schafa'i.


bildet ein Viereck,
in welchem der Hauptraum
durch symmetrische
Einbauten in
seine vier Ecken Kreuzesform
annimmt. Sein
mittlerer unbedeckter
Teil ist der Sachn el-Gama,
die vier Kreuzesarme
aber die Liwane,
zugleich Lehrsäle der
vier orthodoxen Sekten
des Islams.
Die Einbauten enthalten
die Verwaltungsräume
der Medresse,
Riwaks für Zöglinge,
das Sebil, das Portal
und endlich das Grab
des Stifters, das nach
Bestimmungen des Korans
niemals im Gebetsraume
selbst errichtet,
wohl aber durch
eine Thür oder ein
Fenster mit demselben
in Verbindung gesetzt
werden darf.
Diese komplette Umgestaltung des Grundrisses der ursprünglichen Hofanlage
rief naturgemäsz auch Veränderungen im Aufbau hervor. Zunächst verschwinden
im Inneren die Arkaden der Liwane samt ihren horizontalen Decken, an deren Stelle
sich gegen den Sachn in mächtige Spitzbogen öffnende Gewölbe treten.
Auch ein neues, dem Gebäude äuszerlich ein imposanteres Aussehen verleihendes
Bauglied, die grotze Mausoleumskuppel, kommt hinzu. In Fatimiden-Bauten
waren nur vereinzelt und zur Markierung gewisser Stellen, im Innern

z. B. der Kibla, kleine Kuppeln aufgetreten. Beide Kuppelarten in Ziegelbau sind
äuszerlich entweder mit glattem Gipsstuck überzogen oder mit gegen die Spitze zulaufenden
Wülsten geschmückt. Ihre Silhuetten entsprechen den in dieser Kunstepoche
gebräuchlichen Bogenformen.
Im Inneren treten merkliche Neuerungen auf, die sich besonders im Uebergang
des Unterbaues in die Kuppeltrommel bemerkbar machen. Schon die Fatimiden
hatten die alte byzantinische Uebergangsweise durch Umbildung der, für
den Geschmack der Orientalen allzu einfachen sphärischen Halbnische, in solche
mit gebrochenem Bogen geändert, die Eijubiden setzten an deren Stelle mehrere

Mausoleum der Abbassiden.


Reihen untereinander organisch verbundener Nischen, die als Vorläufer der späteren
reichen Stalaktitenpendentifs der Mamlukenperiode betrachtet werden können.
Die Uebergangsformen der Fatimidenzeit finden wir bei alten kleinen Grabdenkmalen
des südlichsten Teiles von Kairo und in der daranstoszenden Nekropole.
So in dem Mausoleum der Abbassiden, das mit der Moschee Sitte Nefise durch
ein Fenster verbunden ist; dasselbe liegt neben dem Stadtthor gleichen Namens.
Ursprünglich für einen Gesandten des Abbassiden-Kalifen von Bagdad erbaut,
wurden hier zwischen 1237—1338 mehrere Familienmitglieder der Abbassiden-Kalifen
begraben.
Seine acht gemauerten Kenotaphe sind mit Marmormosaiken geschmückt und
von interessanten Holzschriftfriesen — koranischen Inhaltes — bekrönt. Die des

groszen mittleren Kenotaphes, an dem siebzehn Stelen aus Marmor oder Stein mit
den Namen der hier ruhenden Abbassidenabkömmlinge angebracht sind, zeigt neben
Rundschrift einzelne Kartuschen in kufischen Lettern.
In einer Entfernung von etwa 350 Metern liegt nördlich in dem Stadtviertel
el-Kalife die moderne Tekkije*) Rokaija mit drei kleinen Mausoleen aus der
Fatimidenzeit.
Das Hauptgrabmal, das der Sitte Rokaija, in welchem einst die bereits erwähnte
Kibla stand, wurde 1132 von der Prinzessin Alam el-Amirije erbaut und
enthält den 1155 von einem Fatimiden-Fürsten errichteten Kenotoph der Sitte Rokaja.

Inschriften eines Kenotaphes des Abbassiden-Mausoleums.

Im gleichen Stadtviertel, etwas nördlicher gelegen, finden wir mit ähnlichem
Kuppelübergange das Mausoleum Madfan Schagaret ed-Durr, wo 1257 die einzige
Sultanin, die je den Thron des islamitischen Reiches in Egypten inne hatte,
Schagaret ed-Durr, beigesetzt wurde.
Es steht neben einer unscheinbaren, modernen kleinen Moschee, mit der es
eine Thür verbindet, und birgt in seiner Mitte den mit bunten Applikteppichen
überdeckten Kenotaph eines Abbasiden Kalifen und in einer Fensternische den der
Schagaret ed-Durr.
Das tragische Ende der Prinzessin, einer von dem Kalifen Mustanser gekauften
und dem Eijubiden Salach Nigm ed-Din geschenkte Sklavin, der sie zur Frau nahm,
*) Derwischkloster.

gewährt einen so tiefen Einblick in die Sitten der damaligen Zeit, dasz wir nicht
anstehen, hier näher darauf einzugehen. Nach Ermordung ihres Sohnes Sultan
Turan Schah wuszte die ränkesüchtige Frau die über die Wahl eines Nachfolgers
unschlüssigen Mamluken zu bestimmen, ihr selbst die Herrschaft einzuräumen. Sie

Der Madfan Schagaret ed-Durr.

regierte in der That auch einige Monate, jedoch ohne die übliche Bestätigung des
Kalifen von Bagdad erhalten zu haben. Er verweigerte dieselbe, indem er schrieb:
“Da sich unter Euch kein Mann befindet, würdig Euer Sultan zu sein, werde ich
selbst kommen und einen einsetzen. Wiszt Ihr nicht, dasz unser verehrter Prophet
gesagt hat: ‘Unglück den Völkern, die von Weibern regiert werden’?”

43

Schagaret ed-Durr blieb auch nach ihrer Absetzung faktisch Sultanin, da sie
sich mit ihrem Nachfolger Melek el-Mu'isz el-Dschaschenkir vermählte und ihn
vollständig beherrschte. Als er aber den Entschlusz gefaszt, die Tochter des Herrschers
von Mosul, Bedr ed-Din Lulus, zur Frau zu nehmen, liesz sie ihn 1257 aus Eifer sucht
erwürgen.
Schon am Morgen nach der grauenvollen That wurde Dschaschenkirs fünfzehnjähriger
Sohn Nur ed-Din Ali, das Kind einer Odaliske, auf den Thron
gesetzt. Sein erster Regierungsakt bestand in dem Auslieferungsbefehl Schagaret
ed-Durrs an seine Mutter, in deren Harem sie von den wütenden Weibern mittels

Nische in Gipsskulpturen im Inneren des Abbassiden-Mausoleums.


Holzschuhen erschlagen wurde, ihr Leichnam ward von den Felsenhöhen der Citadelle
herabgestürzt. Die von den Zähnen der Straszenhunde verschont gebliebenen Reste
der einst allmächtigen Frau wurden nach drei Tagen jedoch ohne den, ihrem
Range gebührenden Ehren in obigem Mausoleum beigesetzt. Wir wissen aus den
Chroniken, dasz Schagaret ed-Durr sich zu Lebzeiten dieses prächtige Mausoleum erbauen
liesz, in dessen Inneren wir noch manche Ueberreste seiner einstigen reichen
Ausstattung finden. So Mosaiken aus echt byzantinïschem Glas in Gold, rot und
blau, die aber aus Erbitterung gegen die Ermordete einst mit dickem Oelanstrich
überzogen worden waren, ferner alte Fatimiden-Inschriften, die durch den Mamluken
Naskhi auf Stuck oder mit dick gemalter weiszer Schrift verdeckt wurden, um jede
Erinnerung an die Verhaszte auszulöschen.

44

Als Ende des 15. oder gegen Mitte des 16. Iahrh. ein Abbasiden-Kalife
in der leeren Gruft des Mausoleums beigesetzt wurde, scheint man sich seiner ursprünglichen
Bestimmung erinnert zu haben und hat in einer Inschrift, die sich auf
der Höhe der reich gezierten Kiblanische hinzieht, das Andenken an die unglückliche
Frau wieder einigermaszen zu Ehren gebracht.
Die Basreliefs in Naskhi auf zehn Brettern aus weichem Holz, welche den
Tabut*) des Kalifen umgeben, enthalten Citate aus dem Koran und Betrachtungen des
Verstorbenen, deren Sinn an manche unserer mittelalterlichen Grabschriften erinnern:

Das Mausoleum Salach Nigm ed-Din, das Sebil Khosrof-Pascha und Minarett der Medresse Salach Nigm ed-Din.


“Du, der Du neben meinem Grabe stehst
Wundre Dich nicht über meinen Zustand,
Gestern war ich wie Du, morgen wirst Du sein wie ich,
Welch sanfter Ruheplatz für den, der Gutes gethan. …”
Das Grabmal scheint vielfach restauriert und dürfte, nach den architektonischen
Formen und Inschriften zu schlieszen, ziemlich gleichzeitig mit dem Mausoleum
Salach Nigm ed-Din entstanden sein. Von Berchem setzt die Erbauung in das
Iahr 1250.
*) Gemauerter Kenotaph.

45

Während diese kleinen Denkmäler meist

Holzskulpturen des Kenotaphes Ismaïl Sadat el-Taalbe (1216).


schmucklos und unscheinbar in ihrem Aeuszeren
— nur das Abbassidengrab ziert eine
Reihe Nischen, ähnlich denen der Fassaden
von el-Ashar — sind ihre Innenräume,
gewöhnlich aber auch nur an der Kiblaseite,
mit Schriftfriesen und Rankenwerk in
Gips ausgestattet. Ihr ornamentales Blattwerk,
umgeben von arabischen Lettern,
zeigt sich schon von rein byzantinischen
Formen befreit.
Auszer den früher erwähnten Festungswerken
Saladins sind nur wenig bauliche
Reste der Eijubiden auf uns gekommen,
die wir hier kurz aufzählen wollen.
1) Die von Sultan el-Kamel 1224 an
der Westseite der Strasze bein el-Kassren
errichtete Medresse, die fast ganz verschwunden
ist, ihre Trümmer bedecken heute nur
noch einen Teil der einstigen Baufläche,
während sich auf dem anderen moderne
Gebäude erheben. Einige Fragmente der
einstigen, reichen Dekorationen wurden in
das arabische Museum gerettet.
2) Unfern von hier, an der Ostseite
der Khurdagijestrasze, liegt eine achtzehn
Iahre jüngere Ruinengruppe, spärliche Reste
der von Sultan Salach Nigm ed-Din erbauten
Medressen, denen Schagaret ed-Durr
sieben Iahre später das Mausoleum Salach
Nigm ed-Din's zugefügt hatte.
Die Fassade des Grabmals, welche
von Rundstäben eingefaszte flache Kielbogennischen
schmücken, wird von einem mit dreieckigen
Zinnen bekrönten einfachen Konsolengesims
abgeschlossen und verrät in ihren
ornamentalen Formen eine merkliche Beeinflussung
durch die syrischen Bauten der
Kreuzfahrer. Den Zugang zu den Medressen
von der Khurdagijestrasze aus bildet
ein Portal, dessen quadratischer Unterbau
mit interessanten Stalaktitennischen ein Minarett
trägt, wohl das älteste Kairo's in
Mabcharaform. (Anm. Seite 28.)

46

3) Endlich das Mausoleum des Imam esch-Schafa'i, das wir bereits erwähnt
und auf das wir bei Betrachtung der Bauten der südlichen Nekropole zurückkommen
werden.
In der Ornamentik lassen sich an den Flachskulpturen auf Holz, den Verkleidungen
einiger Kenotaphe und einer Thür der Vorhalle des ebengenannten
Mausoleums aus dem Iahre 1211 grosze Fortschritte der Holzschneidekunst konstatieren.
Zugleich fällt das Zurücktreten der kufischen Schrift gegen die des Naskhi
auf. Im übrigen hat sich der Typus der Ornamentation gegen den der vorhergehenden
Zeit nicht wesentlich verändert.
Die schönsten Beispiele uns erhaltener Holzskulpturen sind der Kenotaph des
Mausoleums von Imam esch-Schafa'i und der sehr ähnliche eines Unbekannten,
welcher sich an der Auszenmauer dieses Baues befunden und von dort in das
Arabische Museum übertragen wurde.
Die Abb. auf Seite 45 stellt die Bekrönung in Holzskulptur des gemauerten, jetzt
seines Schmuckes beraubten Tabuts*) des Grabmals von Sadat el-Taalbe in der
südlichen Karafe aus dem Iahre 1216 dar, deren eine Hälfte sich im Arabischen
Museum zu Kairo, die andere im South Kensington-Museum zu London befindet.
Ebenso meisterhaft ausgeführt wie obige Holzskulpturen sind die auf Stein
skulptierten Ranken und Schriftenfriese, welche die Eingangsthür in der Umfassungsmauer
dieses Hosches umrahmen.
Während in den vorhergehenden Holzskulpturen der Fatimiden- und Eijubidenzeit
meist grosze, quadratische oder rechteckige Füllungen zwischen breiten, glatten
Friesen und Schriftbändern in Flachrelief zur Verwendung kamen, werden von nun

Eingangsthüre in der Umfassungsmaner des Hosch Sadat et-Taalbe.


an Enterlaksmuster in den Paneelwerken allgemeiner, die sich später in der Mamlukenzeit
derart verfeinern, dasz die Skulpturen ihrer Füllungen geradezu als Miniaturarbeiten
bezeichnet werden können. Ihre Flächen schmücken fortan Intarsien
aus farbigen Holzarten, Elfenbein, Schildpatt, Perlmutter, Zinn und anderem
*) Gemauerter Kenotaph.

Materiale, nicht selten sind sie in Marqueterieen oder massiven, skulptierten Elfenbeinplatten
ausgeführt, die von schmalen Streifen ans Ebenholz oder Elfenbeineinlagen
eingerahmt werden.
Die Thüren der Wohnhäuser und der Wandschränke (Abb. Seite 116) sind gewöhnlich
aus breiten Friesen und Feldern zusammengesetzt. In letzteren kommen häufig

Skulpturen auf Elfenbein aus dem 13. Iahrhundert.


auch kleine Füllungen vor, die zu Zickzackmustern oder anderen geometrischen Figuren
zusammengestemmt sind, oft auch zu reichen Enterlaksmustern, deren Polygone in einem
Netze von schmalen profilierten Stäben eingeleimt sind (Abb. Minbar Kait-Bai S. 96).
Aehnliche Muster finden sich an Decken und Wandverkleidungen — gewöhnlich
aber nicht als gestemmtes Paneelwerk, sondern als einfache Applikation auf glatten
Brettern.

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Die Bauten der Mamlukenperiode.

Wir sind nun an der Periode angelangt, in welcher die an früheren Bauten
schon öfters bemerkten Versuche, der Architektur und Ornamentik eigene Formen
zu geben, verständnisvoller und einigermaszen konsequenter durchgeführt werden
sollten, um endlich nach oftmaligen Schwankungen und Unterbrechungen gegen Ende
derselben zu dem Ziele: der Feststellung eines harmonisch gegliederten Baues mit
egyptisch-arabischer Fassade — zu gelangen. — Es ist der in der Geschichte als
Mamlukenperiode*) bezeichnete Abschnitt.
Er unterscheidet sich in politischer Beziehung von dem Vorhergehenden nur
dadurch, dasz an Stelle der Eijubiden- eine Prätorianerherrschaft getreten, die an
Gräueln und Ausbeutung der Hilfsquellen des reichen Landes und an barbarischer
Behandlung seiner Bewohner alles überbot, was jemals dagewesen.
Die neuen Sultane wurden fortan aus den Söldnern gewählt, die ursprünglich
auf den Märkten von Vorderasien gekauft,**) zum Militärdienste und Leibgarden des
Sultans und der Emire ausgebildet und schlieszlich zu Groszwürdenträgern des Reiches
ernannt worden waren.
Diese Geschichtsepoche zerfällt in zwei Abschnitte, in dem ersten waren es
Turkomanen, auch Bachriten genannt, in dem zweiten aber Tscherkessen oder Borgiten,***)
die den Thron Egyptens inne hatten. Beide kennzeichnet ein beständiger
Wechsel der meist durch Mord beseitigten Sultane.
*) Von 1250—1517.
**) Mamluk: der weisze Sklave, im Gegensatz zu abd: der schwarze Sklave.
***) Der Name “Bachriten” von ihrer Kasernierung in Roda, einer Insel des Niles (bachr), der der “Borgiten”, ursprünglich zum Festungsdienst bestimmt, von borg, Turm oder Festung.

Die erste Mamlukenzeit.

Während der ersten Mamlukenperiode folgten sich in hunderteinunddreiszig
Iahren nicht weniger als siebenundzwanzig Herrscher. Nur fünf unter ihnen
regierten länger als zehn Iahre, während die übrigen schon nach kurzer Zeit Thron
und Leben verloren.
Der bedeutendsten einer war der sechste, Beibars el-Bundukdari, ein Mann von
ungewöhnlichen Fähigkeiten, doch ohne Moral und rücksichtslos in Ausführung
seiner Pläne.
Als nach Ermordung Melek el-Musdaffer Kotus, des fünsten der Bachriten-Sultans,
die Verschworenen vor dem Attabek*) in seinem Standquartier in Salahije
erschienen waren, gestand Beibars unerschrocken, dem Sultan den ersten Todesstosz
versetzt zu haben. “Wohlan,” erwiderte ihm der Attabek, “regiere nun statt seiner.”
Durch diesen Ausspruch des angesehensten der Mamlukenführer, den niemand anfocht,
war Beibars Sultan geworden. Ohne Zögern ergriff er die Zügel der Regierung
und widmete sich mit groszer Hingabe seinen Herrscherpflichten, bekämpfte mit
Erfolg Kreuzfahrer und Tataren in Syrien und liesz sich durch die schweren Zeiten,
die wiederholt über das Land hereinbrachen, nicht entmutigen. Er war es auch,
der das Kalifat aus Bagdad nach Egypten verpflanzte, indem er den Sohn des
Abbassidenkalifen el-Daher bil-amr illah, der hilfesuchend zu ihm nach Kairo gekommen
war, im Iahre 1261 unter dem Namen El-Mustanser billah zum Kalifen
proklamierte.
Diese That, welche ihm die Herzen der Gläubigen gewann, war zunächst ein
Akt kluger Berechnung, denn Beibars trug sich mit groszartigen politischen Plänen.
Er träumte davon, die schon seit Iahrhunderten zerstörte Einheit des muslimischen
Reiches wieder aufzurichten und hoffte durch Wiederherstellung des Kalifats, welches
die Mongolen unter Hulagu in Bagdad vernichtet hatten, sein Ziel zu erreichen. Der
neue Kalife verlieh ihm in der That die Oberherrlichkeit über den Hedschas,**) die
Beibars, ohne die Rechte der Scherifs von Mekka wesentlich zu beeinträchtigen und
ohne sie zu Gouverneuren des heiligen Landes zu degradieren, ausübte. Sie standen
von nun an nur in einer feudalen Abhängigkeit vom egyptischen Sultanat.
Der Giftbecher, den er dem letzten Nachkommen der Eijubiden, Daud Naszir
ed-Din, seinem vermeintlichen Rivalen, reichen liesz, sollte auch ihm verhängnisvoll
werden; bei demselben Festgelage starb auch er an Gift und so erfüllte sich die
Weissagung der Astrologen, die aus der eben vorübergegangenen Mondfinsternis den
Untergang eines groszen Fürsten prophezeit hatten, in doppelter Weise.
Nach ihm bestieg Kala'un den Thron,***) der einzige Bachrite, dem es in einer
Zeit, wo die Wahl des Herrschers von den unberechenbaren Launen einer Horde
egoistischer Prätorianer abhing, gelungen war, eine Dynastie zu gründen.
Er erhielt in seinem Sohn Naszir einen würdigen Nachfolger, der während
seiner vierundvierzigjährigen Regierungszeit in schlauer Berechnung wiederholt freiwillig
*) Generalissimus der Armee.
**) Nördliche Westküste von Arabien, türkische Provinz.
***) Regierte von 1279–1290.

von seiner Machtstellung herabgestiegen war. Unter ihm sah das Land
relativ glückliche Tage, die auch für künstlerisches Schaffen von groszer Bedeutung
waren, die begonnene Ausbildung der egyptisch-arabischen Stiles machte sichtbare
Fortschritte während dieser Zeit.

Die Moschee Daher Beibars.

Das erste bedeutende Bauwerk der Bachriten ist eine von Beibars, wahrscheinlich
wegen Platzmangels im Inneren der alten Fatimidenstadt, auszerhalb der Stadtmauern
errichtete grosze Moschee, die als Ruine in einer nördlichen Vorstadt des
heutigen Kairos steht.
Noch vor wenigen Iahrzehnten war sie von Schutthügeln umgeben, die durch
Anhäufung von Kehricht, Scherben und Schutt aus der Stadt gebildet, Kairo

Die Moschee Daher Beibars.

bis Anfang des vorigen Iahrhunderts rings umlagerten. Sie hatten sich im Laufe
der Zeit zu wahren Bergen aufgetürmt, auf deren Höhen mit Vorliebe Windmühlen,
deren man heute noch einige auf den Schutthügeln südlich von Fustat begegnet,
errichtet wurden, waren dann an der Westseite der Stadt durch Ibrahim-Pascha, den
Adoptivsohn Mohammed-Alis, in Gärten, die seinen Namen führten, umgewandelt
worden, bis der Khedive Ismail an deren Stelle das Villenviertel Ismailie ins
Leben rief. Auch im Süden wichen sie allmählich Neubauten, welche die Privat-industrie
hier schuf, im Norden aber infolge der vom Khedive Ismail angeordneten
Nivellierung des ganzen Gebietes.
Hier steht inmitten eines zwei Meter hoch angeschütteten Platzes, zur Freilegung
ihrer Basis mit breiten Gräben umgeben, unsere, nur in ihren Umfassungs-mauern
erhaltene Ruine, die seit der französischen Expedition, der sie als Citadelle
diente, unter dem Namen Fort Sulkowsky bekannt ist. Heute ist in ihren Mauern
eine Verpflegungsstation der englischen Okkupationsarmee eingerichtet.
Nach einem Restaurationsplan des Kunsthistorikers Prisse d'Avennes aus dem

Anfang des vorigen Iahrhunderts bestand die quadratische Anlage*) aus einem
Hof mit sechsschiffigem Sanktuarium und drei je zweischiffigen Seitenliwanen. Die
Bögen der Arkaden um den Sachn und die der Kuppel vor der Kibla ruhten auf
mächtigen Pfeilern, in deren Ecken kleine antike Säulchen eingestellt waren, die der
Seitenliwane auf Marmorsäulen, während im Sanktuarium Pfeiler und Säulenarkaden
abwechselten.
Die einfachen, aus kleinen Werkstücken hergestellten, einst zinnenbekrönten
Fassaden zeichnen sich durch Vorbauten und durch Strebepfeiler aus, die wohl ähnlichen
Bauten der Kreuzfahrer in Syrien nachgebildet sind, wogegen die in ungewöhnlicher
Weise aus dem quadratischen Grundrisz vortretenden drei Portale der Moschee
auf Nachahmung asiatischer Vorbilder hinweisen. Ihre Dekoration ist von charakteristischer,
feiner Ausführung, die breiten Flächen der Portale sind mit flachen Nischen,
ähnlich denen des Mausoleums Salach Eijub, und mit Medaillons verschiedener
Formen ausgestattet.

Der Muristan Kala'un.

Es ist bekannt, wie sehr der Sinn für Werke der Barmherzigkeit und Wohlthätigkeit
bei den Muslims ausgebildet ist, ihre Religion macht letztere geradezu
zum Gesetz, daher auch die Zahl der Gebäude zur Aufnahme Armer und Unglücklicher
von jeher sehr grosz war. Die meisten sind aber verfallen oder ohne das
geringste Kunstinteresse. Eine Ausnahme hiervon macht, wenigstens in seinem
Zubau, der im Centrum der Stadt gegenüber dem Mausoleum Salach Eijub gelegene
Muristan Kala'un.
Durch den gänzlichen Verfall der Fatimidenpaläste waren in der Stadt neue
Bauplätze entstanden. Die groszen Ruinen derselben mit ihren Höfen und Gärten
boten hinlänglich Raum für den neuen Bau eines Asyls für Kranke und Hilfsbedürftige
beiderlei Geschlechts.
Arabische Schriftsteller berichten, diese für damalige Verhältnisse groszartige
Stiftung wäre dem Sühnebedürfnisse Kala'uns und dem Gefühle aufrichtiger Reue
über eine an den Bewohnern Kairos wegen Ungehorsam verübte barbarische That
entsprungen. Im Zorn hatte der Sultan damals die grausame Bande seiner
Mamluken auf die unglückliche Bevölkerung gehetzt, die während dreier Tage mordend
und plündernd die Quartiere der Stadt mit Entsetzen und Grausen erfüllten.
Der Muristan liegt in einem alten Stadtviertel mit malerischen Gebäuden.
Seine Ostfassade, entstellt durch einen rohen, roten, schachbrettartigen Anstrich, ist in
ziemlich gutem Zustand und enthält in einer flachen, mit Spitzbogen geschlossenen
Nische das Hauptportal. Dasselbe öffnet sich in einen hohen Korridor mit reich
skulptierter Decke, der links zur kleinen Moschee dieser Anlage, rechts zum Mausoleum
des Sultans führt.
Der hintere Teil des groszen Baues, dessen Grundrisz Medressenform zeigt,
liegt fast ganz in Trümmern. In seinem groszen, mit Portiken umstellten Sachn befindet
sich eine Masallach,**) in der gegenwärtig eine Klinik für Augenkranke eingerichtet
*) Die Seitenlängen betragen etwa 108 Meter.
**) Ein kleiner öffentlicher Gebetraum.

ist. Im Sahn hielten einst berühmte Doktoren Vorträge und empfingen
ihre Patienten. Um denselben lagen die Krankensäle, die heute, wenn nicht ganz
zu Ruinen zerfallen, als Magazine vermietet sind. Rechts wird noch ein kleiner Hof
mit Zellen gezeigt, in denen Geisteskranke ihr trauriges Dasein fristeten — Kesselflicker
treiben heute in diesem schmutzigen Winkel ihr lärmendes Handwerk.

Quartier Nahasin, im Hintergrunde das Minarett des Muristan Kala'un, links der Palast Beschtak.

Diese trübseligen Stätten des Verfalles waren das eigentliche, vom Sultan
Kala'un im Iahre 1284 zuerst errichtete Asyl; das Mausoleum, welches er erst
später zugefügt zu haben scheint, wurde von seinem Sohne und Nachfolger Mohammed
Naszir vollendet. Dasselbe steht noch heute bei dem Volke in hohem Ansehen
und an gewissen Wochentagen drängen sich Frauen mit ihren kranken Kindern
zu den Porphyr-Säulen der Kibla, denen Wunderkraft zugeschrieben wird, um
Heilung ihrer Leiden zu finden.
Einer glücklichen Fügung des Geschickes verdanken wir die relativ gute Erhaltung
dieses Baues, der nicht nur der reichste Teil der ganzen Anlage, sondern
auch der kunstgeschichtlich wichtigste ist, da gewisse fremde Einflüsse auf die Gestaltung
der arabischen Architektur jener Zeit nirgends so deutlich wie gerade hier
hervortreten.

Ostfassade des Muristan Kala'un.

Die Kuppel über dem von Holzgittern umgebenen Kenotaph ist zwar eingestürzt
und durch eine horizontale Holzdecke ersetzt, doch blieb wenigstens die
Kuppeltrommel mit den Stalaktitenpendentifs erhalten. Der achteckige Kuppelbau,
der die Mitte des geräumigen quadratischen Mausoleums*) einnimmt, ruht auf
vier massiven Pfeilern und ebenso vielen antiken Granitsäulen.
*) Von beiläufig 22 Meter Seitenlänge.
Eine durch reich dekorierte Gurten in Felder geteilte Holzdecke, von einem
Stalaktitengesims umrahmt, überspannt den übrigen Teil des Grabmals, ihre sichtbaren
Balken sind geschmackvoll ornamentiert. Diese, dem arabischen Stil eigentümliche,
reiche Holzdecke, nebst einer Kibla, die an Schönheit und Reichtum der
Ausführung kaum ihresgleichen findet, und den prächtigen, an ihren unteren Teilen

Kibla des Muristan Kala'un.


leider fast ganz zerstörten Wanddekorationen in Marmormosaiken, gestalten das
Mausoleum zu einer der interessantesten Schöpfungen der ganzen Epoche.
Für die Mosaiken der Wandflächen und der Kibla kamen weisze und bunte
Marmorsorten zur Verwendung und, vornehmlich in den feinen Enterlaksmustern,
auch das höchst dankbare Perlmutter, das bei allen Arbeiten dieser Art seines fast
unvergänglichen Silberglanzes wegen hochgeschätzt wurde. In anderen Kultbauten
treffen wir bei ähnlichen Ausschmückungen auch Glasflüsse und Fayencen, namentlich
in hellblau, als Ersatz für fehlende Marmorsorten dieser Farbe.
Die Auszenfassade dieses Mausoleums steht in ihrer massigen, von leichten
Marmorsäulen des Unterbaues getragener Pfeilerbildung, deren unterer Teil an die
der Moschee Beibars erinnert, hier aber mit Kielbogen geschlossen ist, einzig da.
Sie bilden gewissermaszen Nischen, die sich an die Eijubidenzeit anlehnen, und in
welche die Fensteröffnungen eingeschnitten sind, weisen jedoch in ihrer Gesamtform
und in dem Schema der Lichtöffnungen, sowie in der Profilierung einzelner Geläufe
auf Bauten der Kreuzfahrer in Syrien hin. Wenn die Form dieser Fassade in der
nächsten Folgezeit auch gründliche Umgestaltungen erfahren sollte, so blieb sie doch
nicht ohne entschiedenen Einflusz auf die Bildung einer egyptisch-arabischen Fassade.

Ostfassade der Medresse Mohammed Naszir.


Dagegen nähert sich der Charakter der schönen Gipsornamente und Holzskulpturen
im Inneren des Mausoleums dem der späteren Mamlukenperiode, gleichwie der
für dieselbe so charakteristisch gewordene breite, auf Stein gemeiszelte Rundschriftfries,
der sich hier, den Profilierungen der Fassade folgend, oberhalb des Unterbaues
hinzieht.
Sehr eigenartig ist das die Fassade in zwei quadratischen Geschossen überragende
Minarett, dessen Galerieen von stalaktitenartig zugeschnittenen Gesimsen
getragen werden. Es fällt auszerdem durch den in Egypten so selten vorkommenden
Hufeisenbogen an den Lichtöffnungen auf und ist kunsthistorisch bemerkenswert als
das erste aus Haustein in Kairo errichtete.

Die Medresse Mohammed Naszir.

An das Mausoleum Kala'uns schlieszt sich nördlich die von Melek el-Adil
Zenab Ad-Din Ketbogha begonnene*) und 1303 von dem Sohne Kala'un's,
Mohammed Naszir, vollendete Medresse an. Eigentümlicherweise ziert ein christliches
Kirchenportal aus Marmor, dessen oberer Teil in arabischen Formen ergänzt
ist, den Eingang des mohammedanischen Baues. Ein Bruder des Stifters hatte
dasselbe nach der Zerstörung von Akka**) aus Syrien mitgebracht.

Christliches Portal der Medresse Mohammed Naszir.

An der Ostfassade liegen auch hier wie bei dem Muristan zu beiden Seiten
des Eingangs das Mausoleum des Erbauers und das Sanktuarium, beide ein Bild
trostlosen Verfalles. Die Kuppel über dem Grabmal ist längst eingestürzt und wir
erwarteten nicht, in dem vernachlässigten Sanktuarium noch wohlerhaltene, charakteristische
Gipsskulpturen zu finden, die an die zarten Ornamente der Alhambra erinnern.
*) Zwischen 1284 und 1296.
**) 1291.
Von der ausgedehnten Anlage stehen im Hintergrunde noch bedeutende
Mauerreste mit Fragmenten ihrer einstigen schönen Gipsskulpturen, zwischen denen
Magazine, Werkstätten und ärmliche Wohnungen eingebaut sind.
Weit Interessanteres als das verfallene Innere bietet die schmale Fassade
zur Linken des christlichen Portales, an der die mit horizontalen Stalaktitenreihen
geschlossene Flachnische zum ersten Male auftritt, die wir später in ähnlicher Weise

Gipsskulpturen des Kibla der Medresse Mohammed Naszir.


an der durch Lisenen in Felder geteilten neuen egyptisch-arabischen Fassade überall
wiederfinden werden. Unter den Fenstern zieht sich ein breiter Fries in Mamlukenrundschrift
hin, während über der Terrasse die achteckige alte Trommel der eingestürzten
Kuppel sichtbar wird. Neben ihr erhebt sich das Minarett, dessen reiche
Gipsornamentierung fast alle Typen der arabischen Kunst vertritt. Besonders reich
entwickelt sind die Stalaktiten an den Gesimsen, welche die Galerieen tragen. Die
wenig gegliederten Mauerflächen seiner viereckigen unteren Etage werden durch
breite Schriftfriese, Ranken, vielgestaltete Medaillons und zierliche Flachnischen belebt.

Minarett der Medresse Mohammed Naszir.

Leichter und eleganter wirkt
seine achteckige zweite Etage mit
ihren mehrlappig geschlossenen
Nischen. Das unschöne oberste
Geschosz ist modern.

Medresse Sangar el-Gauli.

Im Gegensatz zu den Medressen,
die wir seither betrachtet,
in denen das Grab des Stifters
nur einen kleinen Teil des Grundrisses
einnimmt, treffen wir in der
Medresse Sangar el-Gauli's einen
verschwindend kleinen Gebetsaal
gegen die beiden mächtigen Kuppelräume,
die mit dem Minarette die
ganze Hauptfassade des Baues
bilden und an welche sich im
Süden noch ein kleineres Grabmal
eines Unbekannten anlehnt.
Das sowohl in seinen äuszeren
Formen wie in seiner inneren
Ausstattung edel und einfach gehaltene
Monument finden wir
fern von dem Centrum der alten
Fatimidenstadt in dem uns bereits
bekannten Quartiere Kalat
el-Kebsch, nahe der Tulun-Moschee,
wo es sich auf erhöhtem Felsengrund,
weithin sichtbar, erhebt.
Unter der groszen östlichen
Kuppel ruht Sangar ibn-Abdallah,
Mamluk Gauli's, eines Emirs
von Beibars, unter der zweiten
sein unglücklicher Freund Emir
Sef ed-Din Silar, ein Mamluk
Salach ibn-Kala'uns, der, in politische Streitigkeiten verwickelt, von Mohammed
Naszir zum Hungertode verurteilt und 1310 hier beigesetzt wurde.
Sangar, ein Emir höchsten Ranges und zugleich Gelehrter, starb 1344 bald
nach seiner Rückkehr aus Syrien, wo er längere Zeit die Stelle eines Gouverneurs
bekleidete. Unter ihm wurde die Stadt Ghazza wieder aufgebaut, und auch an
anderen Orten sind dort bedeutende Monumente erhalten, die seine rege Bauthätigkeit
geschaffen. Von den beiden Wohnhäusern, die er in Kairo errichtet, sind nur
noch einige kostbare Reste übrig geblieben.
Aus den Inschriften oberhalb des Einganges zum Mausoleum Silars ersehen
wir, dasz der Bau 1303 entstanden, also gleichzeitig mit der Medresse Naszir's und
etwa fünfzehn Iahre später wie der Muristan Kala'un. So kurz dieser Zeitraum
auch gewesen, so war er doch hinreichend, die bisherige Fassade der Kultgebäude
umzugestalten, denn wir stehen hier schon vor der fertigen arabischen, der nur noch

Medresse Sangar el-Gauli.

die tiefe rechteckige Portalnische
fehlt. Die kräftigen,
vorliegenden, mit Spitzbogen
geschlossenen Pfeiler des Muristan
sind verschwunden und
durch Lisenen ersetzt. Die
Form der zwischen ihnen liegenden
Flachnischen wurde
bei der Medresse Naszir's besprochen.
Das Minarett liegt zwischen
den Mausoleen und dem
Gebetsaal und erinnert in seinen
beiden viereckigen, hohen,
durch ein Gesims getrennten
unteren Etagen aus Quadersteinen
an das von Kala'un.
Seine beiden achteckigen oberen
Geschosse in Ziegeln
werden von einer kleinen
Kuppel gekrönt, ähnlich denen
der Minarette el-Hakem's.
Das Mönchwesen hatte
bald nach Einführung des
Christentums in Egypten
Eingang gefunden und ist
auch heute noch nicht ganz
verschwunden. So stoszen wir
nicht selten sowohl in dem
Kulturland Egyptens, als in
der nahen Lybischen und Arabischen Wüste auf bewohnte koptische Klöster, von
hohen Mauern umfriedete Gebäude mit unschönen, glatt verputzten Kuppeln und
in Oberegypten auf einige Ruinen von bedeutender Ausdehnung mit Resten alter
Dekorationen und Malereien.
Gleich den Christen gründeten auch die Mohammedaner religiöse Orden,
deren Mitglieder, Derwische, Tekkijen oder Khankas bewohnen. Es sollen bei
dreiszig Orden bestehen, von denen nicht wenige auch in Kairo vertreten sind und
hier Klöster besitzen. Diese, die für uns von besonderem Interesse wären, sind verlassen

und verfallen. Sie werden von den Chronisten als Khankas der Sufi ohne
weitere Erklärung bezeichnet, d. h. einfach als Klöster der Bekenner des Sufismus,
dessen mystische Lehren sich in dem Anfange der mohammedanischen Herrschaft in
Persien verlieren. Einige dieser Ruinen sind von kunsthistorischer Bedeutung und
verdienen eingehendere Betrachtung.

Hauptstrasze des Quartiers Gamalije, im Hintergrunde das Minarett der Khanka Beibars.

Die Khanka Beibars.

Die erste derselben, in manchen Bauteilen noch ziemlich erhalten, deren
Gebetsaal heute noch benützt wird, liegt in der alten Fatimidenstadt, dem jetzigen
Gamalije-Quartier, sie wurde von dem Emir und späteren Sultan Beibars el-Dschaschenkir
zwischen 1306 und 1309 erbaut.
Als Freigelassener Sultan Kala'uns hatte Beibars den Namen Manszur angenommen,
war nach Verzichtleistung des Sultans Mohammed Naszir 1308 zu dessen
Nachfolger gewählt worden, verlor aber im Kampfe mit seinem Vorgänger, den die
Wahl des einstigen Sklaven seines Vaters empörte, schon 1310 Thron und Leben.
Das Gebäude, welches die Ecke einer kleinen gegen Südosten führenden Strasze
bildet, steht auf einem langgestreckten unregelmäszigen Terrain. Die Fassade ist aus
Quadersteinen, während für den Rest des Baues fast ausschlieszlich verputzte Ziegel
verwendet sind.

Hauptportal der Khanka Beibars.

Seine Grundriszform ist die der Medresse, in der die Liwane, sowie die verlassenen
Zellen der Derwische, mit geschmackvoll ornamentierten Fenstereinrahmungen
um den Sachn liegen.
Wir treffen an dem Monumente eine neue Form des Hauptportales. Eine tiefe
rechteckige Nische mit gerader Holzdecke liegt einer schmäleren, gleichfalls rechteckigen
vor, in der eine mit Bronzeverzierungen reich beschlagene Thüre den Zugang zum
Inneren bildet. Die kleinere rechteckige Nische schlieszt eine sphärische Halbkuppel,
zu der Stalaktitenpendentife den Uebergang vermitteln. An den Pfeilern sind

Säulchen eingestellt und ihre Flächen schmücken einfache Nischen. Diese Dekorationsweise
des Portales erreicht in der Mamlukenperiode die höchste Ausbildung.
In dem groszen Schriftfries — Tiras —, der sich über die ganze Fassade
hinzieht, vermissen wir den Namen des Stifters. Die Geschichte erklärt diese

Das Mausoleum des Sultans Beibars.


Anomalie mit dem Hasse Naszir's, der auch mit dem Tode seines Rivalen nicht erloschen
war und der in seiner Unversöhnlichkeit soweit ging, dasz er den Namen
Beibars ausmeiszeln liesz.
Ziemlich gut erhalten ist das schöne, in Eijubidenweise überkuppelte Grabmal
des Erbauers, dessen Inneres einige Aehnlichkeit mit dem Kala'uns aufweist. Der
quadratische Raum,*) dessen Wände bis zu einer Höhe von drei Metern mit
*) Etwa 10 Meter Seitenlänge.

bunten Marmormosaiken und einem Schriftfriese ausgestattet sind, und der den
mit Holzgittern umfriedeten bescheidenen Kenotaph birgt, wird durch Kamarijen*)
von feiner Ausführung in Enterlaksmustern magisch beleuchtet.
An dem Minarette, das unser Straszenbild malerisch abschlieszt, ist uns die
cylindrische Form der beiden Obergeschosse neu, während wir einen ähnlichen Aufsatz
der obersten Etage schon bei der Medresse el-Gauli antrafen.

Unterbau der eingestürzten Kuppel der Moschee Sultan Naszir auf der Citadelle.

Moschee Sultan Naszir auf der Citadelle.

Dem fühlbaren Mangel einer würdigen Moschee in der Nähe der Paläste,
welche Saladin auf der Citadelle errichtet hatte, half Sultan Naszir durch die Erbauung
eines Gebethauses ab, dessen teilweise gute Erhaltung bis in die Gegenwart
wir nebst seiner Gründung auf Felsenterrain hauptsächlich der, in der Familie
Kala'uns traditionell gewordenen monumentalen Bauweise verdanken. Unverkennbar
*) Kamarijen, Fensterverschlüsse aus 3 bis 4 Centimeter starken Gipsplatten, in die Ornamente, geometrische Figuren, Blumenvasen, Cypressen, Schriftfriese, Fassaden von Häusern u. s. w. ausgeschnitten und deren durchbrochene Stellen an der Rückseite mit buntem Glase geschlossen sind. Sie kommen, in den oberen Reihen der Lichtöffnungen des Gebetsaales, in Mausoleen und in Prunkräumen der Privathäuser vor. (S. Abb. auf Seite 143.)

ist der Einflusz der Kriegsbauten auf seine äuszere Architektur. Sein Grundrisz zeigt
wieder die Form der alten Hofanlage. Im Inneren sind wie früher als Freistützen
antike Säulen verwandt, darunter einige von besonderer Schönheit aus byzantinischer
Zeit. Der Kuppelbau unmittelbar vor der Kibla, von dem nur noch die
Trommel mit den Stalaktitenpendentifen erhalten, wird von zehn riesigen Granitsäulen
getragen. Die Arkaden der Liwane, grösztenteils im Zustande des vorgeschrittenen
Verfalles, sind ihres einstigen Schmuckes gänzlich beraubt, was durch die
langjährige Benützung der Moschee als Militärgefängnis und Magazine der Kriegsverwaltung
hinlänglich erklärt wird. Nur die in ihrer Höhenlage vor Beschädigung

Nordwestliche Fassade der Moschee Sultan Naszir auf der Citadelle.


durch Menschenhand geschützten Decken sind uns als kostbare Beispiele der damaligen
Dekorationsweise erhalten geblieben. Vor allem sind ihre aus Palmenfasernkartonage
hergestellten achteckigen Kassetten bemerkenswert, welche auf hellblauem Grund gemalte
Ornamente in Grün, Rotbraun und Gold schmücken. Als Uebergang zu
den Plafonds krönt eine grosze, durch Stalaktitenmotive in gefälliger Weise geteilte
Hohlkehle die im übrigen nackten Wandflächen.
An der ungegliederten Fassade, die an die Bastionen der Festung erinnert,
treten nur die beiden Portale in ungewöhnlicher Weise hervor. Sie wird in ihrem
oberen Teil durch mittelgrosze, völlig schmucklose Fenster durchbrochen und war einst
mit halbrunden Zinnen bekrönt, von denen noch eine Reihe erhalten ist.
Das Nordwestportal, in einer tiefen, der Fassade vorliegenden Nische, bringt

neue arabische Formen, während das nordöstliche, in einer zinnen bekrönten, wenig
vorspringenden Vorlage, bei teilweise romanischer Profilierung des Geläufes mit
dreilappigen Bogen geschlossen, fremdartig wirkt.
Auch die mäszig hohen Minarette fallen durch die ungewöhnlichen Formen
ihrer oberen Etagen auf, deren Baldachine mit Kuppeln in Zwiebelform und
Dekorationen in grünen, blauen und weiszen Fayencen wir an nordindischen Bauten
kennen lernten. Zweifellos waren fremde Künstler bei dem Baue thätig. Die Geschichte
belehrt uns auch, dasz Kala'un mit dem tatarischen Sultan Esbek-Khan
verschwägert war, dasz ein reger Verkehr zwischen beiden Höfen bestand und Tataren
wiederholt zu einfluszreichen Stellen in Egypten gelangten. Auch Makrisi erzählt,
dasz schon unter Beibars ein tatarischer Baumeister aus Turis die Moschee Emir
Nesfig-Kossun erbaut hätte.

Moschee el-Mardani.

Nach Verlegung der Residenz der Sultane auf die Citadelle waren an der
dadurch zur Bedeutung gelangten Strasze, die in groszem Bogen von Bab Suele

Sachn der Moschee Mardani (vor der Restauration).


nach der Festung führt, bedeutende Monumente entstanden. Eines der gröszten ist
die im Iahre 1308 von Altun Bogha el-Mardani, einem Mundschenke-Sultan

Naszir's, erbaute Hofanlage*) mit Fassaden in Hausteinen und innerem Ausbau in
Ziegelmauerwerk. Ihre Ausführungsweise ist viel eleganter, aber weniger monumental
als die der vorhergehenden. Nachdem sie im Inneren, wie die Abbildung
zeigt, ganz verfallen war, wurde sie vor wenigen Iahren restauriert.
Durch die gleichmäszige Verteilung der Dekorationen an Wänden und Decken
macht das Innere einen vornehmen Eindruck. Erstere schmücken ovale, in arabische

Linien auslaufende Medaillons in Gipsrelief. Das Licht ergieszt sich durch eine
doppelte Fensterreihe in die Liwane — die unteren Oeffnungen sind mit Bronzegittern
und Läden geschlossen, während in den oberen Kamarijen in selten schön
geschweiften Formen eingesetzt sind, die nach auszen hin durch Gipsgitter vor Beschädigung
geschützt werden.
Die Holzdecken und Schambranen sind teils in Flachrelief, teils in Kerbschnitt
dekoriert. Ueberreich ist die Ausstattung der Kibla und der Wände zu ihren
*) Sie bildet eine unregelmäszige Baufläche von 43 Meter Länge und etwas geringerer Breite.

beiden Seiten in kostbaren Mosaiken, die denen in der Masalla Taibarszije der
el-Ashar vergleichbar sind. Wie in der Moschee Naszir's auf der Citadelle steht auch
hier vor der Kibla ein Kuppelbau auf Granitsäulen mit interessanten altegyptischen
Kapitellen, dessen eingestürzte Kuppel, von der nur die Trommel übriggeblieben war,
bei der letzten Restauration in Cement wiederhergestellt wurde.
Die Hoffassaden sind an ihren oberen Teilen mit Medaillons und Nischen
in Gipstechnik ausgestattet und von dreieckigen Zinnen bekrönt, von denen einzelne
fialenartig ausgebildet sind.
Drei Portale — wie bei der benachbarten Moschee Salech Talaijeh — vermitteln
den Eingang in die drei Seitenliwane.
Leicht und graziös baut sich das, in seinem oberen Teil restaurierte Minarett
in drei achteckigen Etagen auf, deren oberste in Baldachinform von einer langgestreckten
Zwiebelkuppel bekrönt wird. Die Brüstungen der Galerieen sind nun aus
durchbrochenen Steinplatten gebildet.
Es ist interessant, dasz das alte Gitter — Maksura — aus gedrehten, zum
Teil skulptierten Holzstäben, zwischen Hauptliwan und Sachn an seinem ursprünglichen
Standort erhalten geblieben, als Beispiel eines Abschlusses des Sanktuariums,
der wahrscheinlich in keiner der alten Moscheen fehlte.

Die Moschee Mechmendar.

Nur einige Schritte nördlich liegt in derselben Strasze ein weniger bedeutendes
Monument, das sieben Iahre später von Mechmendar, einem Heerführer Sultan
Naszir's, erbaut wurde und das wir nur seines schönen und eigentümlichen Stalaktitenportales
wegen erwähnen. Erhalten ist nur die Fassade, an der sich ein charakteristischer
Tiras (s. S. 61) hinzieht, während das Innere vor einigen Iahrzehnten
fast ganz erneuert wurde.

Die Moschee Aksunkor el-Naszir.

Südlich, am Fusze der Citadelle, aber noch in derselben Strasze, die hier
Schara Bab el-Wesir heiszt, stoszen wir auf ein anderes Monument, gleichfalls eine
Hofanlage, in der aber achteckige Pfeiler die Säulen, und Kreuzgewölbe die geraden
Holzdecken ersetzen. Es giebt in Kairo etwa nur ein halbes Dutzend Moscheen mit
Pfeilern als Freistützen. Sie wurde von Aksunkor el-Naszir 1347 erbaut und ungefähr
300 Iahre später von Ibrahim Agha Mustachfasan restauriert, unter dessen
Namen sie heute bekannt ist, der aber die eingestürzten Teile nicht in der ursprünglichen
Weise wiederherstellen liesz, sondern den alten Arkadenbau durch einen neuen
auf Marmorsäulen mit horizontaler Holzdecke ersetzte.
Sehr bemerkenswert ist die mit prächtigen Marqueteriearbeiten und feinen
Flachreliefs ausgestattete Kibla, sowie der ganz in skulptiertem Marmor ausgeführte
Minbar, ein Material, das nur äuszerst selten zur Herstellung solcher Ausstattungsstücke
verwandt wurde.
Die schönen Fayencen, welche die Kiblawand schmücken, ebenso wie die im
Mausoleum Ibrahim Aghas, entstammen der späteren Restauration.

Die Moschee Sultan Hassan.

Der Straszenzug, in dem die zuletzt besprochenen Kultgebäude stehen, war eine
Hauptarterie der Kalifenstadt und blieb es, bis in den 60er Iahren des verflossenen
Iahrhunderts der Khedive Ismail in Nachahmung der Hausmannisierung von
Paris unter Napoleon III. seine groszen Pläne zur Sanierung der zu dicht bebauten,
ungesunden Stadtteile ausführte und die breite Strasze Mohammed Ali anlegte.
Ganze Quartiere erhielten dadurch Luft und Licht und wurden, bisher nur
Fuszgängern und Reittieren zugänglich, auch dem Wagenverkehr eröffnet.

Kibla und Minbar der Moschee Aksunkor el-Naszir.

Diese beinahe zwei Kilometer lange, durch das alte Häusermeer gebrochene
Strasze führt direkt auf die Moschee Sultan Hassan und ist heute die kürzeste Verbindung
des Frankenviertels und des nördlichen Stadtteiles mit der Citadelle.
Leider fielen dem Durchbruche eine grosze Anzahl alter, arabischer Wohnhäuser
zum Opfer, deren Kunstreste nicht gesammelt wurden, sondern Leuten in die
Hände gerieten, die damit einen Handel nach Europa inaugurierten, der sich später
auf arabische Antiquitäten im allgemeinen ausdehnte und heute noch fortblüht.
Die Neubauten, die bei dem Ausbau der Strasze entstanden, entschädigen
keineswegs für den Verlust der alten interessanten Häuser, es sind stillose Schöpfungen
die sowohl in Ausführungsweise wie in architektonischer Form die Zeichen des
Kunstverfalles an sich tragen.
Das Boulevard Mohammed Ali mündet auf den groszen Rumele-Platz am
Fusze der Citadelle, an dessen Nordostseite sich auf abschüssigem Felsengrunde die
Moschee Sultan Hassan erhebt. Sie erinnert in ihrem massiven Aeuszeren einigermaszen
an einen befestigten Bau und hatte auch, wie der Geschichtsschreiber Ibn
Ijas 1521 erzählt, thatsächlich wiederholt revoltierenden Truppen als Bollwerk gedient,
bis Melek Daher Barkuk, um möglichen Wiederholungen in Zukunft vorzubeugen,
das Hauptthor vermauern und die Treppen zu der Terasse und den
Minaretten abbrechen liesz.

Südfassade der Moschee Sultan Hassan.

El Melek el-Naszir Abu'l Ma'ali el-Hassan, der die Moschee zwischen 1356
und 1359 erbaut hatte, war erst 13 Iahre alt, als er 1346 den Thron bestieg.
Im Laufe seiner kurzen, ruhmlosen Regierung wurde er einmal für einige Zeit
entthront und verschwand 1361 während eines Aufstandes aus dem Hause Scharaf
ed-Din Mussa, eines seiner Hofbeamten, in das er sich geflüchtet hatte. Die Berichte
über seinen Tod und die Art und Weise seiner Bestattung stimmen nicht überein.
Die ausgedehnte Anlage weicht in Verteilung der Räumlichkeiten insofern
von den Medressen ab, als auszer dem groszen mittleren Raum in Kreuzesform,
der gewöhnlich Lehr- und Betsaal zugleich ist, hier aber ausschlieszlich letzterem
Zwecke diente, noch vier Lehrsäle in ihren Ecken eingebaut sind, wovon der gröszte
den Melekiten reserviert blieb.
Auch das Mausoleum ist nicht, wie sonst bei Medressen üblich, seitlich an
das Sanktuarium angebaut, sondern an dessen Rückwand, tritt also ganz aus ihrer
Baufläche heraus.
Die hohen äuszeren Fassaden in einer der Medresse Sultan Naszir auf der
Citadelle ähnlichen Quadertechnik sind in Felder geteilt, von denen die an der
Südostseite mit musivischen Marmoreinlagen

Grundrisz der Moschee Sultan Hassan.


geschmückt sind. Ein weit
ausladendes Stalaktitengesims zieht
sich oberhalb derselben über drei
Fassaden hin, an denen die den egyptisch-arabischen
Bauten eigentümlichen
Kontraste: nackte und schmucklose
Flächen neben formal und ornamental
reich ausgebildeten Bauteilen,
hervortreten. So finden wir an der
sonst kahlen Ostsassade das reich in
Ornamentenschmuck prangende, aber
nie ganz vollendete Stalaktiten-Hauptportal,
vielleicht die bedeutendste derartige
Schöpfung der arabischen Kunst.
Hinter demselben und gewiszermaszen
zu ihm gehörend befindet sich das
durch Oberlicht erhellte Vestibül, ein
Stalaktitendom mit reich skulptierten
Wänden.
  • 1. Portal.
  • 2. Vestibül.
  • 3. Korridor.
  • 4. Sachn der Moschee.
  • 5. Medah.
  • 6. Hanafije.
  • 7. Liwane.
  • 7. Sanktuarium.
  • 8. Dikke.
  • 9. Kibla.
  • 10. Minbar.
  • 11. Kabinette (Chilue) des
    Imam.
  • 12. Mausoleum.
  • 13. Die beiden Minarette.
  • 14. Die Lehrsäle der vier Riten
    des Islams.
  • 14. Der der Melekiten.
  • 15. Der Reinigungshof.
Die Formen des Portales sind
wohl nicht in Egypten erfunden.
Die gleich in den Stein gemeiszelten
Blatt- und Blütenfriese, sowie die
Detailausstattung der Portalpfeiler
zeigen auszer byzantinischen auch
naturalistische Typen. Speziell byzantinisch
sind die musivischen Beläge
an den Fassaden des Mausoleums.
Ueberraschend ist die Aehnlichkeit
dieses Portales mit denen, die wir
an einigen mehr als ein Iahrhundert
älteren seldschukkischen Monumenten
in Konia in Kleinasien
finden, die, wie bei einzelnen historisch nachgewiesen, unter Leitung syrischer Baumeister
entstanden sind, so z. B. an dem Sultan Khan, an den Moscheen Ala ed-Din
und der Energhe, alle aus der ersten Hälfte des 13. Iahrhunderts. Einige
derselben waren von Minaretten flankiert, von denen eines an der Moschee Energhe
noch zum gröszten Teil erhalten ist.

Hauptportal der Moschee Sultan Hassan.

Auch für Sultan Hassan waren ursprünglich vier Minarette geplant, drei davon
wurden ausgeführt, heute ist aber nur mehr eines von ihnen erhalten. Nach geschichtlichen
Ueberlieferungen wäre das auf dem rechten Portalpfeiler erbaute 33 Tage vcr

Sachn der Moschee Sultan Hassan.


dem Tode des Sultans eingestürzt und hätte bei seinem Fall 300 Kinder der benachbarten
Waisenschule erschlagen. Dieses Unglück wäre von so schlimmer Vorbedeutung
gewesen, dasz niemand an die Wiederherstellung desselben, geschweige an
den Aufbau eines zweiten, gegenüberliegenden gedacht hätte. Auch von den beiden

Minaretten der Südfassade stürzte eines zusammen, wurde aber später durch ein
kleines unscheinbares ersetzt.
Die alte Mausoleumskuppel, die 1616 eingefallen war und von dem türkischen
Gouverneur Ibrahim-Pascha in ottomanischer Form wieder hergestellt wurde,
mochte nach einer kurzen Beschreibung des Italieners Pietro della Valle, der sie
1616 noch gesehen, Aehnlichkeit mit der der Medresse Sorghutmasch gehabt haben.
(Abb. Seite 81.)
Wenn in der Behauptung der Chronisten, dasz die Hassan-Moschee der schönste
von Menschenhand geschaffene Bau sei, auch eine echt orientalische Uebertreibung

Sanktuarium der Moschee Sultan Hassan.


liegt, so ist jedenfalls nicht zu leugnen, dasz sie zu allen Zeiten und bei allen, die sie
sahen, den Eindruck einer imposanten Schöpfung hinterlassen.
Schreiten wir durch das Hauptportal und das reich dekorierte Vestibül, so
gelangen wir in einen gewölbten, gebrochenen Gang mit schmucklosen Wandflächen,
der in den Sachn el-Gama führt. Hier öffnet sich der Blick auf das in seinen
groszartigen Raumverhältnissen nicht weniger imposante Innere. Von den schlichten,
noch mit den alten Zinnen bekrönten Hoffassaden heben sich nur die vier symmetrisch
angelegten Portale in buntem Marmorschmuck vorteilhaft ab. Dabei
können wir aber das Gefühl des Bedauerns über den traurigen Zustand des aus
kostbarem Steinmaterial hergestellten Hofpflasters nicht unterdrücken. Ebenso verkommen
ist der alte Springbrunnen mit verfallener Kuppel inmitten des Hofes,
der während der Zeit, als der neuerdings wieder freigelegte Reinigungshof verschüttet

war, den religiösen Abwaschungen diente und dem während der Türkenherrschaft
noch ein geschlossener Brunnen — Hanafije — zugefügt wurde.
An den vier Seiten öffnen sich die in mächtigen Spitzbogen gewölbten Liwane.
Die Dekoration der Kibla und des Sanktuariums, dessen Gewölbeflächen ebenso
einfach wie die Fassaden des Hofes gehalten sind, zeigt Kunstformen, die unsere
ganze Bewunderung erwecken. Die Kapitelle der Kiblasäulen, zwar byzantinischen
Originalen nachgebildet, verraten in ihrem ungeteilten Blattwerk doch selbständiges
Schaffen. Unmittelbar oberhalb

Hängelampe in emailliertem Glas aus der Moschee Sultan Hassan.


der Gebetnische finden
wir den berühmten, in der
Kunstgeschichte wohlbekannten,
in Gips geschnittenen
Fries, dessen einfache kufische
Lapidarlettern auf Arabeskengrund
hervortreten.
Das nebenstehende Mausoleum
ist in ähnlicher Weise
ausgestattet, nur der schöne
Gipsfries durch einen solchen
aus Holz mit Riesenlettern
in Rundschrift ersetzt. Von
der eingestürzten Kuppel sind
die Pendentifverkleidungen in
Stalaktitenzellen aus Holz erhalten.
Vergebens frägt der
Besucher der Moschee nach
dem Namen des Baumeisters.
Der Volksmund bezeichnet
zwar einen Griechen als solchen,
doch die Geschichte giebt
darüber keinerlei Aufschlusz.
Vielleicht dürfen wir aber
aus den, an einem kleinen
Pfeiler des Hauptportales eingemeiszelten
Kirchenfassaden — zweifellos einer Art Steinmetzzeichen — schlieszen,
dasz derselbe ein Christ gewesen und vermuten, dasz auch er Syrier war, wie jene
Künstler, die ähnliche Monumente in Konia geschaffen.
Von den Ausstattungsstücken des Sanktuariums in Marmor, die demselben
heute noch zur Zierde gereichen, wurde nur der Minbar und die Dikke an Ort
und Stelle belassen, während die übrigen schon früher in die Moschee des Sultan
el-Muaijad nächst Bab Suele und später von dort in das Arabische Museum
übertragen wurden. Die dorthin geretteten 34 Hängelampen aus emailliertem Glas,
zu denen noch eine Anzahl aus anderen Moscheen gekommen, bilden den wertvollsten

Teil der ganzen Sammlung. In unreinem, grünlichem Glase mit je sechs
Oesen für Drahtkettchen, mittelst welcher sie an den Decken oder Schlieszen der Arkaden
aufgehängt wurden, dienten sie mehr zum Schmuck als zur Beleuchtung der Räume.
Sie sind in der mannigfaltigsten Weise in bunter Emaille mit eleganten Ranken und
Inschriften koranischen Inhalts verziert, auch mit Medaillons, die eine Widmung

Tanur der Moschee Sultan Hassan.


enthalten, gewöhnlich in den Worten
“Ruhm unserem Herrn, dem siegreichen
Sultan — —〞, auch öfters mit dem
Wappen eines Emirs.
Für die eigentliche Beleuchtung
der Moscheen kommen noch heute kleine,
unseren Nachtlichtern ähnliche Oellämpchen
in Verwendung, die zu Hunderten

Hängevase der Moschee Sultan Hassan.


an Drahtkettchen, welche häufig an ihren Enden mit Strauszeneiern geschmückt sind,
von den Decken herabhängen.
Auch eine Art Kronleuchter — Tanur — den obige Abbildung veranschaulicht,
befand sich in der Moschee und ist jetzt dem Arabischen Museum einverleibt. Derselbe
wurde im Iahre 1326 von Meister Badr Abu Hellah in dem kurzen Zeitraum
von vierzig Tagen in Bronze gegossen. Manche Besucher des Museums
wollen in ihm eher einen Papageienkäfig, als einen Beleuchtungsgegenstand erkennen.
Auch Hängevasen aus pussiertem und ciseliertem Blech in ähnlicher Form
wie die aus Glas waren nicht selten. Im Arabischen Museum befindet sich noch
eine mit drei Kartuschen, die Widmung enthaltend: 〟Dem Sultan, dem König
el-Naszir, dem Siegreichen.〞 Statt der Oesen sind zur Befestigung der Kettchen drei
Knöpfchen angebracht.

Thoraiah der Moschee Sultan Hassan.

Um die gebräuchlichen Einrichtungsstücke der Moschee zu ergänzen, führen
wir noch einige aus anderen Moscheen, jetzt im Arabischen Museum befindliche
an. Vor allem die Thoraiah, wörtlich Siebengestirn, die sowohl in Moscheen wie
in Privathäusern vorkam,
ferner einen Leuchter in ciseliertem Messingblech für die riesigen Wachskerzen
der Moscheen und

Leuchter für Wachskerzen.

die Korankiste aus der Moschee
Um es-Sultan in der Strasze Bab el-Wesir,
mit reich in Silber tauschierten
Beschlägen. Alle diese Kisten sind entweder
mit gepresztem Leder und mit
ciselierten Bronzeblechen überzogen oder
in Marqueteriearbeiten ausgestattet und
im Innern dreifach geteilt, jede Abteilung
besteht aus 10 Fächern, zur
Aufnahme der 30 Bücher des Korans.
In den gröszeren Kultgebäuden wurden
sie in eigenen Bibliotheken, in kleineren
aber in Wandschränken aufbewahrt.
Abb. Seite 77 zeigt ein Marmorbecken
auf Untersatz in gleichem Material
aus der Moschee Tattar el-Hegasije,
Tochter des Sultans Mohammed Naszir,
aus dem Iahre 1359. Dergleichen
Wasserbehälter fanden sich öfters in
den Nebenräumen der Gebetsäle und
dienten distinguierten Persönlichkeiten zu religiösen Waschungen,
Abb. Seite 78 endlich einen Kursi el-Kahf, den erhöhten Sitz für den Imam
der Moschee, mit Lesepult für die groszen Folianten der Korane; ein anderer, der

Korankiste aus der Moschee Um es-Sultan.


ursprünglich in der kleinen Moschee el-Ishaki, eines Generals von Kait-Bai stand,
befindet sich gleichfalls im nämlichen Museum.
Die Fuszböden der Liwane sind gewöhnlich mit Strohmatten und Teppichen
belegt und der Minbar bei festlichen Gelegenheiten mit Fahnen geschmückt. Letztere
aus Seidenstoffen mit den in Gold eingestickten Namen der Moscheen oder der Derwischorden
und ornamentierten

Marmorbecken aus der Moschee Tattar el-Hegasije.

Koransprüchen verziert, tragen
an ihrer Spitze vergoldete
Knöpfe mit den Zeichen des
Islams. Diese Fahnen werden
bei öffentlichen Umzügen, an
welchen die Korporationen des
Handels und der Gewerbe mit
ähnlichen Abzeichen teilnehmen,
vorangetragen. Die bedeutendsten
dieser Prozessionen sind die
des Auszuges der Pilgerkarawane
nach Mekka und ihrer
Heimkehr. Die erstere führt
den zur Bedeckung der Kaabah
in Mekka bestimmten Teppich,
der aber heutzutag per Eisenhahn
und Dampfschiff nach
Dschedda befördert wird —
Kisweh — und jene für die
Kenotaphe der heiligen Gräber
zu Medina mit sich, sowie den
Machmal, das Sinnbild der
Königswürde und der Oberherrlichkeit
Egyptens über den
Hedschas, die freilich seit der
Eroberung Egyptens durch die
Türken an die Sultane von Konstantinopel
übergegangen ist.
Den ersten Machmal soll
Sultan Beibars el-Bundukdari
1272 nach Mekka gesandt
haben. Nach einer andern Version hätte die Sultanin Schageret ed-Durr die
Pilgerfahrt in einer ungewöhnlich reich ausgestatteten Sänfte unternommen, die
dann alljährlich von der Pilgerkarawane als Prunkstück mitgeführt wurde. Dieser
Machmal, ein viereckiger Holzkasten mit pyramidenförmigem Aufsatz, ist mit reichgestickten
Teppichen bedeckt und enthält nichts anderes als zwei Koranexemplare,
das eine in Rollen- das andere in Buchform.
Für die Kisweh, welche aus schwarzen Stoffen mit breiten, goldgestickten

Schriftenfriesen hergestellt wird, hatte schon Beibars el-Bundukdari eine eigene Administration
in Kairo geschaffen, die zur Bestreitung des groszen Aufwandes an
Gold, Stoffen und Arbeitslöhnen auf die Einkünfte ausgedehnter Ländereien in der
Provinz von Galiub angewiesen war.
Der Pilgerzug unter der Führung eines höheren Offiziers, des Emir el-Hagg,
verläszt Kairo mit starker militärischer Eskorte in der letzten Hälfte des
Monats Schauwal, des zehnten der mohammedanischen Zeitrechnung. Unter den
Klängen der Musik, dem geräuschvollen Getöse von Handtrommeln und Pfeifen
setzt sich der stattliche Zug von dem Platze Mohammed-Ali in Bewegung, der
Polizeichef Kairo's, umgeben von einem glänzend uniformierten Stab, giebt ihm
bis zu dem ersten vor dem nördlichen Thore der Stadt liegenden Lagerplatz, der

Kursi el-Kahf.

Ebene der Hasweh, das Geleite.
Frauen aus dem Volke begrüszen
die Karawane auf ihrem Weg
durch die menschengefüllten Straszen
der Stadt mit ihrem durch dringenden
gellenden Freudengeschrei
und fromme Muslims rufen
derselben ihre Segenswünsche nach.
Wenn dann gegen Ende
Safar, des zweiten Monats des
neuen Iahres, der Schawisch el-Hagg,
welcher der Karawane auf
schnellem Kameele vorausgeeilt,
die Heimkehr der Pilger gemeldet,
eilen Freunde und Verwandte mit
bequemen Reittieren, neuen Kleidern
und frischen Lebensmitteln
den müden Wanderern entgegen,
um sich ihnen bei dem festlichen
Einzug — Naslet el-Hagg — in
Kairo anzuschlieszen. Freilich übertönt dann häufig das herzzerreiszende Geschrei der
Klageweiber die Musik und freudigen Kundgebungen der glücklich in die Heimat
Zurückgekehrten, denn nicht wenige erliegen den Anstrengungen der langen und beschwerlichen
Reise.
Wir bringen hier noch Abbildungen von Zelten, die bei religiösen Festen
vielfach Verwendung finden und deren Anfertigung die Araber meisterhaft verstehen.
Sie sind in derselben Technik ausgeführt wie die bunten Decken, die wir in
den Schekhgräbern und einfachen Mausoleen kennen lernten und wirken in ihren
farbigen Applikationen auf weiszem Grunde äuszerst dekorativ. Einen geradezu
feenhaften Anblick gewähren die groszen reich ausgestatteten Zelte unter der Beleuchtung
von Tausenden von Lichtern und im Scheine endloser Feuerwerke, welche
Moscheen und Tekkijen zur Feier des Geburtstages des Propheten — Muled en-Nebi
— um einen groszen freien Platz vor einem der Stadtthore aufschlagen. Für den

Landesherrn, die höheren Behörden und die Korporationen der Bürger sind ähnliche
Zelte errichtet. Alles wetteifert, das Fest, welches während zwölf Tagen und
Nächten die Bevölkerung in freudiger Aufregung erhält, zu verherrlichen. In den
nahe gelegenen Stadtvierteln, deren Straszen im Festkleide prangen und die nachts
glänzend erhellt sind, entstehen Kaffeehäuser und ambulante Buden mit Süszigkeiten

Der Machmal.

für den Näschereien liebenden Orientalen, um die Zeltstadt aber werden Schaukeln,
Karussells der verschiedensten Art zur Belustigung von Iung und Alt aufgestellt.
Während in den Zelten selbst die Citate des Korans erklingen und das Fest
mit Beten und fortwährenden Sikrs der Derwische gefeiert wird, spielt sich auszerhalb
derselben ein wahres Volksfest ab. Hier lauschen andächtige Zuhörer den
Worten der Roman und Märchenerzähler, dort übertönt banausisches Lachen das
Getöse der um Gaukler und Possenreiszer dicht gedrängten Menge und das Geschrei
der Wagenlenker und Eseltreiber. Nur die leichtgeschürzten Ghawasi (Tänzerinnen),

Arabische Zette.

die sonst keinem Feste fernbleiben, fehlen, sie wurden von der strengen Sittenpolizei
schon zu Anfang des vorigen Iahrhunderts von der Teilnahme an dieser Volksbelustigung
ausgeschlossen.

Auszug des Machmals.

Die Medresse Sorghutmasch.

Wenn wir uns von der Moschee Sultan Hassan in das heutige Stadtviertel
el-Khodere begeben, so treffen wir an der Strasze, die einst die nördliche Grenze des
alten Katai bildete, die kleine Medresse Sorghutmasch.*)
Sie wurde 1356, also gleichzeitig mit der Moschee Sultan Hassan's, von
einem seiner Mamluken am Fusze des Plateaus, auf dem die Moschee Ibn Tulun
steht, erbaut, und zwar in gleicher Technik wie die seines einstigen Herrn, befindet
sich aber gegenwärtig in dem bedauerlichsten Zustande des Verfalles.
Ihre aus Ziegeln hergestellte Mausoleumskuppel, äuszerlich in persischer Form
mit Stalaktitenkranz umgeben, unter dem sich ein breiter verzierter Fries in Sulusschrift

Kuppel und Minarett der Medresse Sorghutmasch.

hinzieht, ist als eine mit der eingestürzten Kuppel der Moschee Sultan Hassan
gleichzeitig entstandene Schöpfung von besonderem Interesse. Unter ihr ruht der
Erbauer, dessen Marmor-Kenotaph sich durch reiche Flachskulpturen auszeichnet.
Der offene Sachn el-Gama war einst mit Platten seltener Gesteinarten gepflastert,
die heute teilweise verwittert, oder im Laufe der Zeit ganz verschwunden
sind. In seiner Mitte steht noch der achtsäulige Unterbau einer Kuppel mit einem
offenen Becken.
Interessant an diesem Baue ist das Wiederauftreten der horizontalen Decken
in den Liwanen der Medresse, die gewissermaszen den Uebergang zu den eigenartigen
Formen der Kultgebäude der zweiten Mamlukenperiode inaugurieren, einer
*) Der kreuzförmige Lehr- und Gebetsaal hat eine Länge von 36,60 Meter bei einer gröszten Breite von 34 Meter.

Mittelform zwischen Medresse und Hofanlage. Wie aus der noch teilweise erhaltenen
Decke eines der kleinen Liwane ersichtlich, waren deren Balken reich
skulptiert. — Breite Gurte in Kielbogenform markieren die einstigen Gewölbe und
wahren so die Gestalt der Hoffassaden der Medresse.
Als seltene Erscheinung erwähnen wir noch das Wappen des Erbauers,
welches an den Mauern zu beiden Seiten der Kibla angebracht ist.

Sachn der Medresse Sorghutmasch.

Die Wappen fast immer in Form von kreisrunden, in drei horizontale Felder
geteilten Flächen, enthalten die heraldischen Zeichen der Würde, die den Emiren von
ihrem Landesherrn verliehen wurde. Sie sind in einfacher Zeichnung oder in Farben
dargestellt, auch eingraviert oder in Flachrelief, bisweilen auch in musivischer Technik.
So führte beispielsweise der Mundschenk das am häufigsten vorkommende Zeichen,
den Kelch, der Vorschmecker ein Tischchen, der Kammerherr einen Schlüssel, andere
Schwert, Füllhorn, Zielscheibe, Bälle u. s. f., auch Ornamente und geometrische
Figuren kommen vor, wie die heraldische Lilie, die Raute u. a. m. Die Sultane
wählten dagegen für sich meist Tierfiguren, z. B. Beibars el-Bundukdari den Löwen,
Kala'un die Ente, Naszir den Adler u. s. w.
Eines der merkwürdigsten Embleme der arabischen Wappen ist aus Hieroglyphen
zusammengesetzt und bedeutet: König von Ober- und Unteregypten, was um
so auffallender ist, da man annehmen darf, dasz die Hieroglyphen zu jener Zeit
überhaupt nicht mehr verstanden wurden.
Die Verleihung solcher Abzeichen als persönliche Auszeichnung, die daher nicht
erblich waren, wurde zuerst unter den Eijubiden eingeführt, hörte aber mit der Herrschaft
der Osmanen auf. Wir finden heute noch
Wappen an Gegenständen, die aus dem Besitze
der Emire stammen, sowie an Gebäuden und
Münzen aus jener Zeit.

Arabische Wappen.

Die Medresse Um es-Sultan.

Noch ein bedeutendes Monument der Turkomanen-Zeit entstand zehn Iahre
später als das vorhergehende unter Schaban einem Sohne Sultan Hassans, an der
Strasze el-Wesir. Es wird gewöhnlich mit dem Namen Medresse Um*) es-Sultan
bezeichnet. Rechts und links von dem Saktuarium stehen die einfachen Mausoleen,
das des Sultans und das seiner Mutter.
Ihre Kuppeln ruhen auf achteckigen Trommeln, welche vermittelst sphärischer
byzantinischer Halbkuppeln in die unverhältnismäszig hohen, nackten Steinwände
des quadratischen Unterbaues übergehen. Gleich ihnen macht das Ganze, meist
schmucklose Innere einen monotonen Eindruck, während die monumentale Technik
und die Gediegenheit der architektonischen Formen dem Aeuszeren einen Charakter
verleiht, welcher der Hauptbestimmung des Ganzen als Mausoleum in würdiger
Weise entspricht. Die hohe Fassade wird von einem breiten Schriftenfries abgeschlossen
und ist von einem unbedeutenden, aus Flachnischen bestehenden Gesimse
und dreilappigen Akroterien bekrönt.
Von den schlichten Formen des Baues weicht nur der in die Fassade tief
eingeschnittene reich ausgestattete Haupteingang ab. Wohl im allgemeinen dem
der väterlichen Moschee ähnlich, entbehrt er aber der markigen Ornamente, die
das Portal von Sultan Hassan umsäumen. Die Nische selbst, mit nur geringen
Skulpturen auf Stein, dagegen reicher Placage in buntem Marmor, ist aus alternativ
*) Mutter.

geordneten Steinschichten von schwarz und weiszer Farbe hergestellt, eine
Technik, die bei den Monumenten der folgenden Epoche vorherrschend auftritt.
Ihre Stalaktitenbildungen zeigen im Aufbau eine auffallende Aehnlichkeit mit
denen des Portales der Energhe Moschee in Konia. Gleich jener entbehren sie der

Portal der Medresse Um es-Sultan.


sphärischen Nische als Abschlusz, die auch hier fast zu einer kleinen Stalaktitenzelle
eingeschrumpft ist.
Die rechteckige Umrahmung des oberen Teiles der Portalnische und die ihres
gebrochenen Bogens, bilden Schriftenfriese, deren Zwickel mit Flachornamenten
ausgefüllt sind.
Das kleine Sebil — der öffentliche Brunnen — an der linken Seite des
Portales, heute auszer Gebrauch, ist in der Fassade mit einem Holzgitter aus zusammengestemmten
profilierten Stäben geschlossen.

Die Bauten der zweiten Mamlukenzeit.

Wie einst die Eijubiden durch ihre eigenen Mamluken gestürzt, so wurden die
Bachriten von Mamluken anderer Nationalität, den Tscherkessen oder Borgiten, verdrängt,
die sie selbst ins Land gebracht hatten, um der steigenden Uebermacht ihrer
Landsleute ein Gegengewicht zu schaffen.
Mit diesem Wechsel war jedoch keineswegs eine Aenderung der trostlosen
alten Zustände eingetreten. Beständige Streitigkeiten um den Thron und die damit
verbundenen Revolutionen und Palastintriguen dauerten fort, da die Emire, denen
es nur um die Herrschaft zu thun war, vor keinem Mittel zurückschreckten, um sich
derselben zu bemächtigen.
Barkuk, einer der bedeutendsten Mamlukenführer und zugleich Vormund des
minderjährigen Turkomanensultans Melek el-Salach, war der erste, der nach Verbannung
seines Mündels die Regierung an sich risz.
Er war zweifellos der befähigste der nun folgenden sechsundzwanzig Tscherkessensultane,
die bis 1517 über Egypten und Syrien herrschten. Durch kluge
Politik wuszte er seine Länder vor fremden Invasionen zu schützen, die er bei
auszergewöhnlichem administrativen Talente in einer Weise verwaltete, dasz er auch
nach seinem Tode lange im Gedächtnisse seiner Völker als Wohlthäter fortlebte.
Mit ungewöhnlichem Scharfblick sah er auch die Gefahr voraus, die Egypten von
den Söhnen Othmans drohte, die thatsächlich etwa ein Iahrhundert später das
Land für immer seiner Selbständigkeit beraubten.
Er war der Sohn eines tscherkessischen Renegaten namens Ans, wurde im
Iahre 1364 an Emir Bogha verkauft und von diesem sorgfältig erzogen. Nachdem
er den Doktorgrad der Theologie und Rechtswissenschaft erworben, gelangte er
bald zu den höchsten und einfluszreichsten Stellen des Reiches.
Aber trotz allen Glücks, das ihn auf seinem Lebenswege begleitete, war ihm
eine vorübergehende Entthronung, gefolgt von Verbannung nach Karak in Syrien
— dem gewöhnlichen Exil der Sultane —, nicht erspart geblieben. Wieder zur
Herrschaft berufen, starb er jedoch schon 1389 nach kaum jechsjähriger Regierung.

Medresse Sultan Barkuk.

Von seiner Bauthätigkeit und der damals hochentwickelten Baukunst zeugen
zwei Monumente. Das eine, eine Medresse, 1384 in der alten Kalifenstadt, nördlich
an die Sultan Naszirs angebaut, das zweite ein Mausoleum mit Khanka.
Letzteres soll später mit den Monumenten der nördlichen Nekropole eingehend betrachtet
werden.
Der nach beiden Seiten hin erweiterte Hauptliwan der Medresse, mit horizontaler,
von vier gewaltigen Granitsäulen getragener Holzdecke, bildet, wie schon die
ältere Medresse Sorghutmasch, eine Uebergangsform zu den eigentümlichen Kultgebäuden
der zweiten Mamlukenperiode.
Der Haupteingang, der Gebetsaal und das schöne Mausoleum, in dem die
Tochter Barkuks ruht, wurde zum Bedauern der Archäologen und Künstler im

Laufe des letzten Iahrzehntes in so brillanter Weise wiederhergestellt, dasz das ein
halbes Iahrtausend alte Monument heute fast wie ein Neubau erscheint. Dieser
Eindruck wird durch die in hellem Marmor gehaltene neue Dikke und einen kleinen
modernen Kuppelbau im Sachn noch erhöht.

Sanktuarium der Medresse Sultan Barkuk (Stadt).

In rein egyptisch-arabischem Stil gehalten ist das an der Nordecke der Fassade
in achteckigen Etagen emporsteigende Minarett, dessen ornamentaler Schmuck manchem
der späteren Zeit als Muster diente.
Nach dem Tode beider Söhne Barkuk's, des Sultans Asis und dem tragischen
Ende Sultans Faradsch, von denen letzterer von dem Kalifen geächtet und vor den
Mauern von Damaskus hingerichtet wurde, bestieg 1412 der hochgelehrte und
angesehene Emir Abu Naszir Schekh el-Mahmudi el-Daheri als Sultan Muaijad
den Thron. Er hatte zuvor den Kalifen, der sich für kurze Zeit der Herrschaft bemächtigte,
beseitigen lassen.

Die Moschee Sultan Muaijad.*)

Durch die Erbauung einer Moschee vor Bab Suele, deren gänzliche Vollendung
er aber nicht mehr erlebte, erwarb er sich unsterbliche Verdienste um die
Kunst. Dieselbe verdankt ihre Entstehung einem Gelübde aus der Zeit, in der
Schekh Mahmudi mit seinem Freunde, einem Mamluken Sultan Barkuk's, in dem

Das Sanktuarium der Moschee Sultan Muaijad.


Gefängnisse Khassanad Schama schmachtete und gelobte, wenn er jemals befreit
würde, an dessen Stelle eine prächtige Moschee zu errichten. Wie treu er sein Versprechen
gehalten, davon legen die Reste des groszartigen Monumentes Zeugnis ab,
das schon Sultan Selim I. als das schönste und würdigste Gebethaus Kairo's
erklärte.
Das in all seinen Teilen höchst geschmackvoll ausgestattete Sanktuarium wurde
vor wenigen Iahren restauriert, während die drei Seitenliwane schon Mitte des
*) 85 Meter Breite an der Ostfassade, bei 82 Meter Tiefe.

verflossenen Iahrhunderts gänzlich verfallen, in den siebziger Iahren in ihren
Auszenmauern in recht stilloser Weise wieder aufgebaut wurden. Ihre einstige
Baufläche, sowie die des alten Sachn el-Gama, bedeckt heute eine Gartenanlage, die

Das Portal der Moschee Sultan Muaijad.


mit ihren malerischen Baumgruppen bis zu den Arkaden des Sanktuariums herantritt.
Links davon steht das einfache Mausoleum des Sultans, in dem auch einer
seiner Söhne beigesetzt ist, rechts das seiner Familie.
Die alte Fassade, mit Zinnen von dreilappiger Lilienform, ist nur durch ihr
Portal bemerkenswert, dessen Ornamentierung in abwechselnd schwarz und weiszen

Steinschichten hier noch mehr als in der Medresse Um es-Sultan in den Vordergrund
tritt. Auch die Stalaktitenbildungen erinnern an letztere, sind jedoch wieder
mit sphärischer Halbkuppel gescholossen und werden auszerdem in neuer Weise von
einem dreilappigen Bogengesims

Thüre der Moschee Muaijad (ursprünglich der Moschee Sultan Hassan).


umspannt. Die Flächen
zwischen demselben und dem
das Portal einfassenden breiten
Tiras sind mit äuszerst dekorativ
wirkenden arabischen
Ranken bedeckt. In den seitlichen,
durch Stalaktiten geschlossenen
Flachnischen des
Portales finden wir Kartuschen
mit eigentümlich quadratischen
Schriftzeichen*) eingelassen.
Die gröszte und zugleich
schönste Thüre Kairos — ein
wahres Kunstwerk der Bronzetechnik
— schlieszt den Eingang
zur Moschee. Dieselbe
schmückte einst das Portal von
Sultan Hassan und wurde
von Sultan Muaijad der
Moscheenverwaltung um 500
Dynare abgekauft.
Die beiden eleganten Minarette
in achteckigen Etagen,
deren oberste vor wenigen
Iahren neu aufgebaut worden,
stehen auf den Vorlagen
des fatimidischen Thores Bab
Suele.
Auf Muaijad folgten in
kaum einem Iahre drei Sultane,
deren letzter, Mohammed
ben-Tattar, von Barsbai,
dem einstigen Mamluken
seines Vaters, entthront wurde. Seine siebzehnjährige Regierung war so maszvoll
und gerecht und so reich an politischen Erfolgen durch ruhmreiche Kämpfe mit
*) Die Buchstaben dieser Schrift werden ausschlieszlich von geraden, rechtwinklig zusammengesetzten Strichen gebildet, so dasz beispielsweise ein ringförmiges Zeichen des gewöhnlichen Naskhi als Quadrat erscheint.

Mongolen und auf der Insel Cypern, dasz die alten arabischen Schriftsteller Melek
el-Aschraf Barsbai einstimmig als den würdigsten Herrscher der Tscherkessendynastie
anerkennen.
Er liesz mehrere Städte, die unter seinen Vorgängern zerstört wurden, wieder
aufbauen und verschönerte auch Kairo durch Neubauten, von denen sich mehrere bis
in die Gegenwart erhalten haben, unter anderen eine Medresse an der Kreuzung
der Sikke gedide und der Ghurije-Strasze, die aber keine neuen Kunstformen von
Bedeutung bringt. Wir übergehen sie daher wie so manche andere der zahlreichen
Monumente der Tscherkessenperiode.

Grundrisz der Grab-Moschee Kait-Bai (Kalifengräber).

Weit interessanter ist sein Mausoleum in der nördlichen Nekropole, dessen
später gedacht werden soll.
Während die unmittelbaren Nachfolger Barsbai's nur wenige Bauten von
nennenswerter Bedeutung hinterlieszen, darunter Sultan Inal eine Medresse in der
nördlichen Karafa, ist die Zahl der Monumente, die während der achtundzwanzigjährigen
Regierung des kunstsinnigen el Melek el-Aschraf abu n-Naszir Kait-Bai
entstanden, eine ungewöhnlich grosze. Noch heute finden wir, wohin immer wir
unsere Schritte in Egypten lenken, Spuren seiner Bauthätigkeit. Unter ihm hat die
arabische Kunst in Egypten ihren Höhepunkt erreicht.
Im Iahre 1417 im Kaukasus geboren, schwang Kait-Bai sich vom
Sklaven des Sultan Barsbai 1467 zum unumschränkten Herrscher über Egypten und
Syrien auf.
Die meisten seiner Hochbauten, fast alle von kleineren Dimensionen, sind geschmackvoll
und eigenartig ausgeführt. Ihr Grundrisz, der aus der Medresse
hervorging, zeigt eine Verkleinerung der beiden Seitenliwane und Verbreiterung des
Sanktuariums, sowie des ihm gegenüberliegenden Liwans. Dieselben sind wie bei den

Brunnensaal mit Salsabil eines Sebils Kait-Bai.


Hofanlagen mit Holzdecken überspannt und gegen den Sachn durch breite Gurten,
die wir schon bei der Medresse Sorghutmasch besprochen, begrenzt. Die Höfe, nun
eingedeckt, werden durch Oberlicht erhellt. An das Sanktuarium schlieszt sich, wie
bei den früheren Medressen, das Mausoleum des Stifters, dessen Ausbau und
Ornamentierung besondere Sorgfalt gewidmet wurde. Die Form der Kuppel gelangt
zu einer Vollendung und Schönheit, die kein anderer Stil übertrifft.
Gegen Ende des 15. Iahrhunderts treten Mausoleen auch isoliert stehend auf.
Als neues Bauglied finden wir bei diesen Monumenten den öffentlichen
Brunnen — Sebil —, der dem Volksbedürfnisse so entsprach, dasz er von nun an
fast keiner Moschee fehlt. Schon im Iahre 1366 hatte der Emir Dschai el-Iussefi
seiner Moschee einen solchen zugefügt. In der ersten Zeit enthielt das Sebil im
Erdgeschosz den Brunnensaal, an deren groszem Bronzegitter dem Durstigen unentgeltlich
ein Trunk aus den unterirdischen, gewölbten Cisternen geboten wird. Im

Sebil der Tekkije Sultan Mahmud.


Obergeschosz aber einen Loggienbau mit zierlicher, weit vorkragender Markise, der
als Elementarschule — Kuttab — dient.
Ein Fuszboden in bunten, reichen Marmormosaiken und eine skulptierte, in
Farben und Gold strahlende Decke schmücken den Brunnensaal, dessen Becken mit
dem Wasser gespeist werden, das, aus der Cisterne geschöpft, in einer Stalaktitennische
über eine flachskulptierte Marmorplatte — Salsabil — herabflieszt. Abb. Seite 91
bringt die des im Iahre 1479 von Kait-Bai an der Strasze Salibeh erbauten Sebiles
und zeigt, wie geschmackvoll solche Nischen in jener Epoche ausgeführt wurden.
Die Sebile der ottomanischen Periode sind gewöhnlich ebenerdig mit seitlich
angebautem Kuttab. In den Konstruktionsformen ähnlich, unterscheiden sie sich

wesentlich in der Dekoration von ersteren. Die Wände ihres Brunnensaales sind
mit Fayenceplatten belegt, ihre Decken aber in einfacher Technik hergestellt.
Heute, wo die groszen Pumpwerke die Stadt reichlich mit Trinkwasser versorgen,
haben die Sebile im allgemeinen an Bedeutung verloren, ebenso wie die
Tränken — Hod —, die wir jetzt nur als Ruinen in einigen Straszen antreffen.

Sebil Abd er-Rachman-Bai Kikhja.


Doch sind erstere noch immer von hygienischem Werte, da ihre Cisternen zur Zeit
der Hochflut gefüllt, auch während des Tiefstandes des Nils vollständig klares,
bakterienfreies Wasser liefern.
Von den unzähligen öffentlichen Brunnen Kairos erwähnen wir vor allem
das Sebil, welches im Iahre 1545 noch ganz im Mamlukenstil von dem türkischen
Gouverneur Khosrof-Pascha dem Mausoleum Nigm ed-Din's vorgebaut wurde
(s. Abb. Seite 44).
Ferner das geschmackvolle, an der Tekkije Sultan Mahmud's, im Quartier
Habbanije, aus dem Iahre 1752, in gemischten Formen des egyptisch-arabischen
und ottomanischen Stils aus der Zeit des Niederganges (s. Abb. Seite 92). Sein
Brunnensaal von halbkreisförmigem Grundrisz ist nach ottomanischer Weise mit
Fayenceplatten ausgestattet.
Etwa aus derselben Zeit stammt das schöne Sebil des baulustigen und
frommen Abd er-Rahman-Bai Kikhja an der Gabelung der Nahasin- und
Gamalije-Strasze (s. Abb. Seite 93), von dessen reich ausgestattetem Loggienbau sich
vielleicht das interessanteste Straszenbild Kairos vor unseren erstaunten Blicken
entfaltet.

Sebil der Mutter von Abbas-Pascha.

Endlich das etwa ein Iahrhundert später von der Mutter des Vicekönigs
Abbas-Pascha errichtetete moderne Sebil an der Kreuzung der Straszen Salibeh und
Siyufijeh mit angebautem Kuttab.

Die Medresse Kait-Bai.

In der Nähe der Moschee Ibn Tulun treffen wir die kleine Medresse
Kait-Bai, die 1475 in den oben besprochenen neuen Formen hergestellt worden
war. Leider müssen wir auch hier die Zeit, wie bei so vielen anderen herrlichen
Monumenten, als Zerstörerin anklagen. Ihrer Gesimse und Zinnen beraubt, macht
sie heute einen gar kläglichen Eindruck und wäre vielleicht schon ganz in Ruinen
gesunken, wenn nicht Eisenverankerung die geborstenen Wände vor dem Einsturz

bewahrt hätte*). Trotzdem bleibt der alte Bau mit seinen schönen Portalen, dem
eigentümlichen Minarette bei geschmackvoll innerer Ornamentierung höchst sehenswert.
Wenn die glatten, nur von einem breiten Schriftfries bekrönten Steinwände
der Liwane im Inneren auch etwas nüchtern wirken, so bildet der reiche Schmuck
in Flachornamenten an den groszen Bögen der Fassaden des Sachn und die Stalaktitengebilde

Sachn der Medresse Kait-Bai (intra muros).


an den Bogenkonsolen und den Flachnischen der Fenster eine wahre
Fundgrube herrlichster Ornamente der arabischen Kunst. Die skulptierten Holzdecken
und Marmormosaiken der Fuszböden sind gleichfalls von hohem Kunstwert.
*) Seitdem hat der unermüdliche Architekt Herz-Bey, dessen einsichtsvoller Leitung nun die Konservierung der Arabischen Monumente in Egypten anvertraut, die Restaurierung der Moschee begonnen und sie in ihrem Aeuszeren kunstgerecht vollendet.
Ein hervorragendes Beispiel stil- und geschmackvoll ausgeführter Holztechnik
ist die Kanzel, welche noch jetzt das Sanktuarium schmückt. Ihre Erhaltung an
Ort und Stelle in entlegenem Stadtviertel ist jedenfalls nur ihrer Grösze und ungewöhnlichen

Minbar der Medresse Kait-Bai (intra muros).

Schwere zu
verdanken.

Die Medresse
Kitschmas el-Ishaki.

In dem Ehrgeize, Kairo
zu verschönern, wetteiferten
mit Kait-Bai auch dessen
Generäle und Würdenträger.
Die Monumente, die sie geschaffen,
sind in Architektur
und Ausstattung nicht weniger
vollendet, wie die ihres
königlichen Herrn.
Eine der ältesten Moscheen,
1482 im Quartier
Darb el-Achmar erbaut, ist
auf Kitschmas el-Ishaki es-Sahiry
Dschakmak, dem einstigen
Groszstallmeister des
Sultans, zurückzuführen, der
aber nicht hier beigesetzt
wurde, da er fünf Iahre
nach Vollendung der Moschee
in Syrien gestorben ist.
Das Mausoleum enthielt
nur den Kenotaph eines
Unbekannten, bis 1851 der
fromme Schekh Abu Hariba
hier begraben wurde, nach
welchem die Moschee heute
gewöhnlich genannt wird.
Von der Seite des Bab Mituelli her, macht ihre kleine, reich dekorierte, im
Verhältnis zu ihrer Breite sehr hohe Fassade einen ungemein stattlichen Eindruck, im
Vordergrund die Fassade des Liwanes, rechts davon das Sebil und das Moscheenportal
in einer Nische deren Grund mit Marmormosaiken in dunkelrot und blauschwarzen
Tönen geschmückt ist, staffelförmig hintereinander gestellt. Ueber dem
Ganzen erhebt sich ein imposantes Minarett, hinter welchem die hohe Grabkuppel
sichtbar wird.
Das kürzlich restaurierte Innere, dessen bunte Marmormosaiken und reich
gemalte und vergoldete Decken und Wände in der magischen Beleuchtung der

glitzernden, farbenprächtigen Kamarijen noch wärmer erscheinen, macht einen geradezu
feenhaften Eindruck.
An den Wänden des Westliwanes und an denen des Sachn läuft ein zwei
Meter hoher Sockel aus schwarzen, hellgrauen und gelben Marmorplatten, der mit
einem eigentümlichen Fries in Flachrelief abgeschlossen ist, während die Wände des
Sanktuariums in ihrer unteren Hälfte viel reicher in Flachornamenten und Marmormosaiken
ausgestattet und mit einem breiten, einst vergoldeten Fries in Mamlukenschrift,
gegen die kahlen, oberen Teile der Wände begrenzt sind. Auszerdem bemerken
wir an der Kiblaseite Inkrustationen in schwarzblauen, roten und schwarzen
Tönen in den Zwickeln der Fenster und an der Nische des Michrab.
Im Sanktuarium steht noch der kostbare alte Minbar aus Nuszbaumholz, dessen
feine polygonale Flächen reich mit Elfenbein und Ebenholz eingelegt sind. Dagegen
wurde der Kursi el-Kaf im Arabischen Museum aufgestellt (s. Abb. Seite 78).
Neben der Pracht der Ausstattung verdient der fein durchdachte Grundrisz,
in dem der Baumeister, in geschicktester Weise die Unregelmäszigkeiten der Baufläche
— ein abgestumpftes Dreieck — verdeckend, den Plan einer regelmäszigen Medresse
zu schaffen wuszte, gerechte Bewunderung.

Die Medresse Abu Bekr Mashar.

In dem abgelegenen Stadtviertel Margusch, an der Ecke des vielfach gebrochenen
Gäszchens Birkawan, treffen wir die Medresse Abu Bekr-Mashar el-Ansari,
des Direktors der Hofkanzlei Sultan Kait-Bai's, 1497 vollendet und vor wenigen
Iahren gründlich restauriert.
Auch hier ist die Lösung des Grundrisses, bei dem die Achse des Gebetsaales
aus Orientierungsgründen fast in die Diagonale des viereckigen Planes gelegt
werden muszte, in genialer Weise gelungen.
Besonders auffallend sind im Inneren die Arkaden auf Marmorsäulen, die an
Stelle der gewöhnlichen Gurten die Liwane vom Sachn trennen.
Die Ornamentierung der Moschee (s. Seite 99), ebenso reich wie die der vorhergehenden,
zeichnet sich durch häufige Verwendung einer eigenartigen Technik in weisz
und schwarzen Inkrustationen auf hellgrauen Marmorplatten, die wir bereits in der
Medresse Ishaki kennen gelernt, besonders aus. Im übrigen bieten die Skulpturen
und musivischen Arbeiten in kostbaren Gesteinsarten, sowie die Dekorationen
der Wände, mit Ausnahme der Zwergsäulchen in blauer Emaille an der Kiblaseite,
nichts Ungewöhnliches. Als Ornament finden wir an mehreren Stellen das
Wappen des Bauherrn in hieroglyphischen Zeichen.
Ueberreich sind die skulptierten und gemalten Decken, von denen die über dem
Sachn aus der letzten Restaurierung stammt, und die mit Flachreliefs und Intarsieen
geschmückten Thüren der Liwane und Wandschränke. Ein wahres Meisterwerk der
Kunst aber ist der in Ebenholz und Mahagoni, mit Elfenbeineinlagen und persischen
Intarsieen ausgestattete Minbar. Ein Fries aus ungewöhnlich feinen
Muschrabijen mit der kufischen Inschrift “Gott befiehlt Gerechtigkeit und Wohl thätigkeit〞
krönt seine, in Paneelwerk aus zierlichen Enterlaksmustern hergestellte
Thüre. Die Kanzel trägt die Iahreszahl 1480.
Die Siege, welche Esbek, der bewährte Feldherr Kait-Bai's, über die türkischen
Truppen in Syrien erfochten und die gastliche Aufnahme, welche Kait-Bai dem
Bruder und Rivalen Bajasit II. und dessen Familie zu teil werden liesz, hatte den
mächtigen Sultan von Konstantinopel mit tötlichem Hasz gegen ihn erfüllt, so dasz
von nun an ein ernstliches Ringen mit der Pforte um den Besitz von Egypten
begann, welches zweiundzwanzig Iahre nach dem Tode Kait-Bai's das Ende der
Tscherkessendynastie herbeiführen sollte.

Kiblawand der Medresse Abu Bekr Mashar.

Den glücklichen Zeiten unter Kait-Bai folgten sechs Iahre der blutigsten
Kämpfe, während welcher fünf Sultane, von denen sich der blödsinnige Sohn des
groszen Vaters durch unmenschliche Grausamkeiten am meisten hervorthat, gestürzt
wurden.
Der Gewaltthaten und Revolutionen endlich müde, schritt das Volk im Vereine
mit den Emiren und den Schekhs des Landes nun selbst zur Wahl eines Herrschers.
Dieselbe fiel auf den sechzigjährigen Emir Ghuri, einem ehemaligen Mamluken
Kait-Bai's, der die Würde jedoch nur unter der Bedingung annahm, dasz ihm eine
eventuelle Entthronung nicht auch das Leben kosten sollte.
Es gelang ihm auch bald, nach Beseitigung aller gefährlichen und aufrührerischen
Elemente, für einige Iahre wenigstens dem Lande wieder Ruhe und Frieden

zurückzugeben. In dieser Zeit entstanden die letzten einigermaszen bedeutenden
Monumente der Tscherkessenepoche.
Vor allem widmete Ghuri sich mit groszer Beharrlichkeit der Wiederherstellung
der seither arg vernachlässigten Citadellenmauern, legte Cisternen und Karawansereien

Dekorationen aus der Medresse Abu Bekr Mashar.


an der groszen Pilgerstrasze nach Mekka an und baute zur Wasserversorgung
der höher gelegenen Stadtviertel am Fusze der Festung einen Aquädukt, der sein
Wasser einem Nilarm bei Fum el-Khalidsch entnahm, auf hohen Spitzbogen das
Ruinenfeld des alten Fostat durchquerte und bei Bab el-Karafe sich in unterirdischer
Leitung fortsetzte.

Das Doppelmonument Sultan el-Ghuri.

Der wichtigste seiner zahlreichen Hochbauten aber ist ein Doppelmonument,
aus einer Medresse und seinem Mausoleum bestehend, das nördlich von Bab
Suele, zu beiden Seiten der hier breiter werdenden Aschrafije-Strasse des Ghurije-Viertels
liegt. Diese von einer bunten hin- und herwogenden Menschenmasse aller
Nationen und Typen stets sehr belebte Straste, ein Bild echt orientalischen Lebens
in der Umrahmung interessanter arabischer Bauten, wurde von dem Pinsel berühmter
Künstler oft verewigt. Die beiden schönen Fassaden stehen heute noch

Das Innere der Medresse Sultan el-Ghuri.


ebenso da, wie sie das 16. Iahrhundert geschaffen, nur die Bekrönung des Minarettes
der Medresse, in fünf Zwergkuppeln, ist modern. Dagegen ist ein von Sultan
Ghuri in die Ashar-Moschee gestiftetes Minarett noch vollständig erhalten.
Die Medresse, 1503, obzwar noch ganz in den reichen Formen der Epoche
Kait-Bai's, erbaut, zeigt doch schon deutliche Spuren des Kunstverfalles. Geschmackvoll
ausgeführt ist die Marmortäfelung der Wandsockel, die Flachornamente der
oberen Wandteile waren dagegen derart mit Gold und Silber überladen, dasz sich
Zeitgenossen sehr miszbilligend über die für ein Kultgebäude allzureiche Ausstattung
ausgesprochen haben.
Das 1504 vollendete Mausoleum erhielt keinen Kenotaph. Wie Chronisten
melden, wurden in der Gruft neben einem Lieblingssklaven des Sultans einige Mitglieder

der Familie El-Ghuri's beigesetzt. In der That wurden 1882, als während
des Aufftandes von Arabi nach Gold suchende Soldaten dieselbe erbrachen, fünf auf
Sand gebettete mumifizierte Leichen gefunden. Der Sultan selbst war in der unglücklichen
Schlacht gegen die Türken von Merdsch-Dabeik bei Aleppo gefallen und
sein Leichnam unter den Hufen der fliehenden Kavallerie verschwunden.

Das Sebil Sultan el-Ghuri.

Das Grabmal ist im Inneren in ähnlicher, aber einfacherer Weise wie die
Medresse ornamentiert. Nachdem seine alte in Stein erbaute und mit blauen
Fayencen reich schmückte Kuppel eingestürzt war, wurde es vor einigen Iahrzehnten
notdürftig in Holz überkuppelt und zu gleicher Zeit auch die verschwundenen Decken
seines Oratoriums erneuert.
Das reizende, über die Flucht der Mausoleumsfassade vorspringende Sebil,

auch in seiner geschmackvollen inneren Ausstattung noch ganz ursprünglich, kann
als Modell eines echt egyptisch-arabischen angesehen werden.
Wir hätten den Bauten des vorletzten Tscherkessensultans nur noch zwei kleine
von Emiren errichtete Monumente zuzufügen, welche die Kunstepoche der Borgiten
nicht unwürdig abschlieszen.
Das eine derselben, auf dem Wege nach der Citadelle neben der Medresse
Aksunkor gelegen, ist ein zierlicher Bau, den der erste Mamlukenchef Ghuri's, Sef
ed-Din Khair-bek, errichtet hatte. Es ist derselbe, der in der mörderischen Schlacht von
Merdsch-Dabeik Sultan Ghuri verraten und damit den Untergang der Tscherkessendynastie

Zur Rechten die Medresse Khair-bek, im Mittelgrunde die unvollendete Moschee Rifai, im Hintergrunde die Moschee Sultan Hassan.


wesentlich beschleunigt hatte. Selim I. zeigte sich in der Folge für diese Treulosigkeit
erkenntlich, indem er sie mit dem egyptischen Gouverneursposten belohnte.
Die kleine Anlage, mit Fassaden noch ganz im Stile der Mamlukenperiode,
entstand in verschiedenen Epochen. Das Mausoleum war schon 1503 erbaut, die
damit verbundene Medresse wurde jedoch erst zwei Iahre vor dem 1522 erfolgten
Tode Khair-bek's vollendet. Doch liegt in dieser Verschleppung nichts Ungewöhnliches,
da nach damaliger Sitte die Emire den Bau ihres Mausoleums in Angriff
nahmen, sobald es ihre Vermögensverhältnisse gestatteten, während die Zufügung
der Medresse einer späteren Zeit vorbehalten blieb. Darin finden wir auch die
Erklärung für die ottomanische Bauweise ihres Inneren.
Die interessanten und mannigfaltigen Ornamente, die das Mausoleum und
das Minarett schmücken, zeigen nicht mehr die höchste Vollendung und deuten schon
auf den Niedergang der Kunst, während der anstoszende kleine Friedhof mit seinen
beschädigten Monumenten und zerbrochenen Grabstelen ein trauriges Bild des
Verfalles bietet. An das Mausoleum, und mit demselben durch eine Thüre verbunden,
schlieszt sich südlich die anepigraphische Ruine eines Palastes, zweifellos der
Khaira-beks, an, die um so

Der Gebetsaal der Medresse Khair-bek.


wertvoller für die Kunstgeschichte
ist, als an ihren sonst
kahlen Wänden die Stellung
und Form der Lichtöffnungen
noch klar ersichtlich ist und
derlei Ruinen überhaupt nur
in äuszerst geringer Zahl
vorhanden sind.

Medresse Emir Akhor.

In der Abb. Seite 104
bringen wir noch das kleine
Grabdenkmal des Emir
Akhor, wie es im Volksmunde
bezeichnet wird. Es
liegt am Fusze der Citadelle
südöstlich von der Moschee
der Mutter des Khedive Ismail,
die nach dem hier begrabenen
Heiligen Rifai genannt
wird. Sie stellt einen
vollständig verunglückten
modernen Bau dar, der in
dem Gedanken die gegenüberliegende
Hassanmoschee—deren
Ostfassade er maskiert—zu
verdunkeln, in
ungewöhnlichen Höhenverhältnissen
und mit auszerordentlichem Kostenaufwande begonnen wurde, jedoch ohne
das erstrebte Ziel zu erreichen. Stilistisch unbedeutend, in nicht wetterbeständigem
Material errichtet, harrt er seit Iahren vergeblich seiner Vollendung. Iedoch
dienen die, in der Ostfassade der Moschee gelegenen Mausoleen—als Ruhestätte
der Familie des Khedive Ismail*)—bereits ihrer Bestimmung. Der Zutritt zu
*) In einem dieser Mausoleen ruht die geistreiche, früh verstorbene Prinzesfin Tewfide Hanem, Tochter des Khedive Ismail und Gemahlin Manssur Pascha's, unter einem besonders schönen, aus prächtigen Paneelwerk—von einem koptischen Tischler—ausgeführtem Kenotaph, daneben zwei ihrer Geschwister. In dem gegenüberliegenden Mausoleum liegt der Khedive selbst unter kostbarem Marmorkenotaphe an der Seite seiner Mutter. Von den reichen Ausstattungsstücken dieser beiden Räume sind namentlich die schönen, illuminierten Koraneremplare hervorzuheben.

derselben erfolgt von einem, durch niedere Gebäude in neuarabischem Stil umgebenen
Hof, welche die Räume für den Aufenthalt der Familie gelegentlich der Gräberbesuche

Medresse Emir Akhor.


und Wohnungen für
Wächter enthalten.
Der Stifter der Medresse
Akhor, der Emir Sef ed-Din
Kanibai Kora, mit dem Beinamen
Rammah—der
Lanzenreiter—, einst Mamluk
Kait-Bai's, wurde von
el-Ghuri zum Oberstallmeister
befördert und bekleidete
dieses Amt auch
unter dem folgendem Sultane
Tuman-Bai. 1506
wurde er zum Gouverneur
von Aleppo ernannt.
Leider fehlt der schönen
Fassade das Minarett, welches
wegen Baufälligkeit in
den siebziger Iahren des verflossenen
Iahrhunderts abgetragen
werden muszte.
Auch die oberen Teile der
Mauern des einen Liwanes
und des Sachn waren samt
einem groszen Teil der
Decke eingestürzt und sind
in primitivster Weise ersetzt
worden.
Sehr eigentümlich ist die Einwölbung des Sanktuariums mit flacher Kuppel,
deren Uebergang in die nackten Pendentifflächen ein schief gestelltes Gewölbeband
mit breiter Mamlukenschrift vermittelt.
Der Minbar im Sanktuarium, in gestemmtem Paneelwerk auf das sorgfältigste
ausgeführt, hat leider durch häufigen Oelanstrich die Feinheiten seiner
Ornamente eingebüszt.
Die einfachen Malereien im Inneren des Mausoleums sind teilweise noch
erhalten. An den unteren Teilen seiner Wandflächen finden wir die gewöhnlichen
Marmortäfelungen der Epoche, während sich oberhalb derselben ein reiches Ornamentenband
in farbigen Inkrustationen hinzieht.

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105

Die Bauten unter türkischer Herrschaft.

Im Iahre 1517 beginnt eine neue Zeit. Egypten ist ein Vasallenstaat geworden
und wird von Gouverneuren, welche der Sultan von Konstantinopel ernennt,
verwaltet. Es kam wohl nur ausnahmsweise vor, dasz wirklich wohlwollende und
tüchtige Männer diesen Posten bekleideten, gewöhnlich war ihr Augenmerk mehr
auf die Ausbeutung des Landes, als auf eine wirklich rationelle Regierung gerichtet,
so dasz ihre Miszwirtschaft zu ihrem häufigen Wechsel, ja selbst ihrer Ermordung
und zu Revolutionen Anlasz gab. Diese Zustände erhielten das Land in steter Aufregung
und lieszen es nicht zur Entwickelung jener friedlichen Zeiten kommen, die
für die Pflege von Kunst und Wissenschaft so unerläszlich sind.
Um seine Herrschaft in Egypten zu befestigen, hatte Selim I. schon vor seiner
Rückkehr nach Konstantinopel die alte Mamlukenverwaltung durch eine streng ottomanische
ersetzt und an deren Spitze mehrere sich gegenseitig kontrollierende Würdenträger
gestellt. Der türkische Einflusz, der sich von nun an überall geltend machte,
kam auch in der Baukunst zum Ausdruck und der ottomanische Centralbau tritt
jetzt bei allen, auf Befehl der Regierung errichteten Kultbauten, an Stelle der bisher
gebräuchlichen Typen. Für die innere Ausschmückung kommen dabei noch immer
arabische Ornamente, freilich meist sehr degeneriert, in Anwendung. Daneben finden
wir jedoch eine ganze Anzahl kleinerer Monumente, von Privatpersonen noch ganz
im Stil der zweiten Mamlukenperiode erbaut.
Die türkischen Moscheen sind schon aus der Ferne an ihren überschlanken,
einförmigen Minaretten mit spitzem, konischem Dache erkennbar. Ihre Kuppeln,
von unschönen Pfeilern umstellt, entbehren der hochstrebenden, eleganten Form der

Die Moschee Sissarije auf der Citadelle.


vorhergehenden Epoche.
So unschön und wenig
interessant diese meist
kleinen Bauten auch
sind, so dürfen wir sie
doch nicht ganz übergehen,
da sie als fremdartige
Erscheinungen in
den Straszen Kairo's
nicht selten unsere Aufmerksamkeit
auf sich
lenken.

Die Moschee
Sissarije.

Die älteste dieser
Moscheen, im Iahre
1528 von dem türkischen
Gouverneur Soliman-Pascha
auf dem

nordöstlichen Teile der Citadelle erbaut, wird nach dem Schekh Sidna Sarija
el-Gebel, Sissarije genannt. Ihr Aeuszeres mit einem Minarett, polygonalen Querschnittes,
mit zwei von Stalaktitenkörpern getragenen Galerieen, zeigt schmucklose und
monotone Formen der türkischen Zeit.
Das auf einem Unterbau gelegene Monument ist ein Centralbau, dessen
Haupteingang in dem mit bunten Marmormosaiken gepflasterten, von gewölbten,
auf achteckigen Pfeilern ruhenden Portiken umgebenen Vorhofe liegt, an dessen
Nordseite sich der Reinigungshof anschlieszt. In der nordöstlichen Ecke des Vorhofes

Die Moschee Sinan-Pascha.


steht, in den Portikus hineinragend, das Grab des Heiligen, welcher der
ganzen Anlage den Namen gegeben. Der kleine überkuppelte Raum enthält auszer
dem groszen, eigentümlichen Kenotaph Sidna Sarija's, unter dem sich eine Krypte
befindet, noch verschiedene einfache Denkmäler unbekannter Persönlichkeiten.
Die Moschee selbst besteht aus einem quadratischen, mittleren Raum mit
sphärischer Kuppel, an den sich nach drei Seiten hin die mit Halbkuppeln überwölbten
Liwane schlieszen, während an der vierten Seite, in flacher Nische der bereits
erwähnte Eingang liegt, über dem sich die Dikke als Balkon aufbaut.
Der Gebetsaal erhält sein Licht aus zwölf Spitzbogenfenstern in der Kuppel
und rechteckigen Lichtöffnungen zu ebener Erde. Die Läden der letzteren sind mit

skulptierten, besonderes sorgfältig ausgeführten Enterlaksmustern dekoriert. Ein
Sockel aus Marmormosaiken, in Weise der Mamlukenperiode, den ein Schriftfries
in mageren kufischen. Lettern abschlieszt, umzieht die Wände. Im Uebrigen ist
die innere Ausstattung der Moschee von keiner künstlerischen Bedeutung, jedoch entbehren
ihre Malereien in der Gesamtwirkung nicht eines gewissen Reizes.
Geschichtlich ist noch zu bemerken, dasz der Bau an Stelle der alten im
Iahre 1141 errichteten fatimiden Moschee Abu el-Manssur Kustah steht, deren
einziger, nachweisbarer Ueberrest—die Gründungstafel—eigentümlicher Weise

Der Gebetsaal der Moschee Sinan-Pascha.


über dem Eingang zu der Krypte, unter dem Kenotaph von Sidna Sarija eingemauert
ist.

Die Moschee Sinan-Pascha.

Bedeutender als die vorhergehende ist die in Bulak, der Hafenstadt Kairo's,
gelegene Moschee Sinan-Pascha aus dem Iahre 1571. Ihr quadratischer Gebetsaal
ist an drei Seiten von abwechselnd auf Säulen und Pfeilern ruhenden Hallen
umgeben. Die Trommel der groszen Kuppel, äuszerlich von zwei Reihen Strebepfeilern
gestützt, wird im Inneren in den Ecken von Spitzbogengurten getragen,
in denen eine eingebaute dreilappige Nische den Uebergang in den quadratischen
Raum vermittelt. Diese Konstruktionsweise, welche, wie das im 15. Iahrhundert
in der Abbassije erbaute Fadawije-Grabmal beweist, schon zur Zeit Kait-Bai's

bekannt war, sollte die charakteristische Uebergangsform in der Mausoleumskuppel
zur Türkenzeit in Egypten werden.
Aehnliche Grundrisz- und Bauformen wie die Moschee Sinan-Pascha zeigt
auch die Mohammed-Bai abu Dahab, des berühmten, aber wegen Verrats an
seinem Wohlthäter und Schwiegervater Ali-Bai el-Kibir zugleich berüchtigten Parteiführers.
Im Iahre 1770 neben der Ashar-Moschee erbaut, trägt sie in noch auffallenderer
Weise wie die eben erwähnte die Zeichen des Kunstverfalles an sich.
Ganz bezeichnend für die damalige Zeit und ein Beweis, dasz die Kultbauten
damals auch im Mamlukenstil errichtet werden durften, sind zwei Moscheen

Vorhof der Moschee Meleke Sofia.

im Quartier Daudije, von denen die eine 1610 als Centralbau, die andere 1628
im Mamlukenstil errichtet wurde.

Die Moschee Meleke Sofia.

Die erstere, von höchst unscheinbarem Aeuszeren, steht auf hohem Unterbau.
Zu ihrem von gewölbten Portiken umgebenen Vorhof führen plumpe, halbkreisförmige
Freitreppen. An ihn schlieszt sich südöstlich der quadratische Gebetsaal mit
einer auf sechs gigantischen Granitsäulen ruhenden Kuppel. Die Loge, die sich
die Erbauerin, Meleke Sofia, eine Prinzessin aus Konstantinopel, seitlich in einem
Zwischengeschosz errichten liesz und die von einer besonderen Treppe im Inneren
zugänglich, ist wohl die einzige Anlage dieser Art in Kairo, da Frauen an dem
gemeinsamen Gebet für gewöhnlich nicht teilnehmen.

Masgid des Schekh Ahmed el-Bordeni.

Die zweite, gleichfalls recht unscheinbar in ihrem Aeuszeren, mit hohem,
reich entwickeltem Minarette, welches einen auffallenden Kontrast zu den einfachen
Formen der Fassade des kleinen Gebethauses bildet, ist die Masgid des Schekh
Ahmed el-Bordeni. Von geradezu bezaubernder Wirkung ist das Innere, ein wahres
Schmuckkästchen, dessen glanzvolle Ausstattung in bunten musivischen Arbeiten hier
noch in künstlerischer Vollendung auftritt. Sehr bemerkenswert sind auch die schönen

Gebetsaal der Moschee Meleke Sofia.

Holzdecken, der fein ausgeführte Minbar, sowie die Friese und Medaillons in
der selten gebrauchten quadratischen Schreibweise, die wir bereits an dem Portale
der Muaijad-Moschee kennen gelernt haben. (Anm. zu Seite 89.)

Die Moschee Mohammed-Ali.

Die Entstehung der Moschee Mohammed-Ali auf der Citadelle fällt in die
erste Hälfte des verflossenen Iahrhunderts.*) Sie ist von einem griechischen Baumeister
und Werkleuten gleicher Nationalität nach dem Muster der Moschee Nuri
*) 1824–57.

Osmanije in Konstantinopel erbaut und verdient, gewissermassen als ein Werk der
Wiedergeburt nach langer Unterbrechung jeder Kunstthätigkeit in Egypten, unsere
ganze Bewunderung. Nicht sowohl als Kunstobjekt von hoher Vollendung, wirkt
sie durch ihr Aeuszeres und ihre groszartigen Raumverhältnisse im Inneren ungemein
imposant. Die grosze Mittelkuppel mit vier kleinen Eckkuppeln über dem
quadratischen Hauptraum ruht auf vier massigen Pfeilern. Im Inneren ist nur
noch das in türkischem Geschmack gehaltene Mausoleum des groszen Stifters bemerkenswert,

Kiblawand des Masgid des Schekh Achmed el Bordeni.

des Mannes, der die Befreiung Egyptens aus langer Sklaverei durchgesetzt,
den Verfolgungen der Andersgläubigen ein Ende bereitet und den Grund
zu der neuen aufgeklärten Zeit der Gegenwart gelegt hat.
Wie die Moscheen Konstantinopel's, hat auch diese einen groszen Vorhof mit
Reinigungsbrunnen. Seine gewölbten Portiken werden von Säulen aus gelblichem
Alabaster aus Benisuef in Oberegypten getragen. Mit demselben Material sind
auch die unteren Teile der meisten Mauern der ganzen Anlage verkleidet.

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111

Die Profanbauten.

Fast sämtliche Bauten der alten Stadt liegen in engen Straszen, die leichter
durch schattenspendende Decken vor den Gluten der Sonne zu schützen und deren
Bodenflächen mit geringen Mitteln feucht zu erhalten waren, oft in Quartieren,
deren vielfach gebrochene Gassen und Gäszchen ein unentwirrbares Straszennetz bilden.
Die gröszeren Moscheen standen einst wohl alle auf öffentlichen Plätzen, büszten
jedoch vielfach ihre freie Lage durch Verkauf der sie unmittelbar umgebenden Bauflächen
ein.

Der Vorhof der Moschee Mohammed-Ali.

Nur in dem neuen, vom Khedive Ismail geschaffenen Villenviertel des
modernen Kairo finden wir breite, nach europäischem System teilweise mit Bäumen
bepflanzte Boulevards, an deren Fluchten oft recht geschmackvolle, von üppigen
Gartenanlagen umgebene Landhäuser stehen, darunter einige in neuarabischem Stile
von nicht gewöhnlicher Schönheit.

Gewöhnliche Wohnhäuser.

Die Wohnhäuser in den alten Quartieren sind mehr oder weniger alle nach
demselben Prinzipe hergestellt.
Um einen Hof, zu dem von der Strasze aus ein gebrochener Gang, mit dem
Sitze des Thorhüters—Boab—, führt, gruppieren sich die Wohnräume des
Herrn—Salamlik—und die von Männern verwalteten Wirtschaftsräume, Ställe,

Handmühlen u. s. f., während die oberen Etagen der Familie—Harim—den
Frauen, Kindern und Sklavinnen vorbehalten sind.
Bei Familienfesten wird der Hof zum Empfang der männlichen Gäste mit
bunten Zeltdecken überdeckt und festlich geschmückt. Die Frauen sehen hinter vergitterten
Fenstern dem munteren Treiben zu, lauschen den Weisen der Sänger und
ergötzen sich an den Tänzen der Ghawasi und an den Kunststücken der Gaukler.
Das zum Harim führende schmucklose Stiegenhaus, dessen Thüre oft mit einem
bunten Teppich verhangen ist, liegt in einem möglichst abgelegenen Teile des Hofes.

Hof des Hauses Gamal ed-Din es-Zahabi, Schekhs der Kaufleute (1637 n. Chr.).

Seine Treppe mündet in ein von hohem Windfange—Malkaf—belichtetes und
ventiliertes Vorhaus. Von diesem betritt man die Ka'ah, das Hauptgemach des
Harims, einen langgestreckten Saal von beträchtlicher Höhe, der in drei Teile zerfällt,
die aber nur durch die Verschiedenheit der Fuszböden und Decken markiert sind.
Der mittlere, überkuppelte, häufig mit Springbrunnen ausgestattete Raum, Durka
genannt, dient eigentlich nur als Durchgang, sein bunter Mosaikboden bleibt stets
ohne Teppichbelag und seine Wände sind bis zu einer gewissen Höhe mit musivischen
Arbeiten geschmückt. An der der Eingangsthüre gegenüberliegenden Wand
baut sich auf vielgestaltigen, von zierlichen Säulchen getragenen Bögen eine Etagere
—Zufa—auf. Zu beiden Seiten der Durka schlieszen sich die um eine Stufe erhöhten
Liwane an, von denen der tiefere bei dem stets ceremoniellen Orientalen die

Ehrenseite vorstellt. Ihre horizontalen Holzdecken sind meist reich skulptiert und
werden von der Kuppel der Durka durch einen eigentümlich gebrochenen, auf
Stalaktitenkonsolen ruhenden Bogen geschieden, der dem Saale ein besonderes Gepräge
verleiht. Seine ganze Stirnseite wird von Muschrabijen mit Kamarijen
eingenommen, durch welche sich ein gedämpftes Licht in den Raum ergieszt, unter
dem die den orientalischen Kunstgebilden häufig anhaftenden, kleinen Mängel in
der Ausführung weniger hervortreten und die einförmigen weiszen Gypsstuckflächen
der Wände zwischen Täfelung und Decken, weniger monoton erscheinen.
Der Orientale bedarf zur Ausstattung einer Wohnung nur weniger Einrichtungsstücke.
Auszer Wandschränken an den Vertäfelungen der Liwane, deren

Die Ka'ah des Hauses Gamal ed-Din es-Zahabi.

Thüren meist in zierlichem Paneelwerk ausgestattet sind, gab es nur Truhen zur
Aufbewahrung von Wäsche und Kleidungsstücken und lange breite Diwane, die gleichzeitig
als Betten dienten. Zu den unentbehrlichen Einrichtungsgegenständen gehörte
aber vor allem noch ein niederes Tischchen polygonalen Querschnittes aus Holz,
mit Inkrustationen oder in ciseliertem Metall, zum Aufstellen von Leuchtern und
Laternen, welches als Untersatz einer groszen Metallplatte—der Sanije—, auch
als Speisetisch verwendet wurde. Im Hofe kommen noch mit Muschrabijen geschmückte
Sessel und Bänke vor.
Die Beleuchtungsgeräte der alten Zeit waren, nach der Form der im Arabischen
Museum erhaltenen zu schlieszen, höchst primitiver Art und denen der
Moscheen nachgebildet. Mit Vorliebe verwendete man in den zugigen Gemächern

Laternen—Fanus—in zierlich ausgeschnittenen. Metallblechen mit bunter Oerglasung.
Die einzige Oorrichtung zur Erwärmung der Räume bildete ein Kohlenbecken
aus getriebenem oder ciseliertem Kupferblech auf konisch geschweiftem Fusse,
welches auch heute noch verwendet wird. Diese für die grossen Räume wenig ausgiebigen
Heizvorrichtungen genügte für gewöhnlich den nicht verwöhnten Egyptern,
da für besondere Anlässe, wie Krankheitsfälle, ein fensterloses Kabinett in jedem
Hause vorgesehen war, welches in dem milden Klima hinlänglich Schutz gegen
tiefere Temperatur und Zugluft gewährte.

Die Durka des Mustaferchane-Palastes in der Gamalije.

Der Hauptraum des Salamiks ist die Mandara, welche der Ka'ah im Harim
entspricht und auch ähnlich ausgestattet ist. Ausserdem sind die beiden Loggien—Makad
und Tachtabosch—, Halbgeschosse an der Nordseite des Hofes, zu erwähnen,
die als Empfangsräume im Sommer dienen und mittels einer besonderen
Stiege vom Hofe aus zugänglich sind.
Die Fassaden dieser Häuser mit ihren den Moscheen nachgebildeten Portalen
und den Erkerbildungen in Muschrabijen der oberen, über das Erdgeschosz vorkragenden
Etagen verleihen den Strassenbildern Kairo's jenen unvergleichlichen
Zauber, der freundliche Erinnerungen an die alte Kalifenstadt bei jedem, der sie
einmal gesehen, fürs Leben wach erhält.
Das Eingangsthor, häufig in tiefer Nische, war in den Zeiten, wo die Emire

ihre Fehden noch in den Strassen ausfochten, vielfach mit breitköpfigen, zu geschmackvollen
Enterlaksmustern zusammengestellten Nägeln beschlagen.
Das ungegliederte, ganz

Kamarije.

aus Quadern errichtete Erdgeschoss
enthält gewöhnlich
Butiken, die gleichzeitig auch
als Werkstätten dienen und
deren Thüre die ganze Breite
des Raumes einnimmt, so
dasz die geschäftliche Thätigkeit
sich den Blicken der Welt
nicht entziehen kann. Wo
solche Geschäftslokale fehlen,
treten in der Fassade nur
kleine stark vergitterte Fenster
auf, deren Höhenlage es selbst
einem Reiter zu Kameel unmöglich
macht, das Innere
der Räume zu überblicken.
Abb. Seite 118 zeigt
Gebäude an dem nun zugeschütteteten
Khalidsch.
Die Wohnhäuser der
frühesten Perioden sind ganz
verschwunden und was an
Palastruinen aus späterer
Mamlukenzeit übrig geblieben,
ist zwar meist ohne namhaftes
Kunstinteresse, doch für
die Archäologie und Geschichte
der Architektur immerhin von
einiger Bedeutung. Ihre
Mauern, teilweise aus groszen
Quaderblöcken, stehen auf
einem Unterbau in gemischtem
Mauerwerk, dessen Spitzbogen-Tonnengewölbe
in
Bruchstein hergestellt ist. Auch
ihnen haben die Moscheen Vorbilder zu Portalen und Fenstern geliefert.

Paläste.

Die älteste uns bekannte Palastruine steht in der Strasze bein el-Kassren und,
wie die Sage will, auf einem Teil der Fundamente des groszen Fatimidenpalastes von
Mu'isz. Emir Beschtak hatte den Palast im Iahre 1330 erbaut. (Abb Seite 119.)
Die Ruine birgt im Inneren eine in ihrem schmucklosen Mauerwerk ziemlich
erhaltene grosse Ka'ah von ungewöhnlicher Höhe, die bis zum Schlusse der kleinen
Kuppel der Durka das ansehnliche Masz von 26 Metern erreicht. An ihrer Decke,
sowie an denen einiger Nebengemächer finden sich noch Reste einer reichen Ornamentierung,
die den Kassettenverzierungen der Moschee Naszir auf der Citadelle ähnlich
ist. Die hohe Hauptfassade hat im Erdgeschosse Butiken mit Spitzbogenöffnungen,
in der oberen Etage sind noch einige Muschrabijenverschlüsse erhalten, die teilweise
von dem ursprünglichen Bau herrühren sollen. Die jetzt noch vorhandenen schief
gestellten Holzkonsolen im Terrassenniveau trugen, nach Angaben alter Schriftsteller,

Vertäfelungen der Liwane in einer Ka'ah des Mustaferchane-Palastes.

welche den Palast als den höchsten Bau Kairo's bezeichnen, die vorkragende Fassade
der unterdessen verschwundenen obersten Etage.
Sein im Laufe der Iahrhunderte vielfach umgebautes Innere dient heute
trotz seines verwahrlosten Zustandes armen Leuten teils als Wohnung, teils als
Magazine der verschiedensten Art.
Ein anderer Palast aus Mamlukenzeit liegt in der Strasze Sijufije. Er wurde
1352 von Emir Taz angelegt, 1679 von Ali Agha Khasnadar es-Sa'ade umgebaut
und in den siebziger Iahren des vorigen Iahrhunderts als Mädchenschule eingerichtet.
Sein groszer Hof mit interessantem Mak'ad, an dem sich noch das
Wappen Emir Taz befindet, verlor durch Teilung seine ursprüngliche Groszartigkeit.

Auszer diesem Mak'ad, einer groszen Ka'ah in der ersten Etage und dem Stalaktitenportal
enthält der Palast nichts Bemerkenswertes.
Von weit gröszerem

Kursi Sultan Mohammed Naszir's in Bronze und Silber mit interessanten historischen Inschriften (13. Iahrh.).

Interesse für die Kunst als
die vorhergehenden ist die
Ruine des Palastes, den Emir
Qaschbek 1476 in unmittelbarer
Nähe der Moschee Sultan
Hassan erbaute und welcher
auch unter dem Namen
Serajet Bardak bekannt ist.
Emir Qaschbek Sef ed-Din,
der unter Sultan Kait-Bai
erster Staatssekretär und
Generalissimus der Armee
gewesen, fiel 1480 vor den
Mauern von Edessa in Syrien.
Das Innere der Ruine
bietet heute kahle Wände.
Nur die einstige Ka'ah lenkt
in ihrer ungewöhnlich groszen
Ausdehnung und in ihrem
den Moscheen nachgebildeten
Fenstersystem mit runden Medaillons
unsere Aufmerksamkeit
auf sich.
In der Fassade aber
finden wir noch eine groszartige
Portalanlage mit Vestibül,
den einzigen ornamentierte
Rest des Palastes, welcher
den Stürmen der Zeit
getrotzt hat. Sie besteht aus
einer tiefen, mit Stalaktiten
überkuppelten Nische, in der
Hintergrund sich der mit
prächtigen Marmormosaiken
geschmückte und mit reich
ornamentierten Entlastungsbogen
ausgestattete Eingang
befindet. Die Flachnische, die ihn birgt, bildet für sich ein reiches Portal, welches
ebenfalls von Stalaktiten und sphärischer Halbkuppel geschlossen wird, auszen erscheinen
die Wappen des Emirs. Ein breiter Tiras in Mamlukenschrift zieht sich
in doppelter Manneshöhe über die ganze Anlage hin. (Abb. Seite 120.)
Nur im Vorübergehen sei noch das in dem Stadtviertel Suk es-Salach gelegene
Portal des im übrigen ganz verschwundenen, etwa zehn Iahre jüngeren Palastes
des Emirs Sef ed-Din erwähnt.
Von weniger monumentaler Ausführung, als die eben besprochenen, ist der
fälschlich als Palast Kait-Bai bezeichnete arabische Bau in dem Quartier Tabbanah,

Gebäude an dem nun zugeschütteten Khalidsch.

der zwar auf Befehl des Sultans 1485 errichtet wurde, jedoch nicht zu
seiner persönlichen Benutzung, sondern als Zinshaus, dessen Rente einer seiner
vielen Stiftungen zu gute kommen sollte.
Die Abbildung Seite 121 zeigt eine Hoffassade mit Loggienbau, dessen
drei gestelzte Kielbogen von Marmorsäulen mit Stalaktitenkapitellen getragen
werden. Die Markise, welche die Arkade einst beschattete, ist verschwundeu, dagegen
wurde später in dem rechten Bogen ein unschöner, kleiner Balkon aus Holz vorgebaut.

Rechts davon in einfacher Flachnische der Aufgang zu dem Mak'ad, links
im Untergeschosse die Thüren der Wirtschaftsräume und in der Ecke, gleichfalls in
flacher Nische, die Harimsthüre. An den übrigen Fassadenteilen erscheinen in zwei
Etagen Muschrabijenerker und über der Terrasse die Reste eines Malkaf's.
Das Haus ist gegenwärtig im Besitze eines Privatmannes.
Im Inneren der Fatimidenstadt,

Palast des Emir Beschtak (1330).

unfern des Muristan Kala'un, steht noch
ein durch seine fünf groszen Spitzbögen
des Makad's*) von den vorhergehenden
sich auszeichnender Palast, der unter dem
Namen Bet el-Kadi bekannt ist und der
etwa zwölf Iahre später als der letzterwähnte
von Mamay, einem General
des Sultans Kait-Bai, erbaut worden
war. Er bietet auszer seinem Makad
nichts Sehenswertes.
Mehr ihres malerischen Gesamteindruckes
als ihres Kunstwertes wegen
erwähnen wir noch die Palastruine Raduan-Bai,
eines Mamlukenchefs unter
Ali Bai el-Kibir. Sie liegt südlich von
Bab Suele in einem an den Schuhmacherbazar
grenzenden Stadtviertel und
ist etwa 1766, also schon zur Zeit des
vollen Kunstverfalles erbaut.

Okellen.

An die Wohnhäuser schlieszt sich
eine Art Hofanlage zur Aufnahme der
Karawanen an. Die ebenerdigen, gewölbten
Lokalitäten, die um den Hof
liegen, dienten als Warenmagazine und
Ställe für Lasttiere, während sich in den
oberen Etagen die Wohnräume befinden.
Diese Gebäude, von den Europäern nach
dem arabischen Wort Wukala Okellen genannt,
waren in der Regel von reichen
Kaufleuten oder auch von Groszen des Reiches, deren Wappen an einigen Portalpfeilern
noch erhalten, als Spekulationsbauten aufgeführt, haben aber seit Eröffnung
des Suezkanales, der Oervollkommnung der Nilschiffahrt und der Ausdehnung des
Eisenbahnnetzes bis in den Sudan, wodurch der Karawanen-und Transithandel
Kairo's wesentlich eingeschränkt wurde, ihre einstige Bedeutung ganz verloren.
*) 12 Meter hoch.
Fast alle in Ruinen oder durch Einbauten ganz verändert, machen sie heute meist
einen recht kläglichen Eindruck, dennoch sind einzelne darunter für den Kunstfreund
noch immer von grossem Interesse wie z. B. die Sultan Kait-Bai's aus
dem Iahre 1480, welche südlich an Bab en-Nasr stösst. (Abb. Seite 122.)
Die östliche Fassade des dreistöctigen Gebäudes, die samt ihrer Fensterverschlüsse
und einigen Chüren*) der Butiken leidlich erhalten ist, bietet in thren Formen den

Das Portal des Palastes des Emirs Naschbek Sef ed-Din (gest. 1480.)

Anblick einer charakteristischen Fassadenschöpfung des 15. Iahrhunderts. Die oberen
Etagen sind vorgebaut und ruhen auf Konsolen. Ein hohes, einfaches Portal
führt durch ein Oestibül mit Stengewölbe in den grossen, von Galerieen umgebenen
Hof, dessen unteres Geschoss heute als Magazine an Induftrielle vermietet, während
die oberen Etagen von armen Leuten bewohnt werden.
*) Eine derselben befindet sich im Arabischen Museum.
Die in Flachrelief auf den Balken der Hauptfassade erscheinenden Schriftfriese
erzählen uns, dasz Sultan Kait-Bai das Erträgnis der Okella Mekkapilgern bestimmt
hätte, während die auf Stein gemeiszelte Inschrift am Portal den Zorn
des Himmels auf alle jene herabruft, die durch Veruntreuung der Einkünfte die
Pilger schädigen sollten.
Viel reicher an Ornamenten ist eine andere Okellen-Ruine desselben Herrschers,
neben der Aschar-Moschee. Obzwar nur teilweise in dem Erdgeschosz ihrer
Hauptfassade und dem dazugehörigen Sebil erhalten, birgt sie in ihrem Medaillon-

Hof eines Hauses im Quartier Tabbanah (von Kait-Bai 1485 erbaut).

und Friesenschmuck eine unendliche Fülle der geschmackvollst kombinierten Ranken
und eigenartig verknoteten Bändern, die längst schon die Aufmerksamkeit der Kunstkenner
erweckt hatte und die zu dem Schönsten gezählt werden musz, was die arabisch-egyptische
Kunst während ihrer Glanzzeit geschaffen.
Zu erwähnen bleibt noch die Okella Sultan el-Ghuri, deren Ausschmückungsweise
zwar nicht mehr auf der Höhe der Kunstleistungen steht, die aber nicht übergangen
werden darf, da sie uns ein annähernd vollständiges Bild eines solchen
Baues aus der letzten Tscherkessenzeit bietet. Ihre Lage in dem engen Tablita-Gäszchen
macht es leider unmöglich, ihre imposante, ziemlich in den ursprünglichen

Formen erhaltene Fassade vollständig zu überblicken. Die Hoffassaden sind durch
häszliche moderne Umbauten ganz entstellt.

Oeffentliche Bäder.

In den volkreichen Stadtvierteln begegnen wir öfters fensterlosen Gebäuden,
deren Fassaden mit ihren den Moscheen ähnlichen Portalen von flachen, schmucklosen
Kuppeln überragt werden. Es sind öffentliche Badeanstalten, welche im Leben der
Orientalen eine so bedeutende Rolle spielen. Aur selten als Doppelanlage errichtet,
werden die den Frauen reservierten Stunden durch Aufhängen weiszer Tücher über
den Thüren bekannt gegeben.

Oestliche Fassade der Okelle Kait-Bai.

Beim Eintritt in die Anlage stoszen wir zuerst auf den Meslakh, einen ungeheizten,
durch Oberlicht erhellten, gewöhnlich mit Springbrunnen ausgestatteten
Raum mit Divanen, welcher die Klienten vor und nach dem Bade aufnimmt,
und in dem die Eintrittskarten gelöst werden, Kaffee und Nargilech verabreicht wird.
Im Sommer dient er auszerdem als Auskleidezimmer. Von hier führt ein Korridor
in das wenig erwärmte Bet el-auel, dem Auskleidezimmer während der kälteren
Iahreszeit, an das sich die kreuzförmige Harara, das römische Caldarium, mit
Warmwasser-Springbrunnen anschlieszt. Kleine Badezellen mit gemauerten Badewannen
und kleinen Waschbecken an den Wänden gruppieren sich um dasselbe.
Diese Bäder, gewöhnlich Spekulationsunternehmungen, sind von höchster Einfachheit,
—Wände mit glattem Kalkstuck und Decken in gegossenen Gipsgewölben,
deren Flächen von geometrisch gestalteten, mit bunten Gläsern geschlossenen kleinen

Oeffnungen durchbrochen sind, durch die sich das Licht in den Raum ergieszt und
Fuszböden mit hellgrauen Marmorplatten—das ist ihre ganze innere Ausstattung.
In früheren Zeiten aber scheinen diese Anstalten teilweise reich und künstlerisch
ausgestattet gewesen zu sein. Wenigstens spricht die Ruine eines Meslakh aus dem

Meslakh in dem von Sultan Ghuri erbauten öffentlichen Bade.

15. Iahrhundert*) für diese Annahme. Die Trommel der eingestürzten Kuppel des
kreuzförmigen Saales zeigt breite Schrift- und Rundbogenfriese und wird von reichen
Stalaktitenpendentifen getragen.
*) Von Sultan Muaijdad.

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124

Die Monumente der Nekropolen.

Die mohammedanischen Friedhöfe liegen heute nach Unterdrückung der kleineren
im Innern der Stadt, sämtlich im Osten Kairo's auf dem Terrain der Arabischen
Wüste, die sich nicht unbedeutend über die Flächen des Kulturlandes erhebt. Sie
umfassen zwei, durch den Bergrücken des Mokattam getrennte grosze Nekropolen,
deren nördliche von Europäern ganz willkürlich als Kalifen-, die südliche als Mamluken-Gräber
bezeichnet werden. Iede derselben besteht aus einer Anzahl von
Friedhöfen, die ihre besonderen Benennungen nach Personen oder Orten erhielten.

Meschhed des Emir el-Giyusch.

Wir finden hier keine Denkmäler geschichtlich bekannter Persönlichkeiten aus
der ersten Zeit des Islams, nur einige Kenotaphe mit Marmor-Grabstelen aus
der Tulunidenperiode und Inschriften auf Holz aus der Eijubidenzeit sind vorhanden.
Dagegen steht zwischen den Nekropolen auf hohem gegen die Karafe
schroff abfallenden Felsrücken ganz isoliert die Ruine eines Meschhed's mit der
Gruft des Emir el-Giyusch, eines Sohnes Bedr el-Dschemali's, des bekannten Grosz-Wesirs
Sultan Abu Tamim el-Mustanser.
Dieses Felsenplateau ist nach dem Volksglauben der bevorzugte Aufenthalt
der, “Ginn”, Wesen voradamitischen Ursprungs, die jede Gestalt annehmen und
sich nach Belieben unsichtbar machen können. Hier war es auch, wo Sultan Hakem,
der an dieser einsamen Stelle seine göttlichen Inspirationen von Allah empfing,
dem Dolche des von seiner Schwester gedungenen Mörders erlag.

125

Der Eingang des kleinen, weithin sichtbaren Baues liegt in der nordwestlichen
Fassade im Unterbau des noch in den ältesten Formen erbauten Minarettes, führt
direkt in den unbedeckten kleinen Sachn, an den sich der gewölbte, in byzantinischpersischem
Geschmack dekorierte Gebetsaal anschlieszt. Seine Kibla bedecken fatimidische
Schriften, die durch häufige Uebertünchungen ihre Feinheiten verloren haben.
Links ruht der Stifter, dessen Grab jedoch irrtümlicherweise allgemein für das seines
Oaters gehalten wird. Die Sage fügt hinzu, dasz Bedr el-Dschemali diese hochgelegene
Ruhestätte deshalb gewählt hätte, um auch nach dem Tode seine tief unten
in sieben Mausoleen der Karafe—Friedhof—beigesetzten Lieblingsfrauen mit
seinen verklärten Augen schauen zu können.
Die Nekropolen enthalten keine Fatimiden-Mausoleen. Soviel wir wissen,
lagen dieselben in der Stadt, dort wo heute noch der grosze Bazar Khan el-Khalili
steht. Die orthodoren Eijubiden hatten die Gräber dieses schiitischen Fürstengeschlechtes
gleich zu Beginn ihrer Herrschaft zerstört und ihre Leichen in alle Winde
zerstreut.
Die der Eijubiden wurden zwar nicht gewaltsam zerstört, verschwanden aber
gleich jenen, ohne dasz man heute mit Sicherheit ihre einstige Lage bestimmen
könnte. Eine Ausnahme hiervon bildet das uns bereits bekannte Mausoleum
Salach Nigm ed-Din's in der Stadt und das des Imam esch-Schafa'i in der südlichen
Karafe.
Von den Mausoleen der Bachriten sind in den nördlichen Nekropolen nur
einige vorhanden, wie die Tengisije und Tauliyyah, die übrigen muszten, wie es
scheint, denen der Tscherkessen Platz machen. Letztere sind teilweise noch gut erhalten
und bilden in der nördlichen Karafe eine Gruppe sehenswerter und interessanter
architektonischer Gebilde.
Nach dem Untergange der Dynastien, welche diese schönen Bauten geschaffen
hatten und nachdem den Monumenten die Einkünfte der zu ihrem Unterhalte gestifteten
Dotationen nicht mehr zu Gute kamen, überlieszen die modernen Egypter
in ihrer Gleichgiltigkeit für das alte Erhabene und in dem gänzlichen Mangel jeglichen
Kunstverstädnisses, sowie in dem Glauben dasz alles auszer Allah hinfällig sei
und zu Grunde gehen müsse, dieselben ganz ihrem Schicksal.
Erst zu Anfang der achtziger Iahre des verflossenen Iahrhunderts wurde
unter der aufgeklärten Regierung des Khedive Tewfik ein Komitee zur Beaufsichtigung
und Erhaltung der arabischen Monumente in Egypten ernannt, das aus
Fachmännern und Kunstfreunden aller Nationen zusammengesetzt wurde. Sein erfolgreiches
Wirken ging auch an der einheimischen Bevölkerung nicht spurlos vorüber,
die nun auch Interesse an den Bauwerken ihrer alten Sultane gewann.
Die Denkmäler in den Nekropolen waren samt dem umliegenden Terrain
seit undenklicher Zeit in Händen autorisierter Totengräber, welche unumschränkt
darüber verfügten. Sie begnügten sich nicht mit der Errichtung neuer Grabanlagen
dicht um die alten Monumente, sondern verkauften auch einzelne derselben, in denen
sie neue Grüfte hergestellt und, um späteren Reklamationen vorzubeugen, die alten
Namen ausgemeiszelt hatten. Auch kam es vor, dasz einzelne Ruinen geradezu als
Steinbrüche ausgebeutet wurden.

126

Die kleinen, auf einem Unterbau von ein paar Stufen errichteten Grabmäler—Tarkibe—denen
wir in den Nekropolen begegnen, sind über paarweise angelegten
Grüften erbaut. Ist für beide Geschlechter nur ein Raum vorgesehen, so
wird derselbe durch eine Mauer für Frauen und Männer getrennt. Iedenfalls
müssen die Grüfte so hoch gewölbt sein, dasz der Verstorbene bei dem Besuche der
beiden Todesengel Munkar und Nakir, die in der Nacht, welche der Beerdigung
folgt, erscheinen, um seine Seele zu prüfen, sich aufsetzen kann. Auf Sand gebettet,
in weisze Tücher gehüllt, das Gesicht gegen Mekka gerichtet, ruhen hier die von
Allah Abberufenen.
Der Begüterte erbaut gröszere Grabanlagen und erwirbt zu diesem Zwecke
eine Grundfläche, die er mit Mauer oder Holzwand umgiebt.
In diesem Hofraume, Hosch genannt, errichtet er über den Grüften seiner
Familie und Sklaven in Marmor oder Stein sorgfältig ausgeführte Kenotaphe, die
unter freiem Himmel oder unter Baldachinen, auch in geschlossenen Kuppelräumen
stehen und mit Stelen oder Säulchen, Schahid, aus Marmor geschmückt sind. Ihre
Inschriften enthalten biographische Notizen und Koransprüche, während ihre Bekrönung
in Tarbusch-oder Turbanform das Geschlecht der Beerdigten verrät.
Der Hosch der Groszen des Reiches enthält gewöhnlich auch ein Sebil und
Wohnungen für die Frauen, die sich an den Gräbern ihrer Dahingeschiedenen
während der Totenfeste tagelang dem Gebet und den Werken der Barmherzigkeit
widmen. Diesen Bauten schlieszen sich noch Gebäude für Verwalter und Dienerschaft,
sowie Ställe für Zug- und Reittiere an.
Während dieser Totenfeste entfaltet sich in den sonst so stillen und menschenleeren
Nekropolen ein überaus reges und lärmendes Treiben, ein Menschengewoge
zwischen Wagen und Reittieren, alles beladen mit Palmenzweigen und Blumen
zum Schmuck der Gräber und Liebesgaben zur Verteilung an Arme.

Die Mamluken-Gräber.

Die Abbildung Seite 127 der Mamluken-Gräber ist von einem Abhange des
Mokattam östlich dicht hinter der Citadelle aufgenommen. Das Monument mit
kleiner vorgebauter Kuppel in der Mitte des Vordergrundes ist das Mausoleum
eines Mamluken des Sultans el-Ghuri, zur äuszersten Rechten der Hosch es-Sultanije
mit zwei Kuppeln und zwei Minaretten, hinter ihm am Ende der Nekropole das
Mausoleum des Sultans Khalil aus der ersten Mamlukenzeit. Die meisten dieser
Monumente gehören der zweiten Mamlukenperiode an.
Die bereits genannte, von el-Ghuri erbaute Wasserleitung, welche lange Zeit
Saladin zugeschrieben wurde, zieht sich von Bab el-Karafe in gebrochener Linie über
den Mittelgrund der Abbildung zum Nil hin, ganz im Hintergrund erscheint die
Lybische Wüste mit den Pyramidenfeldern.
Die Hauptstrasze der Totenstadt läuft von Bab el-Karafe zwischen meist
unbedeutenden, alten und modernen Gräbern, zwischen denen sich links zuweilen ein
malerischer Blick auf das nahe Felsengebirge oder auf ein, im Hintergrund stehendes,

Ansicht der Mamluken-Gräber von Norden aus.

interessantes Monument öffnet, wie z. B. auf eine alte undatierte Kuppel mit
Laterne—die einzige dieser Art in Kairo—in der ein fantasiereicher Kunsthistoriker
das Prototyp der Italienischen Renaissancekuppeln erkennen wollte, oder
auf die, den Reisenden gewöhnlich als Mamlukenschlosz bezeichnete, auf einem Vorsprung
des hier fast senkrechten Kalkfelsens des Mokattam von Schahin Khalawati
im Iahre 1533 erbauten Moschee, bis zu dem groszen Friedhof der südlichen

Grabmal des Osman-Bai Kardaghli und des Abd er-Rachman-Bai (17. Iahrh.)

Nekropole, der nach dem dort stehenden Mausoleum des Gründers einer der vier
orthodoren Sekten des Islams den Namen Imam Schafa'i erhalten hat. Letzterer
lebte in Kairo zwischen 105 und 204 der Hedschra.
Schon bald hinter dem Stadtthore fällt rechts ein im 17. Iahrhundert
in Baldachinform erbautes Grabmal, mit den Kenotaphen von Osman-Bai
Kardaghli und Abd er-Rahman-Bai auf, links aber in einiger Entfernung bemerken
wir auf halber Höhe des Mokattam eine kleine Gartenanlage—eine
wahre Oase in der baumlosen Wüstenfläche, zu welcher eine hohe steinerne Freitreppe

Kloster der Bektaschi-Derwische.

hinaufführt. Sie umschlieszt das kleine, unbedeutende Kloster der Bektaschi,
eines türkischen Derwisch-Ordens, der einst von groszer Bedeutung, nach Vernichtung
der Ianitscharen im Iahre 1826, zu denen er in engster Beziehung stand,

Begräbnistätte der Derwische.

sein früheres Ansehen einbüsste, auch in Kairo werden die Klosterbrüder heute
nicht sehr hoch geachtet. In dem Hofe öffnet sich ein alter, tief in den Mokattam
getriebener Steinbruch aus Pharaonenzeit der, wie die Inschrift über der Eingangsöffnung
lehrt, seit 1453 als Begräbnisstätte der Derwische dient. Ganz am
Ende derselben wird das Grab ihres ersten Schekhs gezeigt, den die Inschrift einer

Das Mausoleum Imam Schafa'i.

modern aussehenden Holztafel als Sultan bezeichnet. Die Verleihung dieses Titels
an das Oberhaupt eines Derwischordens steht in der Geschichte nicht vereinzelt da.
Die Lage dieser einsamen Niederlassung ist von unvergleichlicher Schönheit
und Poesie. Vom Garten ein groszartiger Blick auf die Stadt, das Nilthal und
die Wüste, vom Hofe aus auf das hohe, von malerischen Baumgruppen der süszduftenden
Acacia Nilotica und der in rotvioletten Blättern prangenden Bougainvillea
beschattete Felsenthor, das zu den Stätten des Todes führt, aus deren tiefem Dunkel
die hellen Kenotaphe hervorleuchten. Kein Wunder, dasz die Prinzessin Brillanta

Hanem, eine Gemahlin von Abbas I., sich diesen poetischen Winkel, wo sie unter
kostbarem Denkmal beigesetzt ist, als letzte Ruhestätte gewählt.
Das Mausoleum Imam Schafa'i wurde in der zweiten Hälfte des 13. Iahrhunderts
von der Meleke Schemse, der Mutter Sultan Kamel's, die hier in einer
besonderen Gruft begraben liegt, errichtet. Aus einem mit breitem Zinnenfries abgeschlossenen
kubischen Unterbau steigt ein an den Ecken abgefaszter, gleichfalls
zinnenbekrönter Aufbau empor, dessen hohe schwarzblaue, bleibedeckte Kuppel weithin

Das Innere des Mausoleums Imam Schafa'i.

sichtbar ist. Seine Dekorationen wurden vor einigen Iahren nach den an den alten
Mauern erhaltenen Resten der Gipsskulpturen, erneuert.
Das Innere ist reich mit Ornamenten byzantinisch-arabischer Weise gemalt
und mit Holzskulpturen ähnlicher Formen geschmückt. An den unteren Teilen der
Wandflächen zieht sich eine breite Vertäfelung in bunten Marmorplatten hin. Ein
auf Konsolen ruhender achteckiger Holzkranz mit schönen Inschriften, etwas unterhalb
der Kuppelpendentife, dient zum Aufhängen von Oellämpchen bei festlicher
Beleuchtung.
Der Kenotaph des Imam, mit prächtigen Holzskulpturen ausgestattet, steht
unter hölzernen Baldachin, vor dem ein Schahid, mit arabischer Rundschrift bedeckt
und zwei grosze Moscheenleuchter aufgestellt sind.
Das Mausoleum, dessen Inneres Ungläubige nur ausnahmsweise betreten
dürfen, genieszt als Wallfahrtsort einen ungewöhnlichen Ruf. Alljährlich bei

Der Kenotaph Ibrahim-Pascha's.

Wiederkehr des Geburtstages des Imam's entfaltet sich hier ein festliches Treiben,
zu dem das Volk aus nah und fern herbeiströmt. Die Heiligkeit des Ortes hat
auch seiner nächsten Umgebung einen solchen Nimbus verliehen, dasz der Boden
hier mit Oorliebe als Begräbnisstätte gewählt wird. So hat auch Mohammed-Ali
den viceköniglichen Hosch in unmittelbarer Nähe des Mausoleums errichten lassen.
Um ihn entstanden bald kleinere Grabanlagen, die aber alle von keiner Bedeutung
für die Kunst sind.
Abbildung Seite 132 zeigt den Kenotaph Ibrahim-Pascha's, des bekannten
Heerführers und Sohnes Mohammed Ali's, der schon in den letzten Lebensjahren
des Vicekönigs einen regen Anteil an den Regierungsgeschäften genommen hatte,
1848 die Regentschaft übernahm, aber schon nach wenigen Monaten kurz vor
Mohammed-Ali starb. Das prächtige, ganz mit Schriftfriesen und türkischen
Ornamenten bedeckte Monument, baut sich in drei Absätzen auf zwei niederen
Stufen auf.
In ganz entlegener Gegend, fast am Ende der Nekropole, stehen zwei kleine
Grabmonumente, welche wir früher bereits erwähnt. Die einst mit reichen Holzskulpturen
geschmückte Tarkibe, von Sadet el-Taalbe, enthält jetzt nur noch eine

Mausoleum Iachja Schabihi.

Stele—aufrechtstehende Platte—mit Inschriften der ältesten Formem des Naskhi,
während das Mausoleum des Iachja Schabihi—des Propheten Aehnlichen—eines
Verwandten Seidna Hossen's, gut erhalten ist, da es unter der Obhut einer
angesehenen Familie Kairo's steht. Es enthält in seinem Inneren zwei Räume.*)
Der erste mit gemauerten Kenotaphen in deren Seitenwände teilweise Marmortafeln
eingelassen sind, deren kufische Schriftzeichen denen der Gründungstafel in der Tulun-Moschee
auffallend gleichen. Die eine davon trägt das Datum 26. Iuni des
Iahres 875. Diese Kenotaphe sind mit meisterhaft skulptierten, etwa 15 Centimeter
breiten Holzfriesen in karamatischer Schrift bekrönt.
*) In dem zweiten Raum liegt Ismain Assem-Pascha, ein hoher Würdenträger Mohammed Ali's begraben.
Das Mausoleum mag nach Dr. von Berchem in VI. Iahr. d. H. erbaut,
aber später öfters restauriert worden sein. Ueber seiner schmucklosen, kahlen Fassade
ragt eine kleine Kuppel in Zwiebelform, mit Wülsten dekoriert, denen im Inneren

Mausoleum Iachja Schabihi.

Kannelüren entsprechen. An einer seitlich anstoszenden Wand finden wir Reste
einer in Tulunidenornamentem ausgestatteten Kibla, aus denen wir schlieszen können,
dasz hier schon während der ältesten Zeiten der mohammedanischen Herrschaft
Grabmonumente gestanden haben.

Die Kalifen-Gräber.

Nicht so alt wie die eben besprochenen, aber viel bedeutender in ihrer architektonischer
Erscheinung, sind die Grabmonumente, welche vor Bab el-Hattaba an
der nördlichen Seite des Mokattam, teils zwischen den Schutthügeln der östlichen
Stadtmauer und dem nahen hohen Felsgebirge, teils auf breiten Wüstenflächen
erbaut sind.
Die nördliche Gruppe der Monumente dieser Totenstadt enthält die Mausoleen
der Tscherkessen-Sultane, von denen einzelne gut erhalten und von hoher künstlerischer
Bedeutung sind.
Dicht vor dem einstigen Bab el-Hattaba, noch ehe wir die Karafe betreten,
fällt uns eine turmartige Kuppel mit breitem Schriftfries auf, zwischen dessen
Lettern das Wappen eines unbekannten Emirs eingemeiszelt ist. Der Volksmund
nennt das Monument Kubbet el-Mansi.
Durch den vor einigen Iahren erfolgten Abbruch des uninteressanten und
modernen Stadtthores wurde das schöne, in den Felsen gehauene Sebil des Emir
Scheikhu aus dem Iahre 1354 freigelegt. Von hier aus eröffnet sich uns ein
trostloser Blick auf einen modernen Friedhof mit einfachen Tarkiben und Hosch' der
primitivsten Art und die Schutthügel vor den östlichen Stadtmauern. Eine schmale

Friedhof vor Bab el-Hattaba.

steinige Wüstenfläche trennt ihn vou dem groszen Friedhofe Afifi mit einzelnen
Tscherkessenmonumenten, um die neue Gräber angelegt sind. Gleich an ihrem
Südende befindet sich, zur Rechten des Weges die moderne, umfangreiche Grabanlage
eines Groszen des Landes, Ibrahim-Pascha's, mit imposantem Portale.
Dicht dahinter, gegen Osten das alte Mausoleum Sadat es-Schanachr, jenseits aber
des nahen Eisenbahndammes steht auf Wüstenhügeln das eigenartige Monument
der Tengisije und das Mausoleum Wesir Tengis. Dann folgen am Hauptwege
rechts einige Grabmonumente in Baldachinform, mehrere einfache Tränken, eine
grosze, ornamental reich ausgestattete Grabkuppel, der das Volk den Namen
el-Aschraf Asromak beigelegt und eine kleinere, gleichfalls undatierte Kuppel—Kus
el-Assal—in deren Kuppelornamenten türkisenblaue Tropfen aus emaillierter

Fayencemasse eingesetzt sind, die sich von dem lichten Okergrunde prächtig abheben
und schon von weitem unsere Blicke auf sich lenken.
Noch etwas weiter gegen Norden, da wo die Verlängerung des in die Schutthügel
vor dem Stadtthor El-Ghoraib eingeschnittenem Weges die Haupistrasze der
Karafe kreuzt, liegt der Hosch der Familie Sultan Naszir's. Ursprünglich von
bedeutender Ausdehnung, wurde er im Laufe der Zeit in mehrere ummauerte

Mansoleum, der Sitt Khawand Um Anuk zugeschrieben.

Friedhöfe abgeteilt. In
einem derselben steht das
anepigraphische Mausoleum
einer Prinzessin,
welches unter dem Namen
Kubbet Sitt Khawand
Um Anuk bekannt
ist. An seinen hohen
Kuppelraum, an dessen
Trommel sich noch Fragmente
eines breiten.
Schriftfrieses in Fayencen
vorfinden, schlieszt sich
seitlich ein, in mächtigen
Spitzbogen-Tonnen gewölbtes,
nach einer Seite
offenes Oratorium, das
reich mit Gipsskulpturen
dekoriert ist.
Eine ähnliche Grabanlage
enthält der benachbarte südlich gelegene
Hosch der Khawand
Tolbije.
Auf den nahen Schutthügeln
zur linken Hand
stehen Windmühlen, die noch vor wenigen Iahrzehnten im Dienst der Müller ihre
riesigen Flügel schwangen, heute durch Dampfmühlen in der Stadt ersetzt, nur noch
Marksteine der Orte darstellen, von denen sich der herrlichste Ausblick auf die in
lichte Sandflächen gebetteten Tscherkessen-Denkmäler bietet.

Hosch Kait-Bai.

Im Vordergrund, gegen Nordost, fällt vor allem andern das hochstrebende
elegante Minarett neben der mit feinem Netzwerk bedeckten Kuppel der Medresse
von Sultan Kait-Bai el-Melek el-Aschraf abul Naszir auf. Die Länge des Hosches
betrug einst 300 Meter. Ein halbverschüttetes Thor in der alten Einfriedigung
markiert noch die südliche Grenge, während das nördliche vor einigen Iahrzehnten
wegen Baufälligkeit abgetragen werden muszte. Die einstige Baufläche wird von

Grab-Moschee des Sultans Kait-Bai (erbaut 1463).

Neubauten derart bedeckt,
dasz ihre ursprüngliche Breite
nicht mehr festgestellt werden
kann. Dagegen wird die
Breite des groszen Hofes*)
der Anlage durch die Ruine
der Tekkije und durch die
ihr gegenüberliegenden des
einstigen Verwaltungsgebäudes
bestimmt. An der
Südseite des Hofes liegt das
kleine zierliche Denkmal Kait-Bai's.
Sein Hauptportal
führt in ein reich ausgestattetes
Vestibül, in dem der
Sultan zeitweise Audienzen
erteilt haben soll. Aus dem
Plan, einem typischen Beispiele
der zweiten Mamlukenperiode,
ist die Bestimmung
der einzelnen Räume
ersichtlich (Abb. Seite 90).
Das in der Nordostecke
des Gebäudes errichtete
Mausoleum enthält die einfachen
Kenotaphe des Sultans
und seiner Schwester.
Unter kleinen Baldachinen
werden einige Fuszabdrücte
in dunkler Schlacke, angeblich
die des Propheten, gezeigt,
welche der Sultan einst
aus Mekka mitgebracht haben soll.
Grab-Moschee des Sultans Kait-Bai (erbaut 1463.)
Die Frauen Kait-Bai's ruhen in einer Halle des Untergeschosses, die sich auf
einen kleinen Hof öffnet.
Das schlanke Minarett mit seinen hervortretenden, von reichen Stalaktiten
getragenen Galerien, scheinbar im Kontrast mit den breiten Kuppelformen, wirkt,
weit entfernt die Harmonie des Ganzen zu stören, als belebendes Element des feinen
harmonisch abgerundeten Fassadenbildes, welches als eines der hervorragendften der
zweiten Mamluken-Periode betrachtet werdsn kann.
Was diesen Bau vor allen anderen arabischen Monumentem auszeichnet, ist
die maszvolle Verteilung der Ornamente und die Einfachheit der chromatischen Behandlung.
*) 38 Meter.

Sanktuarium der Grab-Moschee Sultan Kait-Bai.

Im Aeusseren find es alternativ abwechselnde Schichten von natürlich
hellgelben und rötlichbraungestrichenen Quadern, welche die Monotonie der schmucklosen
Flächen beleben. In der zweiten Mamlukenperiode wurden hierzu zwei verschiedenfarbige

Steinsorten in zarten Tönen gewählt. Sobald jedoch die Zeit diese
Farbenunterschiede ausgeglichen, frischte der grelle Töne liebende Orientale denselben
durch rotbraunen Anstrich wieder auf. Die inneren Wandflächen der Portalnische
sind auch hier, wie gewöhnlich bei den Monumenten dieser Epoche, aus
schwarzen und weiszen Marmorschichten hergestellt.
Ebenso einfach wie die Fassaden sind die getünchten Wände im Inneren des
Gebetraumes. Die Keilsteine der groszen Liwanbögen sind gleich den Schichten der
Fassaden in zweifärbigen,

Plafond der Grab-Moschee Kait-Bai.

alternatif abwechselndem
Material hergestellt. Im
Kontrast zu dieser schlichten
Behandlung stehen
die einst reich vergoldeten
oder bemalten Schriftfriese
unterhalb der Decken und
in halber Geschoszhöhe,
sowie die in buntesten
Farben prangenden Kamarijen
der hochangelegten
Lichtöffnungen, noch
mehr aber die Dekorationen
an den Plafonds
und die bunten Marmormosaiken
der Fuszböden.
Diese Gegensätze sind
nicht zufällig, sondern
feine Berechnung des
Künstlers, der damit
eine gröszere Wirkung der
einzelnen reich dekorierten
Teile erzielen wollte.
Die Ausschmückung
des Mausoleums ist annähernd
wie die des Gebetsaales,
nur verleihen
ihm die Vertäfelungen in buntem Marmor mit weiszem Schriftfries auf unbestimmten
dunklem Grunde ein reicheres Aussehen. Die weiszen Wandflächen
werden in einer Höhe von etwa sechs Metern durch einen einst vergoldeten Schriftfries
auf Holz und weiter oben durch ein einplattiges Gesims unterbrochen.
Den Abschlusz der Stalaktitenpendentife bildet eine Reihe Zwergnischen, welche die
ganze Kuppel umziehen. Letztere enthält an ihrem Schluszstein eine grosze Rosette
in gemalten und ornamentierten Lettern.
An die Verwaltungsräume der Moschee schlieszt sich nördlich die Ruine einer
groszen Tränke, deren Rückwand geschmackvoll ornamentiert ist. Ihr Becken wird

aus einem 40 Meter tiefen Brunnen, westlich von der Grabmoschee, der heute
noch funktioniert, gespeist.
Auf dem Wege zu den nördlichsten Monumenten der Karafe begegnen wir
links einem groszen Steinbau mit kleinen Wohnungen—Rabb—der heute mitten
unter Neubauten steht, aber noch zu dem Hosch Kait-Bai's gehört. Seine Hauptfassade
mit einem, in vornehmen architektonischen Linien ausgeführten Portale ist
noch teilweise erhalten.

Hosch Barsbai.

Bald nachdem wir die nördliche Grenze des Hosches Kait-Bai's überschritten,
treffen wir links ein kleines in Ziegeln ausgeführtes Grabmal, angeblich das der
Mutter Sultan Barsbais, Khadiga Um el-Aschraf, dessen Hosch mit seiner ursprünglichen
Umfassungsmauer gleich rechts gegenüber beginnt.
Die mit der Grabanlage verbundene Klosterruine der Sufi, an welcher der
lange Schriftenfries auf Marmor, der die Dotationen an Ländereien und Häusern
zur Erhaltung der Baulichkeiten des ausgedehnten Hosches im Detail aufzählt, das
Bemerkenswerteste ist, stöszt mit ihrer Westfassade an die Hauptstrasze der Nekropole.
An das Kloster schlieszt sich die Ruine eines Sebils, welches durch einen
kleinen Zwischenraum von der mit einem unschönen, notdürftig restaurierten Minarette
versehenen Moschee getrennt ist. Letztere ist von höchst einfacher Konstruktion,
ihre in weiszen Ornamenten und Schriftzeichen auf Holz dekorierte Decke wird von
vier Marmorsäulen getragen. Eine Thüre in der Nordwand der Moschee führt in
das einfache Mausoleum des Sultan's, dessen nackte Quaderwände nur ein Sockel
aus feinen Marmormosaiken schmückt.
Im Hosch treffen wir noch verschiedene Ruinen von Grabmonumenten, die
Barsbai seinen Verwandten erbauen liesz. Darunter einen auf vier Pfeilern ruhenden
Dom, dessen Kuppelfläche in ähnlicher Weise wie die des Mausoleums des
Sultans mit einem Netze geometrischer Figuren geschmackvoll dekoriert ist. Den
Uebergang in den quadratischen Unterbau vermitteln äuszerlich einfache Stufenabsätze,
bei dem Hauptdom aber Wülste und Hohlkehlen.

Undatiertes Mausoleum.

Zwischen dieser Grabanlage und der nun folgenden, in welcher Sultan Melek
el-Daher Barkuk beigesetzt ist, steht ein äuszerst geschmackvolles kleines Mausoleum,
dasz dem Emir Ganembai, wohl einem Zeitgenossen, vielleicht einem Verwandten oder
Würdenträger Sultan Barsbai's zugeschrieben wird und das in seinen Formen,
namentlich aber in den Ornamenten der Kuppel, jenem Sultan Barsbai's sehr
ähnlich ist.

Khanka Barkuk.

Das umfangreiche Monument Barkuk's, dessen Entstehung in verschiedene
Zeiten fällt, besteht aus Mausoleen, einer Medresse und einem Kloster der Sufi.
Nach dem am 13. Iuni 1399 erfolgten Tode des Sultans begann dessen Sohn
Faradsch 1400 mit dem Bau des nordöstlichen Mausoleums, welches sein älterer

Bruder Sultan Asis 1405 vollendete. Erst zwei Iahre später wurde der Kenotaph
Sultan Barkuk's, der durch seinen besonders hohen Schahid auffällt und der, des
unterdessen verstorbenen Sultan Asis aufgestellt. Unter dem dritten ruht wahrscheinlich
ein Sohn des unglücklichen Sultan Faradsch, der selbst in aller Stille in
Damaskus beerdigt worden war.
Das in der Südwestecke der Anlage später erbaute Mausoleum des Harim's
und die übrigen Bauteile des Hosches sind auf Sultan Faradsch zurückzuführen,
der sie 1410 vollendete. Ausnahmslos baufällig geworden, wurden sie in den letzten
Iahren notdürftig restauriert, jedoch ohne die eingestürzten Teile wieder herzustellen.

Die Khanka Barkuk.

Ihr symmetrischer Grundrisz in Form einer Medresse bedeckt eine quadratische
Fläche von 70 Metern Seitenlänge. Als Baumeister der Grabanlage wird Tscherkes
Harambuli genannt.
Der gewöhnliche Eingang liegt in einem kleinen Vorbau der Südwestfassade
und führt in gebrochenem Gange rechts zu dem Reinigungshof, geradeaus in den
Sachn der Medresse. Das Hauptportal, eine prächtige Stalaktitennische, hinter dem
ein Vestibül, befindet sich in der Nordostfassade. Von hier gelangt man rechts in das
grosze Sebil mit Kuttab, links zur Khanka, einer dreistöckigen Ruine, deren Zellen
grösztenteils erhalten sind. Links vor dem Portale liegt die Ruine einer offenen
Halle, welche die Medresse mit dem kleinen, nördlich gelegenen Mausoleum des
im Iahre 1382 verstorbenen Vaters Sultan Barkuk's, des Generales Scharaf
ed-Din Anas verbindet.
Die Liwane des Gebetsaales, mit kleinen, auf achteckigen Pfeilern ruhenden
sphärischen Gewölben eingedeckt, umgeben einen groszen offenen Hof, dessen verfallene
Hanafije einer späteren Zeit angehört. Zu beiden Seiten des Sanktuariums
liegen die Mausoleen, deren Kuppeln für die Kunstgeschichte ganz besondere Bedeutung
haben. Es sind nämlich die ersten in Egypten ganz aus Hausteinen errichteten.
Der Hauptliwan enthält neben der einfachen Kibla einen 1483 von Kait-Bai gestifteten
Mimbar, ein Meisterwerk der Steinschneidekunst.

Mausoleum Sultan Barkuk's.

An den gegenüberliegenden Liwan schlieszen sich beiderseits die Minarette, von
denen das eine vor wenigen Iahren in seinen oberen Etagen ergänzt wurde.
Wenden wir von hier unsere Blicke gegen Süden, so übersehen wir (Abb. Seite 143)
die ganze Gruppe der Tscherkessen-Monumente in ihrer interessanten Umgebung.
Das breite, rechts und links von Felsen und Schutthügeln eingeschlossene Thal, auf
dessen nacktem Sandboden sich die Denkmäler erheben, wird im Hintergrunde von
den Festungsbauten Saladin's mit dem Alabasterbau Mohammed Ali's abgeschlossen.
Hier unterbricht kein dunkler Ton von Vegetation die lichten Farben der Gebirge

und der architektonischen Gebilde, es sind lediglich Licht- und Schatteneffekte, welche
dem Ganzen einen so warmen Ausdruck verleihen.
Im Vordergrunde steht das undatierte eben erwähnte Einzelmonument, dadahinter
der grosze Hosch Barsbai. Rechts auf der gegenüberliegenden Straszenseite
wird das Denkmal der Mutter Sultan Barsbai's sichtbar, davor die gedrückte
Kuppel Mabet el-Rifai und das niedliche Mausoleum eines Unbekannten.
Im Mittelgrund rechts die Grabmoschee Kait-Bai und eine grosze Zahl
ehrwürdiger Ruinen, zwischen denen sich moderne Grabstätten eingenistet haben
die sich auch gegen Westen bis in den Durchstich der Schutthügel fortsetzen.
Der westliche Ausblick mit der Fernsicht in das grünende Nilthal zeigt eine
breite Wüstenfläche, auf deren Vordergrund sich einzelne alleinstehende Mausoleen

Blick auf die Kalifen-Gräber, von Norden aus.

erheben. Wohl das Bemerkenswerteste darunter ist das des Sultans Soliman ben
Selim aus dem Iahre 1526 in ummauertem Hofe, in welchem auch das Mausoleum
Sultan Achmed's steht. Ein in gebrochenen Linien gezeichnetes Netz von
Rauten, mit Flechtwerk in reichen arabischen Ranken ausgefüllt, überzieht die
Kuppelfläche des Grabmales Sultan Soliman's, welche ein Schriftfries aus bunten
Fayencen von ihrer Trommel scheidet. Rechts von diesem Hosch steht, vereinzelt ein
schlanker, zierlicher, undatierter Kuppelban, der im Volksmunde Schekh el Asfur heiszt.
Im Norden erscheint zunächst die grosse Grabanlage des Emirs el-Kebir aus
dem Iahre 1507, an die der Hosch des Sultan Aschraf Inal angebaut ist, in
einiger Entfernung aber das kleine Einzelmausoleum eines Emirs Sultan Kansu
el-Ghuri.
Die beiden ersteren zwar schon recht verfallen, wahren in ihrem Aeuszeren

doch noch ein imposantes Aussehen. Ihre, gleich denen der Medresse Barkuk's in
Zickzackmustern dekorierten Kuppeln, sowie die beiden Minarette zählen zu dem
Schönsten, was die arabische Kunst in Kairo geschaffen.
Das Innere mit seinen nackten, vielfach verfallenen Mauern macht einen
traurigen Eindruck der Verlassenheit. Der geringe Wandschmuck ist in der langen
Zeit, während welcher die Gebäude als Pulvermagazin gedient, fast ganz verschwunden.
Letzteres wurde im Iahre 1882 auf Befehl des kunstsinnigen Kriegsministers
endlich verlegt, der sich damit kein geringes Verdienst um den Bestand der

Grabanlage des Emirs el-Kebir (1507) und rechts der Hosch des Sultans Aschraf Inal.

ganzen Gräbergruppe erworben, die durch diese gefährliche Nachbarschaft fortwährend
bedroht waren. Das Komitee für die Erhaltung der arabischen Monumente
nahm sich der kostbaren Ruinen fortan energisch an.

Hosch Sultan Inal.

Die Anlage*) Melek el-Aschraf Inal's im Stile der zweiten Mamlukenperiode
enthält die gröszte, leidlich gut erhaltene Klosterruine der Sufi in Kairo.
*) Ein Rechteck von 105 Meter Länge und 57 Meter Breite, mit zwei schmalen Vorlagen
in der Ost und Westfassade.
Das in der Nordostecke des Hosches gelegene Mausoleum ist im Iahre 1451
als alleinstehendes Denkmal erbaut worden und zwar zur Zeit als Inal unter Sultan
Dschakmak noch Attabek—Generalissimus—der Armen war und nicht ahnte, dasz
er schon 1453 den Thron besteigen würde. Hier finden wir vier Kenotaphe, wovon
zwei, wahrscheinlich den Söhnen des Sultans gewidmet, vollständig zertrümmert sind.
Der dritte bezeichnet die Ruhestätte Inal's, während unter dem vierten seine legitime
Gemahlin, Prinzessin Senab, eine Tochter Sultan Kassbak's, beigesetzt sein soll.
Ein später zugefügter Korridor verbindet das Mausoleum mit der im Iahre 1456
angebauten groszen Medresse. Ihr Eingang liegt in der Ostseite der Hauptfassade.
Ein Hof, an dessen Nordmauer ein isoliertes Sebil steht und an dessen südlicher
Umfassung noch ein paar offene Hallen mit Kenotaphen errichtet sind, trennt die
Bauten von der Khanka. Ihre Zellen mit überdachten Vorbauten öffnen sich in einen
besonderen Hof, der von der Nordfassade aus zugänglich ist. Das Kloster nimmt
im Süden der Anlage noch eine grosze Fläche ein, die auszer einem Oratorium und
weiteren Zellen einen sehr ausgedehnten Friedhof enthält. Dieser Hosch Inal steht
in der Zusammenstellung der einzelnen Bauobjekte unter den Grabanlagen Kairo's
einzig da. Vor allem ist das bescheidene niedrige Mausoleum des Sultans auffallend,
das gegen die hohe Medresse gewaltig absticht, eine Anomalie, welche die
geschichtlichen Ereignisse hinlänglich erklären.
Schwerer zu deuten ist die isolierte Lage des Sebils, das sich sonst in einer
Ecke der Medresse aufbaut, hier aber erst später durch Umfassungsmauern in die
Anlage einbezogen wurde.
Das kleine Monument des unbekannten Emir Sultan Ghuri's, im gewöhnlichen
Mausoleumsstil 1501–1502 erbaut, zeichnet sich in seiner Ornamentierung
durch konsequente Verwendung gerader Stäbe in dem Netzwerk der Kuppel und
von pyramidenförmigen Körpern in den Uebergängen von der Kuppeltrommel zum
Unterbau des Mausoleums aus und beschlieszt die Gruppe der von den Europäern
als Kalifengräber bezeichneten Monumente.
Von Bab en-Nasr bis Bab el-Husenije dehnt sich ein moderner groszer Friedhof
aus, zwischen dessen unbedeutenden Monumenten auch der Kenotaph des 1817
verstorbenen und als Schekh Ibrahim hier beigesetzten wohlbekannten Arabisten
und Reisenden Iohann Ludwig Burckhardt aus Basel steht.
Gröszere Denkmäler lagen auf der Wüstenfläche vor Bab el-Husenije, darunter—nach
geschichtlichen Aufzeichnungen—auch einige unterdessen verschwundene
Khanka's. Seitdem jedoch Abbas I. im Iahre 1848 hier seine Residenz aufschlug,
später der Khedive Ismail Paläste für die Prinzen, Militärschulen und
Kasernen erbaute und die Privatindustrie, Häuser, Villen, Spitäler—auch ein
deutsches Hotel hier geschaffen, ist aus der stillen Nekropole eine belebte Vorstadt
Kairos geworden. An die Vergangenheit erinnert heute nur noch das reich ornamentierte,
weithin sichtbare Mausoleum el-Fadauije aus dem Ende des 15. Iahrhunderts,
welches nach seiner Restaurierung der modernen Vorstadt als Gebetsaal
dient und das niedliche 1500 erbaute Grabmal des Melek el-Adel Tuman-Bai,
dessen Ausschmückung jedoch niemals vollendet wurde. Der Stifter war schon nach

hunderttägiger Regierung entthront und kurze Zeit darauf von feindlich gesinnten
Emiren ermordet worden.
So umschlieszt nun hier auf erhöhten Flächen der Arabischen Wüste neues
Leben die letzten Reste der nordöstlichen alten Karafe, während in dem Kulturlande
des Nilthales ein breites Band von Neubauten die alte Kalifenstadt im Norden
und Westen umgürtet, im Süden aber haben moderne Quartiere auch schon einen
kleinen Teil der Trümmerstätte der ältesten Ansiedelungen der Mohammedaner in
Egypten verdrängt. Nur im Osten hat sich der alte Charakter von Wüste, Felsen
und Stätten des Todes erhalten.

Das Mokattamgebirge.

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147

Anhang.

Pyramide und Sphinx.

Die Altertümer des egyptischen Museums.

Erst seit der Mitte der neunziger Iahre haben methodische Ausgrabungen
uns die Ueberreste einer Kulturperiode in Egypten gebracht, die wir mit Sicherheit
vor die groszen Pyramidenerbauer, ja teilweise vor das durch Menes geeinigte
Reich setzen dürfen. Am bezeichnendsten erscheinen die ohne Töpferscheibe gearbeiteten
Vasen, von denen die eine Gattung über und über mit einer roten, unter besonderen
Verhältnissen schwarz gewordenen, glänzend polierten Farbe überzogen ist,
während die andere auf thonfarbenem Grund rote Zeichnungen aufweist. Auf
einem Prachtstück (2083) dieser Gattung sind Boote mit vielen Ruderpaaren dargestellt,
die auf dem Nil fahren, während am Ufer allerhand Tiere, darunter langbeinige
Wasservögel, erscheinen. Die Gestalt der niedrigen Boote mit hohen Kajüten
erinnert an die noch heute üblichen Nilboote. Ein etwas abweichendes Boot, das
auch das grosze Steuerruder zeigt, ist auf der Schale [rote Nr. 2076]*) in weiss auf
rotpoliertem Grunde abgebildet.
Zur selben Topfgattung gehören die merkwürdigen vogelgestaltigen Gefäsze
und das Nilpferdgefäsz (r. N. 2147): das Tier ist von mehreren Harpunen getroffen.
Es stammt wohl wie die meisten egyptischen Fundgegenstände aus einem Grab,
dessen Eigentümer auf diese Weise auch im Ienseits der Nilpferdjagd obliegen zu
können hoffte.
Aus dem gleichen Grunde hat man im Grab des Menes, das de Morgan
zu Negade in Oberegypten entdeckt hat, dem toten König eine Meute in Elfenbein
*) Die roten Nummern beziehen sich auf den im Erscheinen begriffenen Catalogue général.

mitgegeben, die den elfenbeinernen Löwen jagen sollte—ein anderer Löwe
aus Bergkrystall hat sich im selben Grabe gefunden. Auch die Elfenbeinfische, die
sämtlich aufgehängt werden können, hingen wohl einst am Angelhaken.
Die Gefäsze des Menesgrabes weisen mit geringen Ausnahmen keinerlei Farbschmuck
mehr auf. Dagegen sind kostbare Steingefäsze, die leider wie der ganze
Inhalt des Grabes durch Brand stark gelitten haben, zahlreich vorhanden. Ferner
schöne Steinwaffen, die beweisen, dasz wir noch am Ausgang der Steinzeit stehen: die
Metalle: Kupfer (eine Perle r. N. 14137, aus den Königsgräbern zu Abydos Waffen
und das Waschgerät r. N. 3437), Gold (langes, leichtgebogenes Kettenglied), aus
anderen Gräbern auch das Silber, sind bekannt, haben aber weder für den Gebrauch
als Werkzeuge und Waffen, noch als Schmuck (vergl. die Armbänder aus Muschelschalen
und Feuerstein im Menesgrabe und von sonstigen Fundstellen, die der
archaischen Periode angehören) den Stein ganz verdrängt.
Die Schrift ist bereits unter Menes im Gebrauch: ein kleines Elfenbeintäfelchen
aus dem Grab bietet den Doppelnamen des ersten egyptischen Herrschers: der Horus
Ehe, der Herr der beiden Diademe Menes'. Durch andere, gleichartige Tafeln aus
Gräbern der Könige der I. Dynastie, die Petrie in Abydos aufgedeckt hat, ist die
Deutung gesichert.
Aus diesen Gräbern stammen eine Anzahl auch künstlerisch wertvoller Holzund
Elfenbeinschnitzereien, so die Tafel mit dem Asiaten, das Bruchstück, das den
König “Den” (Udn-i?) Usaphais mit der Doppelkrone zeigt und die prachtvoll ornamentierten
Steingefäsze.

Altegyptisches Ohrgehänge.

Altegyptischer Fingerring.

Ueberraschend war die Auffindung einiger
Armbänder aus Gold und Halbedelsteinen in einem
der Gräber zu Abydos, aber der glanzvollste Fund
aus der egyptischen Urzeit war doch der von Hierakonpolis.
Hier fand Quibell, jetzt Generalinspektor
der Altertümer in Egypten, die herrliche Schmuckpalette
des Königs Nar-mer (?). Auf der Vorderseite
erschlägt der König, dessen Haupt die oberegyptische
Krone schmückt, mit der Keule 6000 Asiaten.
Die feierliche Haltung des Königs, der die Sandalen
tragende priesterliche Diener hinter dem Herrscher beweisen,
dasz hier eine symbolische Handlung vorliegt. Es ist das Fest “des Schlagens
der Beduinen”, dessen Verlauf wir auf der Rückseite kennen lernen. Hier schreitet
der König in feierlicher Prozession, von Priestern begleitet, auf die enthaupteten
Feinde zu. Weiter unten bändigen zwei Asiaten zwei Fabellöwen, deren lange
Hälse eine Schale umschlieszen. Im untersten Feld hat der starke Stier—das
Symbol der egyptischen Könige—einen Asiaten zu Boden geworfen und seine
ummauerte Niederlassung zerstört.
Die künstlerische Ausführung dieser “Paletten” ist von hervorragender Kraft:
die bekrönenden Hathorköpfe zeigen alle Charakteristika der besten Masken der
Kuh-Göttin. Die strenge Gemessenheit der Darstellung wird durch das Material—dunkelgrüner
Schiefer—noch besonders hervorgehoben.
Neben diesem Prachtstück—und einer ähnlichen, jetzt in Oxford befindlichen
Tafel, deren Abgusz unser Museum bewahrt—treten die interessanten Elfenbeinschnitzereien,
die zu den ältesten egyptischen plastischen Versuchen gehören, fast zurück.
Und ebenso die heiligen Tierfiguren aus egyptischem Porzellan (Fayence), die
uns die Fabrikation dieser Masse schon für die älteste Zeit bezeugen.
Die Deutung der Tafeln von Hierakonpolis auf Schmuckpaletten beruht auf
dem Vergleich dieser Prunkstücke mit den in fast allen archaischen Gräbern gefundenen

Prinz Rahotep und Prinzessin Nofret aus Medum. Kalkstein. Kairo.

tierförmigen Tafeln aus grünem Schiefer, auf denen sich deutliche Spuren
von zerriebener Farbe finden, und die neben der einen Hand der Toten gefunden
sind, zugleich mit Reibkieseln. Wir wissen von den bemalten ältesten Statuen her
(und in späterer Zeit durch sog. Puppen, die in Gräbern beigegeben sind, auch
durch die Leiche der Priesterin Amenit aus dem mittleren Reich), dasz die Egypter
es liebten, sich die Augen, aber auch andere Körperteile mit Farbe zu schmücken
bezw. zu tätowieren.
Von der Plastik jener fernen Epochen geben uns auszer den schon erwähnten
Statuetten aus Hierakonpolis, die von Petrie in Koptos gefundene Statue des Naturgottes
Min eine Anschauung (mit interessanten Reliefs auf dem die Beine eng umhüllenden
Gewand), sodann das Hockbild eines Mannes aus Hierakonpolis (der den
eigentümlichen Schurz trägt, der später Fischer und halbwilde Sumpfbewohner auszeichnet),
endlich, als das fortgeschrittenste Exemplar von allen, die hockende Granitstatue
eines Priesters dreier Könige der ersten Dynastien, deren Namen auf seinem
Rücken stehen. Sie zeigt in der kurzen, in konzentrischen Kreisen angeordneten
Loctenfrisur, im Gegensatz zu den langen Haaren des Mannes aus Hierakonpolis und
den Haartrachten der ebenda gefundenen Statuetten, bereits die Mode des alten Reichs.
Nicht so sehr lange nach dieser Statue sind die beiden vielgepriesenen Sitzbilder
des Prinzen Rahotep und seiner Gemahlin Nofret (die Schöne) gearbeitet, in denen

Der “Dorfschulze”. Holz. Kairo.

die Grundeigenschaften der egyptischen
Kunst, scharfe Heraushebung der für den
Typus wesentlichen Züge und Vernachlässigung
alles Nebensächlichen (wozu der
Egypter Hände und Füsze rechnet) so klar
sich aussprechen. So farbenschillernd wie
dieses Paar müssen wir uns alle egyptischen
Statuen denken. So namentlich
auch den Scheich el-Beled (Dorfschulze),
einen Beamten der V. Dynastie und “seine
Frau”, von der nur der Oberteil erhalten
ist. Beide Holzstatuen waren mit einer
dünnen, bemalten Stuckschicht überzogen.
Die Technik mag man sich an einem
rohen Sitzbild des alten Reichs unserer
Sammlung vergegenwärtigen.
Unter den Typen, denen wir immer
wieder begegnen, verdienen die ruhig Dasitzenden,
die den Gebeten der Opfernden
lauschen, die Schreiber mit dem Griffel in
der Hand, die Papyrusrolle auf den Knieen,
und die Lesenden, die leichtgesenkten Hauptes
ein Buch in den Händen halten, hervorgehoben
zu werden. Diese Typen sind im
alten Reich geschaffen und dann beibehalten
worden: wer die Entwictlung der Plastit studieren will, vergleiche den schönen
Schreibenden aus Sakkara (V. Dynastie, r. Nr. 36), einen der Schreibenden aus der
VI. Dynastie mit vergleichsweise groben Formen, die Lesenden aus dem altem Reich
(r. Nr. 57 und 56) mit den Statuen des neuen Reichs, die den gleichen Gegenstand
darstellen. Bei dem Lesenden r. Nr. 592 fallen die schweren Fettfalten auf der Brust
auf: es ist das die Art, wie seit dem Anfang des mittleren Reichs (VI. Dynastie)
der Egypter alte, wenig sich bewegende Leute charakterisiert.
Königsstatuen des alten Reichs haben wir nur wenige: die Gräber in Abydos
enthielten nur groszartig angelegte Stelen mit dem Horusnamen des Königs, die
ersten sicheren Bruchstücke von Königsstatuen der IV. Dynastie haben die Ausgrabungen
der französischen Schule zu Tage gefördert und ganz neueerdings Petri
im Tempel zu Abydos, wo eine Statuette des Königs Cheops gefunden wurde,
die unsere Sammlung bewahrt. Ein Vergleich dieser Köpfe mit den altbekannten
Chefrenstatuen scheint zu beweisen, dasz wir in diesen späte Kopien alter Standbilder

Priester. Kairo.

Statue des Königs Chefren. Kairo.

vor uns haben, aber doch Kopien von der Zuverlässigkeit einer leidlichen
römischen Kopie für eine Statue des 5. Iahrhunderts. Es sind hauptsächlich
Unterschiede der Ausführung, die bei den Chefrenstatuen viel schwammiger und
unpräciser ist, als bei den Statuen aus Abu Roasch. Dasz die Annahme einer
besonderen “Königskunst” unstatthaft ist, die Abweichungen der Chefrenbilder und
der anderen im gleichen Saal aufgestellten Königsbilder von den sie umgebenden
Privatstatuen also nicht erklärt, beweist vor allem auch die Statue des Königs
Phiops und seines Sohnes Mentesuphis aus der VI. Dynastie, die nur der vollkommenste
Repräsentant der Kunst des alten und beginnenden mittleren Reichs ist.
Zum Glück sieht man es ihr kaum an, dasz sie aus unzähligen Bruchstücken, die
Quibell in Hierakonpolis fand, von Herrn Barsanti im Museum zusammengesetzt
ist. Diejenigen, die in der XII. Dynastie die kleinere Statue in die grosze schoben

und beide nebst dem wundervollen goldenen Sperberkopf—wohl zu dem Götterbild
des alten Reichs gehörig—unter dem Pflaster des Tempels bargen, scheinen
den goldenen Schurz Phiops I. und den oberen, wohl aus Lapislazuli bestehenden
Teil seines Kopfes bereits nicht mehr vorgefunden zu haben.
Die meisten der Statuen des alten Reichs stammen aus Gräbern und stellen
den Toten dar, wie er in der Grabesthür steht oder aus ihr heraustritt, um die

Reliefs der Spätzeit. (S. 153). Aus dem Grab des Psametiches-nefer-sam.

Opfer zu genieszen. Eine Stele
in Form einer solchen geöffneten
“Scheinthür”, die aus
dem Grab ins Ienseits führt,
zeigt in der Thüröffnung den
Toten. Man hat diese Thürstelenform
zwar noch bis in
die Spätzeit festgehalten (ein
Beispiel aus dem neuen Reich:
215), aber die typische Darstellung
des Toten oder der
Toten verändert sich: im neuen
Reich sitzen der Tote und seine
Frau, die Kinder öfter neben
sich, regelmäszig auf Sesseln. Damals zuerst fängt man an, die einzelnen Strähne
der Haare, die kleinen Falten des Gewandes mit minutiöser Genauigkeit wiederzugeben.
Die nur im oberen Teil erhaltene Gruppe eines Ehepaars aus weiszem
krystallinischen Kalkstein ist ein treffliches Beispiel für diese Art.
Im ganzen spricht uns die Plastik des neuen Reiches weniger an. Die etwas
klobigen Königsstatuen interessieren uns mehr um der Person des Dargestellten
willen, wie bei Tuthmoses III. oder Ramesses II.; die dem späten neuen Reich angehörigen
Götterstatuen wie die kolossalen Ptahs aus Memphis oder der feine,
aber im Grund leere Chonsu aus Karnak, lassen uns kalt. An den Bildern
der löwenköpfigen Göttinnen bewundern wir höchstens die Kraft des Raubtierhauptes.
Das Beste hat diese Zeit in der Kleinkunst geschaffen; die reizenden
Figuren der Schwimmerin als Salblöffel, des Asiaten, der die Amphora stützt (Toilettenbüchse),
des Gottes Bes (aus Elfenbein) als Spiegelstütze, der ganze bunte und
doch anmutige Hausrat, wie wir ihn z. B. aus dem Grab des Sennutem kennen
lernen, finden ihresgleichen nur in den besten Zeiten griechischer und christlicher Kunst.
Die eleganten Formen der Sessel und Betten mit den Tierfüszen, der reich ornamentierten
Lederbespannung und den künstlerischen Einlagen in Elfenbein haben
denn auch in die griechische Kunst Aufnahme gefunden.
Die Kunst des neuen Reiches hat aber auch eine andere, naturalistische Seite.
Bereits im mittleren Reiche stoszen wir neben den akademischen Arbeiten, für die
die 10 Statuen Sesostris I. aus Lisht (südlich von Sakkara) und die herrliche Ebenholzstatue
des Königs Horus ans Daschur gute Beispiele bieten, auf ganz verschieden
geartete, die offenbar beabsichtigen, ein treues Bild der Person zu geben: das glänzende
Sitzbild des jungen Amenemes III., des Begründers des Moerissees, mit dem

feinen Profil, andrerseits die kräftigen Sphingen mit den Löwenmähnen, die das
Tierische im Bild so stark betonen, der Kolossalkopf eines Königs dieser Zeit aus
Bubastis vertreten diese Richtung in ganz unterschiedlicher Weise. In diesen Kreisen
scheint man zuerst die Darstellung runzliger Gesichter begonnen zu haben, wofür
man die hockende Statue im langen Mantel, der damals Mode war, vergleiche
(1374).
Es ist nun bemerkenswert, wie ähnlich das Profil des jungen Amenemes
dem des Königs Amenophis IV. ist, den man gewöhnlich für den Schöpfer dieser
naturalistischen Kunst hält. Nur dasz bei diesem Herrscher, der nach kurzem Kampf
mit der thebanischen Priesterschaft sich mit seinen Getreuen nach Tell Amarna zurückzog,
um dort den heliopolitanischen Gott Aton, die mit 1000 Armen segenspendende
Sonnenscheibe zu verehren, alle Darstellungen frei von jeder formalen
(aber nicht inhaltlichen) Tradition erscheinen. Uns dünken diese übertrieben charakteristischen
Formen Karikaturen. Und diese Kunst hat sich auch nicht behauptet: die
Ramessiden lenken im wesentlichen in die alten Bahnen zurück; nur tritt an Stelle
des feierlichen Ernstes der Bildwerke aus der XVIII. Dynastie—vergl. die Siegesstele
Tuthmoses III., die Statue der Mutnofret, Mutter Tuthmoses' II., die Statue
Amenophis II.—namentlich in der Rundplastik, eine gewisse Süsslichkeit, wenngleich
nicht ohne Reiz: Statue des Chonsu, der unbekannten Königin mit der blauen
Perrücke (blau und schwarz verwechseln die Egypter oft), des schon genannten
Lesenden u. s. w.
Diese akademische schöne Kunst setzt sich in den letzten Iahrhunderten der
egyptischen Geschichte fort; ihr gehören die einst hochberühmte Alabasterstatue der
Königin Ameniritis, die grosze Masse der Götterbronzen an, die uns Amon von
Theben mit den beiden hohen Federn, Horus und seine Sippe mit dem Falkenkopfe,
die Göttin Isis mit dem Harpokrates auf dem Schosz, den Krokodilsgott
Souchos, den mumienförmigen Ptah von Memphis, und Osiris, den Gott der Unterwelt,
darstellen. Damals ist auch das durch die prachtvolle Technik wie die absonderliche
Gestalt wirkungsvolle Steinbild der Nilpferdgöttin Toeris geschaffen worden
und die lange Reihe von Naoi (Kapellen) und Steinsärgen, die die Steinmetzen mit
unendlichem Fleisz mit Inschriften bedeckt haben.
Aber daneben geht doch eine andere Richtung her, mit der, vielleicht nicht zufällig,
die Aethiopen in Beziehung scheinen: die Köpfe des Teharka, die kleine
Bronze eines äthiopischen Königs, lassen die bezeichnenden Züge des Negers unverhüllt
erkennen. Und der in diese Zeit gehörige sogenannte Mentumhet gibt ein
lebendiges Bild eines höheren, beleibten Beamten mit einer angemessenen Perücke.
Als die Meister dieser trefflichen, im Geist der besten Werke des mittleren Reichs
geschaffenen Werke die griechische Kunst kennen lernten, da gingen sie noch einen
Schritt weiter. Unsere Sammlung bewahrt leider keinen der seltenen frühptolemäischen
Köpfe freien Stils, wohl aber gute Repräsentanten der späteren Entwicklung bis in
die römische Zeit hinein: man vergleiche die Oberteile deiser römischen Statuen mit
der Büste eines Römers aus der Zeit Trajans und mit dem Mentumhet andrerseits,
um sich zu vergegenwärtigen, wieviel Griechisch-römisches trotz aller egyptischen
Technik in diesen Köpfen steckt.
Von dem Leben und Treiben der alten Egypter gewinnen wir infolge der
Sitte, dem Toten alles, was er im Diesseits wünschte, ins Grab in natura, im
Modell oder im Bild mitzugeben, ein verhältnismäszig vollständiges Bild. Hier sei
nur auf das Wichtigste hingewiesen: in den Gräbern des alten und mittleren Reichs
erscheinen häufig (Dienerstatuen): Brauer, Bäcker, Feuerschürer, Leute, die Bierkrüge
ausschmieren, Zwerge, die für die Wäsche sorgen u. s. w. Auch das Abbild eines
Bootes mit Kajüte oder mit Segeln findet sich. Einem General wurden seine
beiden Regimenter, rotbraune Egypter mit langen Speeren mit Bronzespitze und
Nubier mit Bogen und Pfeilen mit Feuersteinspitzen beigegeben. Auch Spielsachen

Altegyptische Soldaten. Holzfiguren aus einem Grabe in Siut. (Mittl. Reich.) Museum zu Kairo.

fehlen nicht; so das älteste Roulette, eine runde Steinplatte, auf der sich eine
Schlange windet; es galt Steinkügelchen durch alle Windungen bis in die Mitte
der Platte zu treiben (aus einem prähistorischen Grab). Ferner Bälle, Brettsteine
und Spielbretter, Puppen, Musikinstrumente. Auch die nötigen Toilettenartikel,
metallene Spiegel mit Griffen in Gestalt einer Papyrusdolde oder einer die Scheibe
haltenden Frau, Nadel nnd Nadelkissen (z. B. in Gestalt einer Schildkröte), gespaltene

Brustplatte aus Daschur.

Ringe zum Aufraffen und Schlieszen
der Gewänder (an Stelle unserer Sicherheitsnadeln),
Knöpfe, Kämme, Steinschalen in Tiergestalt
und röhrenförmige Töpfe für Schminken
und Salben fehlen nicht. Besonders Reichen
gab man wohl auch Schmucksachen mit: die
Armbänder aus ältester Zeit erwähnten wir
schon. Dem mittleren Reiche gehören die
einzigartigen Goldfunde von Daschur an; man
beachte die Brustplatten mit dem Bild des
Königs, der einen Feind erschlägt oder in Greifengestalt niedertrampelt, die
Muscheln mit den eingelegten Carneolplatten, die wundervollen Diademe in Filigranarbeit,
die farbenprächtigen Amethystketten. Hier kann man auch Skarabäen

in ursprünglicher Ringfassung sehen. Der Skarabäus, ein steinernes Bild des
heiligen Käfers, des Symbols der Gestaltungen, verdrängt seit dem mittleren Reich
allmälig die älteren Siegelcylinder, mit denen u. a. die Krugverschlüsse der
Bierkrüge aus den ältesten Königsgräbern gestempelt
sind.

Statue des Gottes Chons. S. 153. Knieender Priester. Neues Reich.

Aus dem Beginn des neuen Reiches
stammen die bei der Mumie der Königin
Aahhetep gefundenen silbernen und goldenen
Boote, Arm- und Beinringe, Waffen, der
Wedel, in dem einst Federn steckten, die Kette
des in Inschriften der Zeit erwähnten Fliegenordens,
das im Haar der Königin gefundene
Diadem, die beiden metallenen Spielsteine in
Form eines Löwenkopfes u. s. w. Auch hier
treten nur bunte Steineinlagen, kein Emailcloisormé
auf.
Aus der Saitenzeit stammen die fast mikroskopisch
kleinen, aber vortrefflich ausgeführten
Goldarbeiten, die z. B. zwei Affen an einem
Palmbaum, das Boot des Unterweltsgottes
Sokaris, Amulette und schützende Gottheiten
darstellen.
Im Vergleich dazu erscheinen die Arbeiten
der griechisch-römischen Zeit plump und aufdringlich:
man beachte die breiten Diademe mit
dem Gorgoneion, die Armbänder in Schlangenform,
die vielgestaltigen Ringe.
Wenn so die alten Egypter der verschiedensten
Epochen mit ihrem ganzen Tand und
Hausrat uns lebendig werden, so können wir
uns von ihren ziegelgebauten Häusern wenigstens
einen Begriff machen. Einmal nach den
thönernen Hausmodellen aus Gräbern des
mittleren Reichs, die den Hof und das in ihm
zuhinterst liegende, meist zweistöckige Haus erkennen
lassen. Sodann aber besitzt das Museum
in den schönen Fresken aus Hawata, die so
reich bewegte Motive aus dem Tier- und
Pflanzenleben zeigen und in den Fayencebekleidungen
aus Tell el-Qehudie, einen Fuszboden
und Teile von Wandschmuck aus Palästen des neuen Reichs. Auch hölzerne
Stützen, steinerne wie hölzerne schwalbenschwanzförmige Klammern, Fenstergitter
aus Stein und Holz, Holzthüren—freilich von Schreinen und aus Gräbern—besitzt
die Sammlung.
Wir können diese rasche Uebersicht nicht schliesken, ohne die drei groszen thebanischen
Funde zu erwähnen: den Fund der Königsmumien im Versteck von Dier
el-Bahri, der Amonspriestersärge ebenda (1891) und der Könige im Grab Amenophis'
II. und endlich des neuentdeckten Grabes Tuthmoses' IV. Namentlich die
lekten Funde geben einen guten Begriff von dem enormen Reichtum dieser
Herrscher. Herrliche blaue Fayencegefäsze, z. B. in Gestalt des Lebenszeichens,
prächtige Lederarbeiten—die besten aus dem Grab des Privatmanns Mui-hi-perider
uns einen Köcher und die Halsbänder seiner Hunde hinterlassen hat—wundervolle
Stuckarbeiten—z. B. der Triumphwagen Tuthmoses' IV. —zahlreiche
Holzschnitzereien haben sich gefunden. Man beachte vor allem auch das in
Ledermosaik ausgeführte Zelt der Prinzessin Isis-mchebt und ihre bunten Glasbecher,
die schönen Glasfunde aus dem Grabe Amenophis' II., endlich als Kuriosität
die groszen Perücken, die in den Gräbern der Fürstlichkeiten des neuen Reichs sich
gefunden, und zum Schlusz trete man an die verhältnismäszig einfachen Särge der
groszen Pharaonen, Tuthmoses I. und III., Sethos I. und seines Sohnes Ramesses II.,
die wie durch ein Wunder uns wiedergegeben sind, nachdem sie viel tausend Iahre
im Grab geschlafen.

“Lesender”. Neues Reich. Nr. 592. S. 150.

Fr. W. von Bissing.

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157

Derzeichnis der Abbildungen.*)

Seite
Abu Bekr Mashar, Kiblawand der Medr 98
Abu Bekr Mashar, Dekorationen 99
Abbassiden, Maus 40
Abbassiden, Inschriften eines Kenotaphes 41
Akhor, Medr. Emir 104
Akmar, Fassade der M 31
Aksunkor el-Naszir, Kibla u. Minbar der M 67
Amr, Sachn der M 6
Amr, Antikes Kapitell mit byzantinischen Holzschnitzereien 7
Amr, Byzantinisches Kapitell 7
Anuk, Maus. der Sitt Khawand Um 136
Ashar, Sachn der M 24
Ashar, Thor der M 22
Bab el Futuch 18
Bab en-Nasr 19
Bab Suele 20
Barkuk, Sanktuarium der Medr. Sultan 86
Barkuk, Khanka 141
Barkuk, Maus. des Sultan 142
Bauten der ältesten Zeit unter arabischer Herrschaft 2
Bauten unter den Tuluniden 8
Bauten unter den Fatimiden 16
Bauten unter den Eijubiden 36
Bauten unter den Mamluken 47
Bauten unter türkischer Herrschaft 105
Bauten unter Profan- 111
Bauten der Nekropolen 124
Beibars, Portal der Khanka 60
Beibars, Maus. des Sultan 61
Bektaschi-Derwische, Kloster 129
Bektaschi-Derwische, Begräbnisstätte 129
Beschtak, Palast des Emir 119
Bordeni, Schekh Achmed el-, Kiblawand der Masgid 110
Brustplatte aus Daschur 154
Chefrenstatue 151
Citadelle, Oestliche Umwallung 37
*) Abkürzungen: M.=Moschee; Medr.=Medresse; Maus.=Mausoleum.

158

Seite
Daher Beibars, M 49
Dorfschulze 154
Fingerring, altegyptischer 148
Fustat, Schutthügel 1
Friedhof vor Bab el-Hattaba 135
Gamalije, Hauptstrasze des Quartiers 59
Gauli, Sangar el-, Medr 58
Ghuri, Das Innere der Medr. Sultan 100
Giyusch, Meschhed des Emir el-. 124
Hakem, M. el. 27
Hakem, Eines der beiden Minarette 28
Hängelampe in emailliertem Glas 73
Hängevase 74
Hassan, Sultan, Grundrisz der M 69
Hassan, Sultan, Hauptportal 70
Hassan, Sultan, Sachn 71
Hassan, Sultan, Sanktuarium 72
Hassan, Sultan, Südfassade 68
Hof eines Hauses im Quartier Tabbanah 121
Hof des Hauses Gamel ed-Din es-Zahabi 112
Ibrahim-Pascha, Kenotaph 132
Inschriften, kufische 34
Iachja Schabihi, Maus 133
Iachja Schabihi, Maus Fassade 134
Inal, Hosch des Sultan 144
Ka'ah des Hauses Gamal ed-Din 113
Kait-Bai, Brunnensaal eines Sebils 91
Kait-Bai, Grabmoschee 137
Kait-Bai, Grundrisz der Grab-M 90
Kait-Bai, Minbar der Medr 96
Kait-Bai, Plafond der Grab-M 139
Kait-Bai, Sachn der Medr 95
Kait-Bai, Sanktuarium der Grab-M 138
Kala'un, Kibla des Muristan 53
Kala'un, Ostfassade der Muristan 52
Kalifen-Gräber, Blick auf die 143
Kamarije 115
Kebir, Emir el-, Grabanlage 144
Khair-bek, Medr 102
Khair-bek, Medr Gebetsaal 103
Khalidsch, Gebäude am 118
Korankiste 76
Kursi el-Kahf 78
Kursi Sultan Mohammed Naszir's 117
Lesender 156
Leuchter für Wachskerzen 76
Machmal, Auszug 80
Machmal 79

159

Seite
Moahmmed Nasir, Kibla der Medr 56
Moahmmed Nasir, Minarett der Medr 57
Moahmmed Nasir, Ostfassade der Medr 54
Moahmmed Nasir, Christliches Portal 55
Moahmmed Nasir, Nordwestfassade der M 63
Moahmmed Nasir, Unterbau der Kuppel 62
Mamluken-Gräber, von Norden 127
Mardani, Kibla und Minbar der M 65
Mardani, Sachn der M 64
Marmorbecken aus der M. Tattar el-Hegasije 77
Meslakh eines öffentlichen Bades 123
Mohammed Ali, Vorhof der M 111
Mokattam-Gebirge 146
Muaijad, Sanktuarium der M 87
Muaijad, Portal der M 88
Muaijad, Thüre der M 89
Musaferchane, Durka des Palastes 114
Nahasin, Quartier 51
Nofret 149
Ohrgehänge, altegyptische 148
Okella Kait-Bai, Ostfassade 122
Osman-Bai Kardaghli, Grabmal 128
Plan von Masr el-Kahira 17
Priester 151 u. 155
Pyramide und Sphinx 147
Rachman-Bai, Grabmal Abd er. 128
Rahotep und Nofret 149
Reliefs der Spätzeit 152
Rokaija, Kibla der Sitte 35
Salach Nigm ed-Din. Maus 44
Salach Nigm ed-Din. Minarett der Medr 44
Salach Talajeh Sanktuarium der M 32
Schafa'i, Imam, Maus 130
Schafa'i, Imam, Maus. Inneres 131
Schafa'i, Imam, Pendentif der Kuppel 39
Schagaret ed-Durr, Madfan 42
Schara es-Siade 9
Sebil, Khosrof-Pascha 44
Sebil, Abd er-Rachman-Bai Kikhja 93
Sebil, der Mutter Abbas-Paschas 94
Sebil, Sultan el-Ghuri 101
Sebil, Tekkije Sultan Mahmud 92
Sinan-Pascha, M. 106
Sinan-Pascha, M. Gebetsaal 107
Sissarije, M 105
Sofia, Vorhof der M. Meleke 108
Sofia, Gebetsaal der M 109
Skulpturen auf Elfenbein 47
Skulpturen in Gips, Maus. der Abbassiden 43
Skulpturen auf Holz aus Fustat 8

160

Seite
Skulpturen auf Holz Kenotaph Sadat el-Taalbe 45
Skulpturen auf Stein, Eingangsthüre in den Hosch Sadat el-Taalbe 46
Soldaten, altegyptische 154
Sorghutmasch, Kuppel u. Minarett der Medr 81
Sorghutmasch, Sachn der Medr 82
Statue des Gottes Chons 155
Taibarssije, Sauje 23
Tanur aus der M. Sultan Hassan 74
Thoraiah der M. Sultan Hassan 75
Tulun, Byzantinische Säulchen der Kibla 11
Tulun, Fragment der Stiftungsurkunde 12
Tulun, Gipsgitter der Lichtöffnungen 15
Tulun, Inneres der M 13
Tulun, Sachn der M 10
Um es-Sultan, Portal der Medr 84
Vertäfelungen im Musaferchane-Palast 116
Wappen, arabische 83
Naschbek, Sef ed-Din, Portal des Palastes 120
Zelte, arabische 80

Benükte Werke.

Druck fehler.
S. 3, Anmerkung, statt Fouguet zu lesen Fouquet.











Date: (unknown) (Electronic edition revised December 2006) . Author: Franz, Julius, pasha. Bissing, Friedrich Wilhelm,; Freiherr von,; 1873-1956 (Electronic edition revised LMS).
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